Von Daniela Jäger

„Ich war gut, ich war unglaublich gut!“ Die junge Frau steckt den Filter zwischen ihre aufgeplusterten Lippen, nimmt einen tiefen Zug und lässt den Rauch in kleinen Kringeln wieder entweichen.

„Erzählen Sie.“

„Sie kam sich immer so schlau vor. Brit, diese arrogante Kuh, die alles hatte. Und jetzt auch noch diesen Job!“ 

„War sie beliebt?“

„Ts …, das kommt ja auch noch dazu. Egal wo die hinging, sie kam gut an.“

„Und worin waren Sie so gut, Fiona?“

„Angefangen hat es mit ihrer idiotischen Schwärmerei für 

Jonas, meinen Kollegen. Brit verließ ihren Mann, zog in eine riesen Wohnung und kaufte sich einen dicken Wagen.“

„Und was hat das mit der Schwärmerei für Jonas zu tun?“

Schweigen

„Fiona, sind Sie noch da? 

„Natürlich, wo soll ich denn hin? Durch die Gitter klettern?“ Pause. „Jedenfalls hat sie sich in Jonas verliebt. Der war aber vergeben, war ja klar, dass sie da keine Chance hatte.“

„Vielleicht wusste Brit das und hatte es gar nicht auf eine echte Beziehung abgezielt?“

„Und wofür dann das Ganze?“

„Frage an Sie: Können Sie beeinflussen, wann und in wen Sie 

sich verlieben?“

„Beeinflussen?“ Ihr Blick wandert durch den Raum. „Bei mir ist 

das sowieso anders?“

„Was heißt das? 

„Ich suche mir den Kerl nicht danach aus, wie verliebt ich in ihn bin. Das kommt später, wenn es kommt. Für mich ist wichtig, was er darstellt und was ich durch ihn erreichen kann.“

„Und weiter?“

„Auf jeden Fall war Brit völlig durchgeknallt. Die alte Kuh, mit Ende 50 in einen zwölf Jahre jüngeren verknallt. Die hatte rosa Herzchen in den Augen. Was glauben Sie, wie sehr wir über sie gelacht haben.“ 

„Jonas auch?“

„Ganz besonders Jonas. Er fand Brit dümmlich und lächerlich, fast schon fremdschämend peinlich.“

„Wie schade, dabei war Brit einfach nur verliebt. Lässt sich mit Ende fünfzig scheiden. Mutig ist das! Und worin waren Sie nun so gut?“

„Eigentlich wollte ich mir nur mal eine ihrer Handtaschen anschauen. Das ging aber nicht, solange sie im Büro war. Abbas ein guter Freund von mir, hatte ihr eines Morgens den Schlüssel ihres Spinds entwendet, so dass sie nicht mehr an ihre Tasche rankam.“ 

Kichern. „Dann hat er sie in einen anderen Raum gelotst und ich …“ erneutes Kichern …, „ich konnte ihren Tascheninhalt inspizieren.“

„Weiter.“

„Ich habe einen Zweitschlüssel von ihrer Wohnung anfertigen lassen.“ Schallendes Lachen. „Abbas hat Brit, so lange es 

nötig war, abgelenkt.

„Und dann?“

„Dann habe ich Brit am Abend den Spindschlüssel in die Hand gedrückt.“

„Wie hat sie reagiert?“

„Sie hat natürlich gefragt, woher ich den Schlüssel habe und sauer war sie auch.“

„Was haben Sie darauf erwidert?“

„Ich konnte ihr weismachen, dass sie ihn auf dem Klo verloren hat. Gott war die dämlich!“ 

„Warum haben Sie Brit den Schlüssel in die Hand gedrückt? Immerhin war das riskant.“

„Eben drum! Ich wollte, dass sie weiß, dass ich ihn hatte. Das Schönste war, dass sie sich auch noch bedanken musste.“

„Was haben Sie dabei gefühlt?“

„Ich bin ihr überlegen, das wurde mir dabei klar.“

„Hat Brit noch etwas gesagt?“

„Nein, denn sie konnte mir wohl kaum etwas unterstellen, ohne sich lächerlich zu machen. Noch dazu hielt Jonas sie für völlig krank. Dafür habe ich schon gesorgt mit meinen heimlichen Sticheleien, worauf sie jedes Mal sehr wütend reagiert hat. Abbas hat mir dabei gut geholfen. Wir beide haben Brit weichgeklopft.“ Lachen. „Über ein Jahr lang, systematisch, still und heimlich.“
„Sehr schlau von Ihnen, Fiona.“ 

„Ich weiß. Man vertraut mir halt und Jonas ganz besonders.“

„Wozu haben Sie den Schlüssel dann benutzt?“

„Na wozu wohl? Ich bin in der Mittagspause in Ihre Wohnung gefahren.“

„Warum?“

„Ich wollte wissen wie sie lebt?“

„Wie hat sich das für Sie angefühlt?“

„Magisch …, einfach nur magisch!“

„Und weiter?“

„Ich habe mir einen Spaß daraus gemacht ihre Sachen umzustellen.“

„Warum?“

„Um sie verrückt zu machen! Ganz einfach! Die Superschlaue sollte an ihrem Verstand zweifeln.“

„Wie clever.“

„Ja, ich weiß. Aber mein Paradestück kommt erst noch. Ich habe Ihr ÄTSCH auf den verstaubten Bildschirm geschrieben, einfach genial, finden Sie nicht?“

„Wofür steht dieses Wort?“

„Für Jonas. Ich habe ihn mir geangelt. Klammheimlich. Der Blödmann hatte sich plötzlich in Brit verliebt und

betrachtete sie als die heilige Kuh. Ständig heulte er mir die Ohren voll, wie süß sie doch wäre in ihrer Verliebtheit und wollte unbedingt mit ihr in Kontakt. Das musste ich verhindern.“

„Warum?“

„Diese dumme Kuh konnte doch nicht schon wieder 

gewinnen!“

„Konnten Sie es denn verhindern?“

„Aber klar, mit Abbas Smartphone.“

„Ich verstehe nicht?“

„Ich habe es ihr eines Tages gegeben und gesagt, er hätte es vergessen, sie solle es auf seinen Schreibtisch legen. Und dabei lief die Aufnahme.“

„Das war aber überaus gewieft von Ihnen.“

„Ich weiß. So habe ich viel über sie erfahren und bei 

Jonas gegen sie verwendet.“

„Das heißt, Jonas bekam nur Informationen, die Ihnen nützlich waren?“

„So ist es! Aber nicht nur das. Er bekam meist unwahre Informationen. Bei allem hat mir Abbas geholfen, damit ich Jonas erobern konnte. Er mochte Brit nicht, mein Glück!“

„Und wie haben Sie das bei Jonas geschafft?“

„Erstens hat Abbas Jonas Dinge über Brit erzählt, die nur halbe Wahrheiten waren und somit schwer zu durchschauen sind. Gott, war Abbas klasse, Jonas dachte immer, er kontrolliert Abbas, aber so war das nie. Abbas hat sich Jonas Schwächen zu Nutze gemacht und ihn immer kontrolliert. So konnte er mir helfen, Jonas zu erobern. 

„Und dann?“

„War ich die gute Zuhörerin für Jonas, verständnisvoll, habe ihm gezeigt, dass ich ihn verstehe, zwei Jahre die gute 

Freundin gegeben. Gott war das anstrengend. Wissen Sie, irgendwann kam der ständig mit Fragen an, vor allem wegen Brit. Genervt hat das. Aber immerhin konnte ich ihn dadurch auch dorthin lenken, wohin ich ihn haben wollte.“

„Sie waren also heimlich in Jonas verliebt und wollten Brit 

einfach nur ausbooten.“

„Verliebt. Was heißt das schon? Jonas ist attraktiv, was Brit auch fand, wie sie mir sagte. Dazu sehr unterhaltsam. Warum nicht zusammen sein?“

„Aber er war doch vergeben?“

„Na und! Seine Frau stellte für mich kein Problem dar. Für sie war ich nur die gute Freundin. Mehr hat sie in mir nie 

gesehen.“ Ein Grinsen – es wird breiter.

„Irgendwann dann, als wir bereits ein Paar waren, habe ich 

Jonas erzählt, dass ich Brits Wohnungsschlüssel habe. Er wollte natürlich mit in ihre Wohnung. Also sind wir in der Mittagspause gemeinsam hin gefahren, während Abbas das Lämmchen beschäftigt hat. Eineinhalb Jahre lang!“

„Was haben Sie in Brits Wohnung getan?“

„Na was wohl, Ihre Sachen durchgesehen, Dinge entwendet, kleine Dinge halt, die man nicht sofort bemerkt, einiges 

beschädigt, ihren Bikini mit Stempelfarbe getränkt, das war besonders heimtückisch. Den hab ich schön nach hinten in den Schrank geschoben. Das merkt die dann erst im nächsten Sommer … und …“, sie grinst breit, „ihr Bett benutzt!“

„Ihr Bett benutzt? Verstehe ich Sie richtig, Fiona? Sie und Jonas hatten in Brits Wohnung in deren Bett Sex?“

„Oh ja, es hat sich angeboten!“

„Wie schlau Sie doch beide sind. Ein schönes Pärchen!“

„Ja, das waren wir?“

„Und damit sind wir an einem interessanten Punkt. Warum hat 

ihre Beziehung dann nicht gehalten?“

„Jonas hatte plötzlich sein Gewissen entdeckt und fühlte sich schlecht. Er hatte Schuldgefühle Brit gegenüber, weil er ihre Tagebücher gelesen hatte.“

„Weiter!“

„Er meinte, Brit hätte echte Gefühle für ihn, das hat ihn völlig fertig gemacht. Was für ein Idiot. Er wollte alles wieder gut machen!“

„Das mussten Sie auch verhindern, Fiona?“

„Hab ich.“

„Und wie?“

„Brit hat mir mal erzählt, dass ihr Ex Ärger macht und außerdem ihr Haus beobachtet. Ich habe sie gefragt, ob sie 

mit ihm darüber geredet hat. Darauf hat sie mir geantwortet, dass sie mit jemanden, der in der Form versucht Druck auszuüben, nie wieder spricht!“

„Verstehe und weiter?“

„Ich musste Jonas nur erzählen, dass Brit ihn unattraktiv findet.“

„Was aber nicht stimmt, oder?“

„Natürlich nicht. Sie hat zwei Wörter als Umschreibung für Charaktereigenschaften verwendet und hielt ihn damals für einen arroganten Lügner.“

„Wahrscheinlich war sie wütend.“

„Und wie sie das war. Aber das wusste Jonas nicht. Also habe ich ihm erzählt, sie würde ihn abstoßend finden.“

„Und Jonas hat das geglaubt?“

„Sicher. Ganz bleich ist der geworden, ich konnte sehen, wie 

jedes Gefühl für Brit plötzlich in Hass umschlug.“

„Und dann?“

„Dann musste ich nur noch dafür sorgen, dass er Druck auf sie ausübt, ihr Angst macht, indem er vor ihrem Haus auftaucht. Ich wusste ja, wo sie wohnt.“ Eine Augenbraue hebt sich, sie lächelt.

„Und …, ist Ihr raffinierter Plan aufgegangen?“

„Was erwarten Sie? Die beiden hassen sich seitdem. Das wird nichts mehr, das kann ICH Ihnen sagen!“

„Finden Sie es OK, in die Wohnung eines anderen einzudringen und zu versuchen, diese Person zu verwirren?“

Schweigen

„Finden Sie Ihr Vorgehen Jonas und Brit gegenüber OK?

Schweigen

„Lieben Sie Jonas?“

„Wir wohnen zusammen!“

„Und hat sich Ihr Leben dadurch verbessert?“

„Ich habe alles was ich wollte. Ein Haus, Wohlstand, kann sogar noch etwas sparen. Ohne einen Mann kommt doch Frau zu nichts!“

„Ist das wirklich so? Oder liegt es nicht eher an der Frau, dass sie alleine zu nichts kommt?“

Schweigen

„Was macht denn Liebe für Sie aus?“ 

Schweigen

„Ich stelle die Frage anders herum. Was ist keine Liebe?“

Schweigen

„Wenn Sie dem Mann, für den Sie angeblich etwas empfinden, durch Falschinformationen bewusst verletzen, um ihn in der Position der verständnisvollen Trösterin zu erobern, hat das für Sie etwas mit Liebe zu tun?“

Schweigen

„Wissen Sie, wie es Jonas heute geht?“

„Nein.“

„Und Brit?“

„Keine Ahnung.“

„Zum Abschluss. Wie gut sind Sie wirklich, Fiona …, was glauben Sie?“

Schweigen

„Wohin hat Sie Ihre Überlegenheit gebracht?“

Schweigen

„Sie wissen, wo Sie hier sind?“

Schweigen

„Fiona. Sind Sie noch da …?“

Kurzgeschichte Schattenspiel, Version: 3