Von Angela Thöming

Ich will ja nichts sagen, aber was in den Köpfen der Frauen vorgeht, das begreift wohl keiner, der einigermaßen klar bei Verstand ist.

Da reißt man sich den Allerwertesten auf und dann sowas…

Dabei habe ich diesmal gedacht, bei ihr sei alles anders. Sie war die Erste, die einen “normalen” Eindruck machte. Eine, bei der man wusste, woran man war.
Keine neckischen “Du kriegst mich nicht” Spielchen und auch keine völlig überzogenen Ansprüche, dass man sich erst in Superman verwandeln muss, um zu gefallen. Sie war einfach nur schüchtern und ließ nicht jeden an sich ran. Mich auch nicht, aber das würde sich bestimmt bald ändern.

Mensch, war ich verliebt.
Zwei Monate Höhenflug und dann kam ihr Geburtstag.

Was schenkt man so einer in jeder Hinsicht besonderen, alles in den Schatten stellenden, scheinbar vom Himmel gefallenen Traumfrau?
Natürlich wollte ich ihr nicht mit irgendeinem Allerwelts-Geschenk die Aufwartung machen!
Blumen? Langweilig.
Schmuck? Auch ziemlich abgegriffen.
Dessous? Hm, könnte falsch ankommen. (vor allem, wenn die Größe nicht stimmt)
Eine Reise? Na, so dicke hab ich´s auch wieder nicht.

Nächtelang habe ich mir den Kopf zerbrochen. Es sollte etwas ganz persönliches sein. Etwas, auf das bisher noch kein Mann in ihrem Leben gekommen war.

Eins war sicher: für diese Frau würde ich bei Eiseskälte nackt durch die Stadt laufen, mich mit Benzin übergießen, durch Feuerreifen springen und mich anschließend kopfüber von der höchsten Klippe stürzen, wenn ich sie damit glücklich machen würde.

Ja. Notfalls würde ich mir sogar einen Finger abhacken lassen! All das habe ich ihr schon einmal gesagt, aber sie hat nur schüchtern gelächelt und gemeint, ich hätte doch so schöne Hände, wie ein Klavierspieler und meine Finger sollte ich doch lieber bei mir behalten. Was für eine Frau!

Ich hatte auch schon dezent versucht, ihrer Freundin, die den Kiosk an der Ecke hat und die mit ihr zusammen wohnt, ein paar Tipps in puncto Geburtstagsüberraschung zu entlocken.
Sie hatte nur achselzuckend und ziemlich unfreundlich ein „Keine Ahnung“ von sich gegeben und mir den Rücken zugekehrt. Bestimmt war sie eifersüchtig, weil ich ihrer Freundin den Hof machte und nicht ihr. Aber mit dieser erschöpfenden Auskunft wollte ich mich nicht zufrieden geben und so bohrte ich weiter, bis sie mir -immer noch ziemlich unwirsch-  ein Geheimnis verriet: „Marzipan. Sie liebt Marzipan.“
Naja, ob ich mit einer Packung Original-Lübecker-Marzipan den großen Durchbruch schaffen würde, wagte ich zu bezweifeln. So originell war das nun auch wieder nicht.

Viel wusste ich ja nicht über sie. Aber wenn sie abends von der Arbeit kam und unsere Wege sich kreuzten -rein zufällig versteht sich- hielt sie kaum meinem Blick stand und brachte nur ein kurzes, aber aussagekräftiges Lächeln hervor. Manchmal auch ein paar leise Worte. So, als schäme sie sich ihrer Gefühle. Man kennt das ja.

Ihre Vorliebe für Marzipan ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Aber mit irgendeinem Fertigprodukt würde ich sie sicher nicht erobern können. Auf die Idee kommen selbst die Einfallslosesten.
Nein. Selbst war der Mann!
Ich würde ihr eine Marzipantorte backen mit allem Schnick-Schnack und einer Aufschrift aus Zuckerguss. Der Text dazu würde mir schon noch einfallen.

Ich hatte im Internet nach Rezepten und Ideen gesucht und erstmal alle Zutaten besorgt: Marzipan Rohmasse, Puderzucker, Mandeln zum Verzieren, Kakaopulver und Lebensmittelfarbe in rot für das große Herz obendrauf.
Sie würde begeistert sein!

Das Dumme war nur, dass ich nicht gerade ein Backprofi bin und selbst Fertigmischungen bringen mich schon an meine Grenzen.

Als ich dann nach dem ersten Versuch auch noch das mehr als klägliche Ergebnis vor mir sah, wollte ich schon aufgeben. Aber wie sagt man so schön? Nichts ist inspirierender als die Liebe und so kam mir ein genialer Einfall…

 

Mir blieb ja nur der kleine Rest an Marzipan Rohmasse (die Torte landete postum im Mülleimer), aber dieser kleine Rest würde reichen. Was ich brauchte, war eine gute Vorlage und Fingerspitzengefühl.

Auf letzteres stehen die Frauen ja bekanntlich. Ich war richtig guter Dinge,

Ihr Geburtstag rückte näher und ich hatte beschlossen, meine Überraschung per Post an sie zu schicken. Ansonsten wäre es keine Überraschung geworden. Ich vergewisserte mich mindestens zehnmal bei dem Schalterbeamten, ob das Paket, das ich mit hunderten von Herzchenstickern versehen hatte, auch pünktlich bei ihr ankommen würde. Ziemlich genervt schleuderte er mir ein “Jaaa, wie oft denn noch?” entgegen und ich sandte ein Stoßgebet gen Himmel, dass er recht behalten möge.

Endlich war er da, ihr Geburtstag! Ich konnte es kaum erwarten, bis sie mich voller Begeisterung anrufen würde. Ich hatte nämlich statt eines Textes aus Zuckerguss (der hätte eh nicht draufgepasst) einen in liebevollster Schönschrift verfassten Brief beigelegt und natürlich meine Handynummer.
Alle 5 Sekunden starrte ich auf mein Smartphone und als sie drei Stunden nach Dienstschluss immer noch kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, kam ein übler Verdacht in mir auf! Wahrscheinlich hatte die deutsche Post mal wieder alles verschlampt! Oder doch nicht?

Ich wollte jetzt wissen, was los war. Schließlich hatte ich Tage und Nächte mit Warten auf den großen Tag verbracht und sollte jetzt leer ausgehen? Nein.

 

Also fuhr ich kurzerhand zu ihrer Wohnung. Zum Glück war gerade eine Nachbarin am Eingang, die mich ins Treppenhaus ließ.
Ich inspizierte nach und nach alle Namensschilder und endlich fand ich die richtige Wohnungstür. Leise klopfte ich an…
Ihre Freundin öffnete die Tür einen Spalt breit und knallte sie mir im nächsten Moment vor der Nase zu! Begleitet wurde diese unerwartete Aktion von einem schrillen „Hau ab, Du Zombie!”

Ich stand da, wie bestellt und nicht abgeholt.

 

Nachdem ich mich einigermaßen von dem Schock erholt hatte, versuchte ich es erneut mit einem sanften Klopfen.
„Verschwinde, oder ich hole die Polizei!” klang es unsanft von hinter der Tür.

„Hallo?” machte ich mich zögernd bemerkbar. „Ich wollte doch nur fragen, ob mein Geschenk angekommen ist…?”

Ich hörte die Stimme der Freundin nun überlaut und deutlich auf der anderen Seite der Tür. „Hallo? Ist da die Polizei? Bitte kommen Sie schnell zur Breitenburger Str. 4! Hier ist ein Wahnsinniger..!”

 

Ich musste annehmen, dass sie mich damit gemeint hatte, obwohl ich beim besten Willen nicht wusste, was ich verbrochen haben sollte?

Aber besser man gerät nicht ins Visier der Polizei. Die hat ihre eigene Auslegung in Sachen Wahrheit. Vor allem, wenn es um Frauen geht. Da habe ich einschlägige Erfahrungen!

Während der Heimfahrt grübelte ich unentwegt darüber nach, was wohl schief gegangen sein könnte?

Stundenlang hatte ich in liebevoller Kleinstarbeit mein Marzipankunstwerk modelliert, verziert und anschließend in extra teures Geschenkpapier aus Seide eingewickelt mit einer großen Schleife drumherum. Obendrauf hatte ich meinen Brief platziert: Für die Frau, die ich liebe, gebe ich alles. Dein Klavierspieler. Was war daran falsch?

Als ich am nächsten Morgen meine Zeitung am Kiosk holen wollte, fuhr die Besitzerin und besagte Freundin meiner Auserwählten mich an wie eine wildgewordene Furie: „Mach, dass Du wegkommst! Du hast Hausverbot! Und wag Dich ja nicht nochmal hierher!”

Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, kam ein Typ hinzu, der sich morgens immer ein belegtes Brötchen am Kiosk holte. Er wollte wissen, was los war.

„Der Kerl gehört in die Klapsmühle!” brüllte die Furie. „Er ist hinter meiner Freundin her. Sie will überhaupt nichts von ihm. Der Psycho war ihr nie ganz geheuer und gestern hat ihr zum Geburtstag einen in Seide verpackten…!” Weiter kam sie nicht.

Der Typ mit dem Brötchen tat einen bedrohlichen Schritt auf mich zu und starrte mich finster an.

„Haha, der war doch nur aus Marzipan!” versuchte ich die Situation zu entschärfen.

 

„Was für eine bescheuerte Idee!“ schrie sie von hinter dem Tresen. „Meine Freundin kennt den Kerl so gut wie gar nicht und der schickt ihr per Post einen abgehackten Finger aus Marzipan in Seidenpapier verpackt, mit rosa Schleife. Sie hat fast einen Herzschlag bekommen!“

Bevor ich den schlagenden Beweis, nämlich meine zehn gesunden Finger, vorzeigen konnte, kam der Brötchen-Typ auf mich zu und meinte: „Wenn Du nicht auf der Stelle verschwindest, rufen wir die Bullen!”
Schon wieder. Anscheinend hatte ich ein Abo bei denen, von dem ich nichts wusste.

Das durfte doch alles nicht wahr sein! Wenn ich mir vorstellte, dass ich tatsächlich bereit gewesen wäre, einen meiner kostbaren Finger für diese Frau zu opfern und dann das..? Und wieviel Zeit und Mühe hatte ich investiert, um das Ding aus Marzipan so echt wie möglich aussehen zu lassen! Winzig kleine Kerben, die aussahen wie Fältchen hatte ich mühevoll mit dem Messer in das Modell geritzt und eine Mandel als Fingernagel kunstvoll zurechtgefeilt. Die rote Lebensmittelfarbe, die ich am anderen Ende mit einem dünnen Pinsel fein säuberlich aufgetragen hatte, sah aus wie frisches Blut und war ein toller Effekt gewesen. Aber nichts davon hatte sie zu schätzen gewusst. Eigentlich hätte ich es mir denken können: Frauen kann man es einfach nicht recht machen.

Aber ich habe jetzt einen neuen Plan für mein Leben. Es wurden Statisten für die Fernsehsendung “Familien im Brennpunkt” gesucht. Ich hatte mich beworben und sofort eine Zusage erhalten! Wenn ich als Schauspieler bald ganz groß rauskomme, dann werden mir die Frauen scharenweise nachrennen… Aber dann…können die mich mal alle..!