Von Helga Rougui

Ich bin alt.

Ich habe einen Filofax mit Kalendereinlagen, die ich jährlich neu kaufen und austauschen muss. Ich führe mein Tagebuch mit der Hand, und meine Einkaufszettel schreibe ich auf ein kleines Blatt Papier, das ich aus einem Notizblock reiße. Man weist mich darauf hin, dass die benötigten Dinge im Handy zu notieren viel praktischer sei. Das mag sein, aber in meinem Falle nicht. Ich habe weder Handy noch Smartphone. Auch keinen Laptop, kein Tablet, keinen PC.

 

Ich schreibe mit Bleistift auf Papier.

Immerhin nicht mehr mit Gänsekiel auf Pergament.

 

Nun lief ich letztens durch den Supermarkt, bzw. ich schob mich an meinen Rollator geklammert an den Regalen entlang, als ich ein kleines zusammengefaltetes Stück Papier vor der Auslage mit den exotischen Früchten bemerkte.

Sieh da, dachte ich, hob das Papier auf und entfaltete es. Es gibt noch andere Leute, die ihre Einkäufe altmodisch notieren. Seltsam – nach einem Einkaufszettel sah das eigentlich nicht aus, wenn man die einzelnen Posten durchging. Ein „Fön“ unter all den Lebensmitteln? Wobei es sich bei denen auch nicht gerade um die Abdeckung rudimentärer Basisbedürfnisse handelte. Und zum „Haarwachs“ passte der Fön auch nicht so richtig. 

 

Das sah eher aus wie – wie – .Wo hatte ich so was schon mal gesehen?

 

Vor langer Zeit, am Anfang meiner Schreibkarriere, hatte ich einmal einen Kurs über „Kreatives Schreiben“ besucht, und da gab es Aufgaben, die mit willkürlich gewählten Begriffen spielten, mit denen man unter Einhaltung bestimmter Vorgaben Texte erstellen sollte. Ich drehte den Zettel um und sah meinen Verdacht bestätigt. Auf der Rückseite stand eine „5“. Was bedeutete, dass es noch mindestens vier weitere Zettel mit ähnlichen Begriffen geben musste. Ich überlegte, wie wohl die Aufgabe lauten könnte. Etwa: Schreibe einen möglichst kurzen Text, in dem die von dir gezogenen sechs Wörter in der hier gegebenen Reihenfolge vorkommen. Sie dürfen dekliniert werden, aber nicht doppelt oder mehrfach auftauchen.

Ich steckte den  Zettel ein und sah auf meinen eigenen. Tomaten, Entrecôte, Baguette, Camembert, Rotwein, Haftcreme. Was für eine Geschichte ließ sich daraus basteln? Da war kein langes Nachdenken nötig. Eindeutig ging es hier um das Abendessen einer alten Frau, die dank eines gut fixierten Gebisses ein französisches Diner zu schätzen wußte und einem kräftigen Schluck durchaus nicht abgeneigt war.

Was die andere Liste betraf, so zeichnete sich vor meinem inneren Auge schon eine hübsch lüsterne Geschichte ab, beginnend mit der vorbereitenden Körperpflege, unter anderem Haare waschen, trocknen, stylen. Dann eine leichte Mahlzeit, einen Salat von Avocado und Gambas, begleitet von Sekt, dem klassischen Getränk der Verführungskunst. Letztere in erotischen Liebesspielen mündend, beispielsweise Verteilung von Sprühsahne auf diversen Körperteilen und deren Beseitigung mittels Zunge.

Der Aufbau der Geschichte stand in meinem Kopf wie eine Eins. 

Blieb zu hoffen, dass den weiblichen Part der Szenerie eine ähnliche Standfestigkeit von männlicher Seite erwartete.