Von Nina Höll

Das Messer trifft auf die Holzplatte. Immer und immer wieder schneidet die Klinge durch das Fleisch, welches vor ihr liegt. Die Klinge, so scharf, dass sie locker Finger hätte abtrennen können, fährt durch das Fleisch. Stück um Stück. Es wird immer weniger, bis es gänzlich geschnitten ist. Als nächstes widmet sie sich dem Gemüse. Eine Paprika, eine Karotte, zwei Zucchini. Alles klein geschnitten. So klein, dass man es nicht mehr als solche erkennen möge. Das ist ihm wichtig. Er möchte nicht sehen, was er isst, wenn es kein totes Tier ist, möchte kein Gemüse essen. Nicht wissentlich. Und sie? Nach ihr fragt niemand. Sie steht nur in der Küche, wie es sich für eine richtige Frau gehört. Seiner Meinung nach. 

„Schaaatz! Ich bin zu Hause!“, hört sie seine Stimme im Flur, während sich die Haustüre schließt und er sich aus seinem Mantel schält. Es ist kalt draußen, da es Ende November ist und der Winter so langsam Einzug hält. „Guten Abend! Wie war dein Tag?“, antwortet sie mit einer Stimme, die vor lauter Freude nur so sprüht. Ihre Augen bleiben ausdruckslos. „Sehr gut. Wir haben viel verkauft. Sehr viel. Und Monica ist spitze. Sie macht so gute Arbeit.“ „Ach ja. Monica. Mhh, das kann ich mir sogar bildlich vorstellen.“, erwidert sie, nun mit einer Kälte in der Stimme, die ihm aber nicht auffallen sollte. „Es riecht köstlich! Was hat meine wunderbare Frau den heute für mich gekocht?“ „Es gibt Schweinebraten, genauso, wie du ihn am liebsten hast.“ „Oh, das ist so wunderbar von dir!“ Sie dreht sich zu ihm um. Er sitzt am Küchentisch. Am gedeckten Küchentisch und ist in Unterlagen vertieft. Ihr Blick verändert sich. Wird kalt. Eiskalt, so wie der Tag draußen, der sich so langsam dem Ende zu neigt. „Wie lange dauert es denn noch? Ich hätte Hunger.“, murmelt er vor sich hin und sie antwortet mit zuckersüßer Stimme. „Bald Schatz. Bald.“ Das Messer in ihrer Hand fühlt sich schwer an. Sie weiß, dass es scharf ist, dass sie ihn damit abschlachten könne, wie man ein elendiges Tier, welches auf seinem Teller landen wird, abschlachtet. Und vielleicht ist er genau das. Ein elendiges Tier, was es mit seiner Sekretärin treibt. Monica. Und denkt sie wüsste nichts davon. Wüsste nicht, warum er oft zu spät zu Hause ist, warum er sie nicht mehr berühren will und warum er nur noch von Monica redet. Seit Monaten hat sie kein „Du siehst aber gut aus“ aus seinem Mund mehr gehört. Kein „Ich liebe dich“, kein „Du bist toll“, kein „Danke“. Aber sie darf sich nicht beschweren, oder? Er gibt ihr alles, was eine Frau braucht. Ein Dach über dem Kopf und einen Mann, um den sie sich sorgen kann. Aber das ist nicht alles, was eine Frau braucht, was sie ausmacht, was sie erfüllt. „Liebes?“ Sie schaut auf, sieht ihn an, erkennt den verstörten Ausdruck in seinen Augen und blickt dann an sich hinunter. Gedankenverloren wie sie war, hat sie mit dem Messer gewedelt. „Alles gut, Schatz“, antwortet sie und lächelt ihn an. So falsch, dass sie es nicht für möglich gehalten hatte, dass man es ihr glauben möge, aber ihn stört es nicht. Der Braten hinter ihr im Ofen duftet köstlich und sie dreht sich um, um ihn aus dem Ofen zu holen. Er ist etwas dunkler als sonst, aber immer noch genießbar. Sie wollte sich gerade noch einmal umdrehen, als ihr Blick auf den Toaster fällt, welcher neben dem Ofen steht. „Das Kabel“, denkt sie sich und fasst einen Entschluss. Mit einem entschuldigenden Lächeln stellt sie den Braten vor ihren Mann auf den Tisch. „Schatz! Der sieht aber sehr dunkel aus! Den kann ich so nicht essen! Denk doch bitte an meinen Bauch.“ „Oh lieber Mann. Sollte dir mein Essen nicht bekommen, bin ich sicher Monica möge dir etwas bekömmlicheres kochen.“ Ihre Stimme ist eiskalt und scharf, wie das Messer, welches sie eben noch in der Hand hatte. Er sieht sie an. Erschrocken. Ertappt. Schuldbewusst. „Schatz, es ist nicht das, wonach es aussieht! Ich arbeite nur mit ihr.“ Sein Blick sagt etwas anderes und da tritt sie hinter ihn. Ohne es zu merken, hat sie den Toaster genommen. Zum Glück war das so ein handliches Gerät. „Perfekt für die Hausfrau“ hat es geheißen. „Oh ja, es ist wirklich perfekt.“, denkt sie sich, während sie das Kabel um den Hals ihres Mannes legt. Langsam zieht sie es zu. „Schatz!“, entweicht ihm ein erschrockener Atemzug, als die Luft immer weniger wird. Sie beugt sich zu ihm hinunter und während sie das Kabel immer fester schnürt, flüstert sie: „Ich weiß das du es mit ihr getrieben hast.“ Noch etwas fester. Er röchelt, bekommt keine Luft. Ein flehentliches Stöhnen entweicht seinen Lippen und sie fragt sich, wie anders er sich wohl angehört haben musste, als er es mit Monica getrieben hat. Das Kabel wird immer fester um seine Kehle gezogen. Seine Stimme ist nur ein Flüstern und sie muss sich vorbeugen, nahe an seine Lippen, damit sie ihn verstehen kann. „Bitte Liebes. Ich habe dir alles gegeben, was du wolltest. Mehr kann ich nicht tun.“ „Ach nein?“, sie lacht bitter auf, „Du konntest nicht einfach die Finger von Monica lassen, mir ein treuer Ehemann sein und etwas gut zu mir? War das zu viel verlangt?“ Seine Antwort wartet sie gar nicht mehr ab. Es ist ihr egal. Sie nimmt einen tiefen Atemzug, während er seine letzten Atemzüge nimmt. Danach ist es still, keine Versprechungen, kein Flehen, es ist still und auch sein Atem hört man nicht mehr. Er ist tot. Und auf ihren Lippen breitet sich ein Lächeln aus. Das erste, echte seit Monaten. 

„Herr Polizist! Mein Mann… er hat sich umgebracht! Erwürgt, hat er sich! Mit dem Kabel unseres Toasters! Bitte! Sie müssen mir helfen! Ich weiß nicht was zu tun ist!“ Ihre flehentliche Stimme dringt durch das Telefon an das Ohr eines Polizisten. „Beruhigen sie sich, junge Frau. Atmen sie. Wir sind auf dem Weg. Und machen sie sich keine Vorwürfe. Es ist doch nicht ihre Schuld, sie Ärmste. Einfach atmen“