Von Miklos Muhi

Oskar mochte seine Arbeit. Viele lachten ihn deswegen aus, aber das kümmerte ihn nicht. Von seinem mickrigen Lohn konnte er sich ein Zimmer in einer WG leisten und, wenn auch ärmlich, davon leben. Er hätte sich über mehr Geld gefreut, aber er wusste, dass das nicht infrage kam.

 

Schon früh merkte er, dass er nicht besonderes klug war. Das Lernen fiel ihm extrem schwer und er verließ die Schule, alsbald er konnte.

 

Trotzdem erledigte er seine Aufgaben gewissenhaft. Egal, was er tat, Oskar konnte nicht aufhören, bis er mit der Arbeit fertig und mit den Ergebnissen zufrieden war. Selbst die Tatsache, dass seine Arbeitszeit zu Ende war, hinderte ihn nicht daran, das Bestmögliche zu liefern.

 

Als er im Hotel als Reinigungskraft anfing, hielt sich die Begeisterung seiner neuen Kollegen schwer in Grenzen. So wurde ihm das Reinigen der Toiletten anvertraut. Sobald er alle Handgriffe und Techniken gelernt hatte, putzte er wie verrückt. Ekel kannte er genauso wenig wie Krankheit oder Urlaub. Oskar sagte immer, dass er in seinem Zimmer eh nichts zu tun hatte und er lieber etwas Nützliches machen wollte.

 

So geschah es auch an dem viel zu warmen Februarmorgen, als er sichtlich krank zur Arbeit erschien. Keiner nahm Anstoß daran. Er arbeitete mit glühendem Kopf, kalten Händen und ohne zu klagen, die Toiletten in den frei gewordenen Zimmern ab. Stolz trug er seinen Putzeimer, vollgepackt mit Flaschen von Desinfektions- und Reinigungsmitteln, einigen Waschlappen und einem gelben Schwamm, den er Bob nannte.

 

Selbst das Zimmer, in dem am Vorabend ein Junggesellenabschied stattgefunden hatte, nahm er ohne Murren und Knurren in Angriff. Das Badezimmer war in einem erbärmlichen Zustand. Anscheinend hatten die Gäste vergessen, dass die Toilette Wasserspülung hatte oder, dass es überhaupt eine Toilette gab.

 

Oskar putzte alles blitzblank. Stolz betrachtete er seine Arbeit mit Bob in der Hand, als er spürte, dass seine Kehle ausgetrocknet war. Kurzerhand entschied er sich nach unten zu gehen, in den Raum, wo gespült wurde und wo er gern gesehen war. Da gab man ihm immer etwas zu trinken oder zu essen von den Sachen, die die Gäste übrig ließen.

 

Diesmal bekam Oskar einen Becher heißer Hühnersuppe, den er gierig austrank. Er musste Bob ablegen, denn es war ein ganz großer Becher. Gleich nachdem den Schwamm abgelegt hatte, kam ihm so vor, als sähe er doppelt. Mit der heißen Suppe im Magen fühlte er sich aber gleich besser. Er bedankte sich, nahm Bob wieder in die Hand und ging zurück zur Arbeit.

 

*

 

Als Raimund Klee, der Chefkoch des Hotels, mit der Hochzeitsagentur zum ersten Mal gesprochen hatte, war er sich sicher, dass man ihn auf den Arm nehmen wollte. Die geforderten Speisen und deren Zutaten lagen weit jenseits seiner Komfortzone. Der Direktor hatte jedoch den Bankettsaal schon samt Küche und Küchenpersonal für die Feier vermietet. Das bedeutete, dass der Koch eben das kochen musste, was der Auftraggeber bestellt hatte.

 

Bei der Hochzeit gaben sich Sprösslinge des Geldadels in einer Vernunftehe das Ja-Wort. Das Geld saß locker. Bei solchen Beträgen waren die Ängste des Chefkochs unerheblich.

 

Raimund brauchte einige Wochen, nur um die Zutaten ausfindig zu machen. Vieles musste er aus dem Ausland bestellen. Das führte dazu, dass das Hotel eine Firma beauftragen musste, um alle Zoll- und Lebensmittelsicherheitsformalitäten zu erledigen. Sobald alles beisammen war, kochte Raimund einige Probeportionen. Die waren ganz gut geworden und er schöpfte Mut.

 

Die Hochzeit startete prächtig und in der Küche herrschte große Anspannung. Es wurde andauernd gespült, damit jedem Gast genügend frische Teller und Gläser zur Verfügung standen.

 

Als immer mehr Gäste auf die Toilette rannten, rechnete das Raimund den exotischen Zutaten an. Als manche sich beim Tisch übergaben, wurde ihm mulmig.

 

Nichts wurde serviert, was er nicht selbst gekostet hatte. Er fühlte sich völlig gesund.

 

*

 

Die Feier endete mit einem Großeinsatz von Rettungskräften. Einige Krankenwagen wurden aus den benachbarten Landkreisen angefordert. Als die Hochzeitsgäste in die umliegenden Krankenhäuser verteilt wurden, kam das Reinigungspersonal und machte alles sauber.

 

In der Zeit lief Raimund in der Küche auf und ab, denn er wusste, dass das Ganze noch nicht ausgestanden war. Bald würde die Gesundheitsbehörde auftauchen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Er wusste, was in solchen Fällen für gewöhnlich passierte und bereitete sich vor, sich einen neuen Job zu suchen. Als seine Beine ihn nicht mehr tragen konnten, setzte er sich auf einen Schemel. Bald darauf betrat der Hoteldirektor die Küche auf der Suche nach ihm.

»Herr Klee, was war das denn?«

»Ich weiß es nicht, Herr Direktor.«

»Wieso wissen Sie es nicht? Sie haben das Zeug gekocht. Vielleicht haben Sie einen Fehler gemacht.«

»Das ist sehr unwahrscheinlich. Ich habe alles selbst gekostet, bevor es auf den Tisch kam und ich habe nichts.«

»Vielleicht ist ihr Magen robuster, wer weiß?«, erwiderte der Direktor.

»So viel robuster kann er nicht sein. Ich denke …«

 

Die Tür ging auf und einige aus dem Reinigungstrupp kamen hinein. Oskar war auch dabei.

»Entschuldigen Sie die Störung Herr Direktor. Wir sind fertig. Dürfen die, deren Schicht schon zu Ende ist, nach Hause gehen?«, fragte die diensthabende Leiterin.

»Ja, sicher«, meinte der Direktor abwesend und wandte sich wieder zu Raimund. Die aus der Putzkolonne drehten sich um und verließen nacheinander die Küche.

»Herr Klee, das war wohl ein Griff ins Klo.«

 

Beim Herausgehen blieb Oskar wie vom Blitz getroffen stehen. Die Unterhaltung zwischen Chefkoch und Direktor verstand er nicht. Das Einzige, was er wahrnahm, war »ein Griff ins Klo«. Dieser Ausdruck hatte bei ihm eine intensive Welle der Erinnerung ausgelöst, die an einer optischen Halluzination grenzte.

 

Er sah sich selbst wieder, mit Bob, seinem Schwamm, die Toilette putzend, als er hineingriff und alles gründlich abschrubbte. Dann war er in der Küche, wo er Bob unwillig absetzen musste.

 

Er hatte nicht doppelt gesehen. Zwei Bobs lagen auf der Theke. Einer war in der Küche zu Hause, den anderen, von gleicher Farbe und Sorte, hatte er selbst mitgebracht. Irgendetwas brummte in seinem Hinterkopf darüber, wie wichtig es war, die Küchen- und Putzutensilien getrennt zu halten. Er lernte diese Sachen damals auswendig, aber so richtig verstanden hatte er sie nie.

 

Er quetschte den Schwamm in seiner Hand ein paar Mal zusammen. Es fühlte sich merkwürdig an. Er war zu biegsam, zu geschmeidig. Der Schwamm in seiner Hand war nicht Bob.

 

Version 3