Von Susanne Beck-Flemming

Wenn ich träume, dann träume ich sehr exzessiv, manchmal in einer Nacht gleich mehrere Träume hintereinander oder auch gleichzeitig oder sogar luzide Träume. Ich bin da anscheinend sehr flexibel.

 

In den Tiefen meiner Seele lodert ein Feuer, entfacht durch den drohenden Verlust meines Sohnes an die kalten, stinkenden Hände des Krieges.

 

In der endlosen, quälenden Nacht meiner Seele, unter dem bleiernen Himmel meiner Trostlosigkeit, finde ich mich gefangen in einem Albtraum, der jegliche Vorstellungskraft sprengt. 

 

Die bloße Idee, dass mein Sohn in den Krieg ziehen muss, in eine Schlacht, die weder durch Ehre noch Notwendigkeit, sondern durch die Gier und den Machthunger Anderer diktiert wird, zerreißt mich.

Ich bin wütend. Wütend auf ein System, das junge Menschen als Bauern in einem grausamen Spiel der Macht benutzt. Wütend auf diejenigen, die Entscheidungen treffen, während sie selbst sicher im Schatten ihrer Privilegien sitzen. Wie können sie das Leben unser aller Kinder, so gering schätzen?

 

Ich weiß, ich weiß!

Ich löse mich auf, vor Verzweiflung. 

Ich weiß, es war schon immer so.

Ich weiß, ich weiß!

 

Die Angst vor dem Verlust meines Sohnes macht mich zu einer Frau, die ich kaum wieder erkenne – eine Frau, deren Herz so schwer ist von Trauer, dass jeder Atemzug schmerzt. Eine Frau, die bereit ist, alles zu tun, um dieses unaussprechliche Schicksal abzuwenden. 

Meine Gedanken kreisen um verzweifelte Pläne, wie ich den Einberufungsbefehl zunichtemachen kann, jeder von ihnen ein weiterer Schritt auf einem Pfad, der mich immer weiter von mir selbst entfernt.

 

Und dann kommt die schrecklichste Erkenntnis von allen: Sollte ich meinen Sohn an diesen sinnlosen Krieg verlieren, würde die ohnmächtige Wut in mir explodieren, ähnlich einer unkontrollierten Kernspaltung, deren zerstörerische Kraft alles in ihrem Weg vernichtet.

 

Ein Teil von mir, den ich nicht zu besitzen glaubte, flüstert von Vergeltung, von Gerechtigkeit, die in meinen Händen liegt.

 

Ich weiß, ich weiß!
Vergeltung ist nicht der richtige Weg.
Und was ist schon Gerechtigkeit?
Ich weiß, ich weiß!

 

Ich stehe am Rand eines Abgrunds, bereit mich aufzulösen. Dieser dunkle Gedanke, ein Schatten, der über meiner Seele liegt, ist sowohl erschreckend als auch seltsam tröstlich.

 

In meiner Ausweglosigkeit sehe ich mich, wie ich gegen diejenigen vorgehe, die so leichtfertig Entscheidungen treffen.

 

Ich weiß, ich weiß!
ICH alleine werde das System nicht zum Einsturz bringen.
Ich weiß, ich weiß!
Ich werde wie sie, wenn ich weiter gehe.

Ich weiß, ich weiß!

 

Diese Vision von mir, eine Mutter, die zum Äußersten bereit ist, ist gleichzeitig mein tiefster Schrecken und mein letzter Trost. Es ist ein Pfad, den ich nie zu betreten gewagt hätte, aber die Liebe zu meinem Sohn könnte mich dazu bringen, alle Brücken hinter mir zu verbrennen.

In der Stille der Nacht, während ich diesen düsteren Gedanken nachhänge, wird mir klar, dass dieser Kampf, den ich zu führen bereit bin, das letzte Zeugnis meines Lebens sein könnte.

 

In meinem Herzen bleibt die stille, verzweifelte Hoffnung, dass es nicht so weit kommen möge.

 

( … )

 

Die Welt, die ich gekannt hatte, hörte in diesem Moment auf zu existieren, übrig blieb nur die unermessliche Leere und der brennende Wunsch nach Vergeltung.

Mit einem Herz, gebrochen, und einem Geist, getrieben von einem dunklen, verzehrenden Feuer, mache ich mich auf den Weg.
Mein Pfad, einst beleuchtet, liegt nun im Schatten einer Tat, die das letzte Stück meiner Seele verschlingen würde. Doch in meiner Ausweglosigkeit sehe ich keinen anderen Weg – ein letzter, verzweifelter Schrei gegen die Welt.

In der stillen Akzeptanz meines Schicksals schreite ich voran, bereit, das Feuer der Zerstörung zu entfachen.

 

Ich weiß, ich weiß!

Es ist Krieg! Und ich gehe hin! 

 

In diesem Moment wurde ich zu einem Spiegelbild des Systems, das ich verachtte, ein trauriges Zeugnis der zerstörerischen Kraft von Krieg und Frieden, von Trauer und Wut.

… und während ich dem Krieg entgegeneile, singe ich das Wolfslied.

 

… und dann, nach dem Aufwachen kam die Erkenntnis: alles nur ein Traum!
… und dann kam die Frage: Welche Abgründe in mir?

… und dann kam der nächste Traum in dieser Nacht … aber das ist eine andere Geschichte …