Von Anne Zeisig

„Ich habe immer gesagt: In einer Sportredaktion ist es wie auf einem Schiff! Frauen bringen Unglück!“ Der Chefredakteur warf das Tagesblatt derart auf den Schreibtisch, dass die Seiten auseinander flatterten und allen Umstehenden um die Köpfe flogen. „Das sollte unsere Schlagzeile werden. UNSERE!“

„Bin ich für die Entscheidung der Personalabteilung zuständig? Die Dame wurde uns als fähig, kompetent und versiert zugewiesen.“ Die Sekretärin bemühte sich, die einzelnen Zeitungsseiten mit hochrotem Kopf vom Boden einzusammeln.

„Fähig! Dass ich nicht lache! Ist jemand kompetent, wenn er, oder in diesem Fall eine Sie, was die Sache noch verschlimmert, wenn sie bei einem Klatschblättchen darüber sinniert hat, ob das Möchtegern-Sternchen Silikonwunder noch mit dem alten klapperigen impotenten Bürgermeister liiert ist? Oder die Modefarbe im Frühjahr royalblue ist, weil Königin Elisabeth so ein Kostümchen auf dem Sterbebett trägt?“

„Aber die Königin von England lebt doch noch und erfreut sich bester Gesundheit!“ Sie stopfte die zusammengeballten Seiten in den Papierkorb. „Sowas gehört zum Allgemeinwissen, meine ich.“

„Weiberkram! Alles Weiberkram! Klatsch und Tratsch!“ Chefredakteur Wuttenscheid sah der Sekretärin Frau Meierhoff-Zurtenne tief in die Augen, seine Zornesfalte über der Nasenwurzel zitterte. „Hier bei uns geht es um mehr, als um Botoxspritzen und Fettabsaugerei zwischen den nicht vorhandenen Weisheitszähnen! Hier geht es um unsere Nation. Um unsere Spieler, die sich da draußen tagaus, tagein im Dreck wälzen und mit ihren Toren unsere Ehre verteidigen. AUCH auf dem internationalem Parkett!“  

„Wenn ich mich einmischen darf?“ Journalist Hacketal, fünf Köpfe kleiner als der Chefredakteur und mindestens sechzig Kilo leichter, fuhr sich mit schweißnasser Hand durch das schüttere Blondhaar.

„Vielleicht würde es ja unsere überwiegend männlichen Leser durchaus interessieren, warum der Superkicker Torimohr so einen gebräunten Teint hat! Welches Wundermittelchen der durchaus innovativen Kosmetikindustrie mag dafür verantwortlich sein?“

Frau Meierhoff-Zurtenne nickte anerkennend und blickte zur Raumdecke, damit es wenigstens so aussah, als würde sie nachdenken.

Das dröhnende Lachen vom Chefredakteur riss sie aus ihrem Sekundenschlaf. „Der ist braun, weil er ein Afrikaner ist!“

Hacketal schnäuzte sich kurz und hauchte: „Das war vielleicht gerade ein unpassendes Beispiel.“

„Weiß schon jemand aus der Runde, wie das Outfit der Nationalmannschaft konzipiert ist?“ Der Chef bat alle an den Redaktionstisch. „Aus psychologischer Sicht soll eine motivierende, positiv anmutende Kluft von einem aufstrebenden Jungdesigner aus Neu-Stoffiaeder  angedacht worden sein, hat mir Professor Liberoti versichert, aber mehr konnte er auch nicht sagen, weil das eine geheime Verschluss-Sache sei.“

„Ich habe gehört, die Spieler sollen nicht verunsichert werden, wenn sie das zu früh erfahren“, erwähnte Hacketal.

Einer blickte den anderen an und sie schüttelten nacheinander ihre Köpfe. Hacketal senkte enttäuscht sein Haupt.  

„Meine Herren! Wann habe ich Ihnen angeraten, in dieser durchaus wichtigen Angelegenheit zu recherchieren?“

Die Sekräterin sah auf ihren Stenoblock. „Vorgestern.“

„Und? Ergebnisse?“

„Die Bayern haben ihren Knastbruder wieder in den Vorstand gewählt“, gab Hacketal kund.

„Hacketal! Bitte! Ein Thema nach dem anderen! Wir sind jetzt bei der Nationalmannschaft!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Unser Sportblatt soll das erste sein, welches die Neuigkeit raushaut!“ Er blickte zur Tür, in der Hoffnung, sie möge nicht aufgehen und Frau Klatschblättchen würde hereinkommen. „Nachdem uns Frau, wie heißt sie denn noch, ja, nachdem diese Dame uns die letzte Schlagzeile versaut hat!“

„Ich wette, die Jungs tragen bei der WM Grasgrün mit gelben Streifen!“, mutmaßte Jemand. „Das wirkt sich bestimmt positiv fröhlich auf die zarten Seelen aus.“  

„Wie die Brasilianer? Auf keinen Fall. Schwarz-Rot-Gold!“ Ein weiterer Journalist blickte in die offen stehen Münder seiner Kollegen. „Warum nicht? Ein bisschen Nationalstolz hat noch nie geschadet!“

„Weinrot ist angesagt“, meldete sich Frau Meierhoff-Zurtenne zu Wort, „das steht nämlich jedem gut zu Gesicht, egal, ob du blond oder braun bist.“

Der Chef seufzte resigniert. „Leute! Ich brauche Fakten und keine Vermutungen!“

„Sollten wir nicht vielleicht doch Frau Veinings-Bröscher hinzuziehen?“, wurde der Vorschlag sehr leise vorgetragen.

„Wer ist Frau Veltins-Brosche?“

Frau Meierhoff-Zurtenne blickte abermals auf ihren Stenoblock, als müsse sie das ablesen: „Na! Unser unsäglicher Neuzugang!“

Alle hielten den Atem an.

„DIE FRAU, die beim ZDF-Sportstudio voreilig ausgeplaudert hat, dass Borussia Gelbmund eine Mauer zu Blauenkirchen-04 errichten lassen will? NIEMALS!“

In dem Moment wird die Tür unsanft aufgestoßen und Frau Veinings-Bröscher eilte hinein, knickte zweimal auf ihren Highheels um und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „‘tschuldigung“, sie sah den Chefredakteur eindringlich an, zeigte auf seine bebende Zornesfalte, „wenn Sie einen Botoxfachmann benötigen, ich kenne einen.“ Und bevor der Chefredakteur wieder lospoltern konnte, sagte sie lächelnd, „ihr glaubt es nicht, aber unsere Nationalspieler werden bei der EM karierte Trikots tragen mit lila Tupfen!“ Flink zog sie ein Poster aus ihrer Handtasche und hielt es in die Höhe.

„EM? WM!“

„Ruhe! Hacketal!“

„Egal. Bin jedenfalls gerade aus Neu-Stoffiaeder zurück.“ Dann klapste sie sich mit einer Hand auf ihre rosa Lippen. „Aber dieses Mal bin ich schlauer und verrate es niemandem!“

„DAS wird in der Fußballwelt einschlagen wie eine Bombe! Und wir sind die Ersten, die dieses Geheimnis lüften!“ Der Chefredakteur tätschelte Frau Veinings-Bröscher kameradschaftlich die Schulter. „Gut gemacht! Ich habe geahnt, dass Mehr in Ihnen steckt als nur das Royalblaue.“

 

Version ZWEI