Von Christina Gmeiner

»Ich bin also dick?«

»Was? Nein das habe ich doch gar nicht gesagt.«

Lina zog verächtlich eine Augenbraue nach oben. »Du sagtest«, begann sie, »ich solle mich als diese Rosalie verkleiden und..«

»Rosie«, verbesserte ich sie, verstummte aber gleich wieder, als sich auf ihrer Stirn eine kleine Falte bildete. 

»Ich soll mich also als diese Rosie verkleiden, die wiederrum dick ist.«

»Nun dick ist übertrieben, sie ist allenfalls etwas mollig. Sagen wir, sie hat weibliche Rundungen, aber das ist doch gerade das Schöne an Frauen. Ich meine wer möchte schon gerne so ein dünnes Ding, bei dem man jeden Knochen spürt?«

Okay, das war dumm und ich hätte es nicht sagen sollen. Doch manchmal war mein Mund einfach schneller als mein Gehirn und dann kam das dabei raus. 

Meine Freundin Lina war alles andere als begeistert von unserem Gespräch und ich merkte wie sie von Minute zu Minute ungehaltener wurde. 

»So dann bin ich dir also zu dünn oder was? Kann man es dir überhaupt recht machen? Erst zu dick und nun zu dünn? Was willst du eigentlich?«

»Nein, so war das doch gar nicht gemeint Lina. Das hast du falsch verstanden.«

»Ach jetzt bin ich auch noch dumm?«

Vor lauter Ungläubigkeit klappte mir die Kinnlade herunter. Wie hatte dieses Gespräch so falsch laufen können? Ich hatte sie doch nur gefragt, ob sie mit mir zur Diesjährigen ComicCon gehen wollte. Und ob sie sich als Rosie verkleiden würde, die spätere Frau von Samweis Gamdschie, den ich verkörpern wollte. Irgendetwas an der Erklärung einen gemütlichen Hobbit zu spielen, musste sie verstimmt haben. 

»Ich habe sogar ein Geschenk für dich«, versuchte ich sie aufzumuntern. 

Ihre Mine hellte sich tatsächlich etwas auf. »Ach ja?«

»Ja.« Ich griff in meine Manteltasche und holte den kleinen glänzenden Ring hervor.

»Oh mein Gott Fabian«, begann sie, doch ich unterbrach sie kurzerhand.

»Ich möchte dir, den einen Ring der Macht schenken. Ein Ring sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.« Während ich die Worte sagte, sank ich hinab auf meine Knie und überreichte ihr den Ring.

»Das ist jetzt nicht dein Ernst! Mir reicht es, ich gehe. Du hast sie ja wohl nicht mehr alle.« 

Ohne ein weiteres Wort und ohne die Chance sie aufzuhalten, stürzte sie aus der Wohnungstüre und ließ mich alleine zurück. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun schon wieder falsch gemacht hatte. Mein Kumpel Valentin fand die Idee super, ihr einen Antrag zu machen, mit den Worten von Tolkien. Er hatte mich sogar dazu überredet und nun stand ich hier, mit dem kleinen goldenen Ring, der die filigrane Inschrift der Elben trug. 

Und was nun? Sollte ich warten, bis sie zurück kam? Aber das konnte Stunden dauern. Es war Freitagabend. Sie rief bestimmt gerade ihre Freundin Anne an um sich bei ihr zu beschweren, was für ein schlechter Freund ich war. Und Anne würde sie wahrscheinlich in allem bekräftigen und sie drängen mit mir Schluss zu machen. Ich konnte sie schon reden hören: Wie kannst du nur mit so einem Versager zusammen sein? Er ist der totale Nerd, gibt all sein Geld für Spielsachen aus.

Ich hasste diese Frau. Es sind Sammelfiguren, hatte ich ihr schon tausend Mal erklärt. Aber egal. Lina erwiderte jedes Mal wieder, wie sehr sie mich liebte. Wir waren alte Schulfreunde und nie würde sie mit mir Schluss machen. Auch wenn wir unsere Meinungsverschiedenheiten hatten. 

Wenn sie sich wirklich nicht als Rosie verkleiden wollte, könnten wir ja immer noch Aragorn und Arwen verkörpern. 

Ich beschloss ihr also nicht hinterher zu gehen und ihr stattdessen etwas Zeit zu lassen. Den Ring legte ich auf die Kommode neben unserer Schlüsselschale. Sie musste ihn sehen, wenn sie nach Hause kam. Doch irgendetwas fehlte. Nur der Ring, das war zu wenig. Ich kramte in einer Schublade, bis ich einen Block fand und schrieb darauf: I love you. 

Danach schob ich den Zettel unter den Ring und legte mich schlafen. 

 

Am nächsten Tag erwachte ich alleine in dem viel zu großen Bett. War Lina etwa nicht nach Hause gekommen? Hatte sie vielleicht bei einer Freundin übernachtet? Barfuß schlich ich in den Flur hinaus. 

Irgendetwas war anders, oder bildete ich mir das nur ein? Auf der Kommode lagen immer noch der Zettel und der Ring. Sie war also wirklich nicht nach Hause gekommen.  

Darüber konnte ich mir aber in fünf Minuten auch noch den Kopf zerbrechen. Erst mal brauchte ich einen Kaffee. Ich war so schlaftrunken, es kam mir vor, als hätte ich tagelang kein Auge zugemacht. Normalerweise war ich nicht so müde in der Früh. Irgendetwas musste gestern meinen Schlaf gestört haben. Aufgewacht war ich allerdings nicht, denn ich hatte einen sehr festen Schlaf, was Lina auch einige Male schon zur Verzweiflung gebracht hatte.

 Ich nahm mir also, wie gewohnt, eine Tasse aus dem Schrank, der erstaunlich leer zu sein schien und wollte sie unter die Kaffeemaschine stellen, doch diese war verschwunden. War ich noch so verschlafen, dass ich nicht richtig sah? Nein, die Maschine war weg, sowie die Hälfte der Tassen und der Toaster. Ich sah mich in der kleinen Wohnung um und stellte fest, dass so einige Sachen fehlten. Ein paar Bilder an der Wand, Deko Artikel, überwiegend Krempel den Lina gekauft und in der Wohnung verteilt hatte und der Fernseher. 

Oh mein Gott! Waren wir etwa ausgeraubt worden. Wo waren all die Sachen? Ich griff mein Handy und wählte die Nummer von Lina. Während ich darauf wartete, dass sie abhob ließ ich meinen Blick weiter durch die Wohnung gleiten. Bei der Notiz und dem Zettel hielt ich inne und betrachtete sie genauer. Das waren nicht meine Schrift und nicht meine Worte die dort auf dem Zettel standen. Lina hatte ihn umgedreht und mir eine Notiz hinterlassen. Eigentlich waren es nur zwei Worte, die sie mit ihrer filigranen Schrift zu Papier gebracht hatte. Ich starrte sie an, hoffte darauf, dass ich immer noch träumte und zwickte mir zur Sicherheit einmal in dem Arm. Nein ich war wach, es war kein Traum und die Worte würden sich auch nicht verändern. 

Eine Träne rann mir über die Wange, als ich laut las: »I´m sorry!«