Von Ingo Althöfer

Die natürlichen Zahlen sind von Gott: 1, 2, 3, auch 4710 und 4712. Die Null kam über die Araber nach Europa. Vielleicht war das keine gute Aktion.  Die Null ist anders als die richtigen Zahlen. Plus, minus und mal funktionieren mit ihr, aber man darf nicht durch Null teilen! Viele Schüler lernen das Verbot nur auswendig, ohne den Sinn zu verstehen. Vielleicht wäre die Welt ohne die Null besser. Heutige Taschenrechner fangen das Problem auf. Wenn man bei ihnen „durch 0 gleich“ eingibt, zeigt das Display ein ‚E‘ und blockiert. Früher gab es diese Sicherung noch nicht…

 

Von 1939 bis 1945 existierte in Darmstadt ein Institut für Praktische Mathematik mit geheimen Aufträgen. Auch dort wurde entworfen, was man in Peenemünde unter dem Kürzel V baute. Am Institut schafften ein Dutzend qualifizierte Ingenieure und 30 junge Frauen. Diese waren in Mädchen-Gymnasien rekrutiert worden: Schulleiter hatten alle Abiturientinnen zu melden, die gut in Mathe waren. 

 

Die jungen Damen arbeiteten im Institut mit elektromechanischen Rechenmaschinen (‚Mercedes XY‘ usw). In ihrer übermütigen Unvernunft probierten sie auch allen möglichen Unfug aus. Wenn man eine Mercedes durch Null teilen ließ, ratterte die los und hörte nicht mehr auf. Erst das Ziehen des Netzsteckers brachte wieder Ruhe. Die jungen Kreativen bemerkten auch, dass die Kisten beim Endlos-Rattern warm wurden, sogar heiß. Man konnte das Frühstücksbrot drauf legen und hatte zehn Minuten später Toast! Da schmeckte es in der 9-Uhr-Pause noch mal so gut.

 

Im Keller des Instituts werkelten zwei Techniker. Zu ihren Aufgaben gehörte die Wartung der Rechenmaschinen. Das Nullteiler-Toasten belastete natürlich die Mechanik des Mercedessi, was zu mehr Störungen führte. Die im Keller fanden den Grund und schimpften: „Das sind keine Toaster, sondern Hochleistungs-Rechengeräte. Behandelt sie bitte pfleglich!“ Aber es gab eine Lösung, ohne auf den Toast verzichten zu müssen.

 

Eine der Rechnerinnen erkannte, dass die meisten Störungen durch verhakte Zahnräder passierten. Die konnte man mit Dosenöffnern wieder gerade biegen. (Es gab damals Ölsardinen-Dosen, bei denen der Deckel mit einem filigranen Stäbchen aufgerollt wurde, was direkt an der Dose steckte.) Die Mädels bildeten sich entsprechend fort, verbreiteten die Lösung aber erst in der Weihnachtszeitung des Instituts: „Wir brauchen keine Werkstatt mehr. Wir reparieren die Rechenmaschinen nämlich selbst!“ Der Institutsdirektor und die Damen lachten herzlich  – die Techniker aber waren beleidigt. 

 

Später änderte sich alles drastisch. Am 8. September 1944 schlug die erste V2-Rakete in London ein. Am 11. September 1944 wurde Darmstadt von den Briten so heftig bombardiert, dass in der einen Nacht fast 12.000 Einwohner ums Leben kamen. Darunter auch etliche Nullteilerinnen.

 

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