Von Brigitte Weirather

„Blut? Ist das Blut an der Türklinke?!“

 

Erschrocken mustert sie ihren Sohn Max, der auf der Couch liegt, mitten am Nachmittag.

 

„Nein, Mama, ich habe ein Erdbeereis ….“

 

„und was ist eigentlich los mit dir, gehts dir nicht gut…..seit wann liegst Du freiwillig… “

 

„Mir tut der Bauch weh…vom Eis… von der Mama vom Toni, selbstgemacht, hat sie gesagt, schaut aber ganz gleich aus, wie das vom Eskimo….“

 

„Und da musst du das Eis an die Türe schmieren…..hast du dir zumindest jetzt die Hände gewaschen …“

 

Wie schon öfter in den letzten Tagen fängt ihr Herz an zu rasen, Schweiß strömt ihr aus allen Poren, sie spürt, dass kleine Bäche aus ihren Kniekehlen schießen. Sie hat das Gefühl zu ersticken, ihr wird schwindelig. Bevor sie umfällt ist der Anfall auch schon wieder vorbei, fast so schnell wie er sich angebahnt hatte. Zurück bleibt das Gefühl einer unbestimmten Gefahr.

 

Sie versucht ihre Gedanken zu ordnen, macht im Geist eine Liste. 

 

Sie wird zum Arzt gehen, sich untersuchen lassen, ihr Herz.

Muss sie mit Max zum Arzt gehen? Oder wächst er nur zu schnell? 

Sie wird mit ihrem Mann sprechen. Er muss sich  mehr um Max kümmern.

Sie wird sich bei Elsa für das Eis bedanken, gleich heute nach dem Rosenkranz. 

 

Schon fühlt sie sich etwas besser. 

 

Und abends nach dem Rosenkranz:

 

„Danke Elsa, sollst meinen Max nicht so verwöhnen, Erdbeereis mitten in der Woche, noch dazu so viel…“

 

„Ist schon gut… ich weiß gar nicht wovon du sprichst… aber bis bald… ich muss schnell heim, der Josef geht heute noch jagen, ich glaube dein Emil ist auch dabei….“

 

„Ja, er hat schon zu abend gegessen…..hoffentlich kümmert er sich inzwischen um Max….ich wünschte er wäre als Vater ein wenig wie dein Josef….aber, ja…..“

 

Sie trödelt bewusst am Nachhauseweg, plaudert noch mit Klara, tratscht mit Ursula…..

 

„Emil, Max? Wo seid ihr?“

 

„Der Papa ist schon zum Jagen…..nächstes Jahr nimmt er mich mit, hat er gesagt…..heute wollen sie den Sechsender schießen….“

 

„Das hat noch Zeit mit dem Jagen….mit zehn Jahren sollst Du noch kein Gewehr…..und du willst doch kein Tier erschiessen….wie ich dich kenne…..sorgst dich sogar um die Ameisen….“

 

„Aber wenn der Papa mich doch mitnehmen will…..ein richtiger Mann muss jagen können, hat er gesagt…. weil der muss eine Familie ernähren….“

 

„Da mach Dir bloß keine Sorgen Max…um eine Familie zu ernähren, muss man kein Jäger sein…lerne du nur brav in der Schule, dann wird schon was aus dir…..“

 

Die letzte Schulstunde entfällt. Max versteckt sich im Klo, bis seine Schulkameraden gegangen sind. Er will keinem erzählen, wohin er geht…dass er zu Paul…

 

Er weiß selbst nicht genau, warum ihn dieser Paul so interessiert. Er ist schließlich uralt. Er könnte sein Vater sein…..

 

Doch da sind die Geschenke…Paul kauft ihm Eis….und ein Taschenmesser hat er von Paul bekommen, ein echtes Schweizermesser… und er spielt mit ihm Tischfußball im Keller…und freut sich jedesmal, wenn Max kommt….nur erzählen darf Max das niemandem… weil die Leute im Dorf Paul nicht mögen, hat Paul ihm erklärt….

 

Kurze Zeit später im Keller: 

 

„Max, ist dir nicht zu heiss, das Fußballspielen ist anstrengend, zieh dich doch aus….komm ich helfe dir…..“

 

„Nein, geht schon, mir ist nicht warm…“

 

„Ach zier dich nicht so, komm….“

 

„….nein, nein neeeein, aua, auaaaaaa… .“

 

„Stell dich nicht so an Max, das macht man so, wenn man sich mag, und ich mag dich…und du mich doch auch….

 

Du wirst sehen, das nächste mal wird dir das gefallen, und dann wirst du mich sogar darum  bitten…lass dich abwischen, da ist etwas Blut….“

 

Paul, nachdem Max gegangen ist:

 

Ich verstehe den Buben nicht…ich verwöhne ihn so…mein Vater hat das alles mit mir gemacht…ohne Eis….ohne Fußball….und gestunken hat er immer, nach Schnaps, und ich habe nie geschrien…..

 

Mutter daheim: 

 

„Max, komm endlich zum Essen…was machst du ständig im Bad….Früher wolltest du nie hinein, und in den letzten Tagen kommst Du nicht mehr heraus……Wir wollen auch noch warmes Wasser…..“

 

Emil: 

 

„Ich sage dir doch, den Buben hast du vollkommen falsch erzogen, aus dem wird niemals ein echter Mann.“

 

„Dann musst Du ihn halt doch zum Jagen mitnehmen oder dich sonst ein bisschen um ihn kümmern, wenn du glaubst, dass du ihn besser erziehen kannst……“

 

Am folgenden Tag schwänzt Max die Schule. Er geht statt dessen zu Paul. 

 

Fast wie ein Gebet murmelt er immer wieder……“….ich bin ein Mann….ich werde ihn erschießen……..

ich …….erschiessen……..Mann……..ich…..werde…….Mann……erschießen……“

 

Paul:

 

„Hallo Max, schön, dass du gekommen bist. Ich habe ja gewusst, dass es Dir gefallen…. “

„Spinnst Du jetzt?! Du willst mich doch nicht ……leg’ sofort das Gewehr weg, das ist nichts für Kinder, dein Vater wird dir was erzählen, wenn er merkt…“

 

Peeeeeeeeeeeng 

 

„Max, was hast du gemacht, Max….du blutest ja,…dein Kopf….Max, Max, Max…………Du hast das doch auch gewollt…..Max, Max, du darfst jetzt nicht tot sein, Max…die werden mich umbringen…..“