Von Sabine Rickert

                            

Ich las neulich in der Zeitung, dass die Regierung für jeden Haushalt, falls eine Katastrophe eintritt wie Stromausfall, Sturm und Hochwasser, eine Notfallbevorratung für zehn Tage empfiehlt.

Da mir die Sicherheit meiner Familie am Herzen liegt und aus reinem Selbstschutz hatte ich mich dann mit diesem Thema intensiv beschäftigt.

Dazu brauchte ich eine Menge Platz im Keller. Schon alleine für vier Leute Wasser zu bevorraten, zwanzig Liter pro Person wird empfohlen, ist eine Hausnummer. Ich bekam ein Eckchen im Keller frei. Entscheidet man sich erst einmal, überflüssige Gegenstände zu entsorgen, dann kommt eins zum anderen und man merkt, dass einiges längst schon überfällig war. Zum Beispiel die ganzen Farbbüchsen und Eimer, die ich aufbewahrte, um etwas zu überstreichen, wenn nötig. Die Farben hatten längst ihren Aggregatzustand von flüssig zu fest gewechselt. Ebenso erging es dem Türdichtungsgummi. Die Rolle gab es halt nur in 25 m. Der Rest lag jahrelang herum und wurde hart, der große Vorrat an Übertöpfen wurde ebenfalls drastisch reduziert. Ich gestehe mir ein, man braucht keine zum Überleben. Dadurch verfügte ich über etwas mehr Platz für den Ernstfall.

Ich bin für Hamsterkäufe ungeeignet, das zeichnete sich in der Pandemie deutlich ab. Ich hatte damals zu spät gemerkt, dass gehamstert wurde, erst nachdem in den Regalen vom Supermarkt schon große Lücken klafften. Außerdem bin ich kein Ellenbogentyp. Beim Gang durch den halbleeren Markt sinnierte ich damals, welche Menüs ich mit den Übriggebliebenen entstehen lassen würde. Fischstäbchen mit Ketchup auf Schwarzwurzeln. Rote Bete mit Schweinefleisch aus der Dose an Kidneybohnen verfeinert mit einem Löffelchen Griebenschmalz. An diese Situation wurde ich durch den Artikel über Notfallbevorratung erinnert. Damit meine Familie und ich bei der nächsten Katastrophe mit ausreichend Nudeln, Mehl und Reis ausgerüstet sind, befasste ich mich sofort mit der Liste. Es wird auf jeden Fall ein Drama, dass die pubertierenden Kinder bei Stromausfall kein WLAN haben, dann zusätzlich eine unlustige Nahrungsaufnahme mit Loser-Lebensmitteln geht gar nicht. Um nachträgliches Gemecker meiner Familie, weil etwas Wichtiges fehlt, zu vermeiden, sicherte ich mich ab, indem ich alle Mitglieder an der Notfallbevorratung beteiligte. Die Kinder und der Mann bekamen die Aufgabe, die Liste mit ihren Wünschen zu ergänzen. Ich stellte damit sicher, dass vor allem die Pubertierenden im Notfall ihre persönliche Wohlfühlartikel zur freien Verfügung hatten.

Mein Mann war sofort Feuer und Flamme und direkt im Survival-Modus. Er zückte Stift und Zettel und schrieb, strich durch, schrieb neu. Ich las Kurbelradio, Solar-Powerbank, Wasserentkeimungstabletten, wasserfeste Streichhölzer und … . Ich hatte nicht genug Zeit, das Ende der Liste abzuwarten. Der entscheidende Satz für mich war: „Ich besorge alles selbst!“ Er wird uns retten, das war sicher. Ich befürchtete nur, er nutzte die Gelegenheit für sich aus. Auf einmal hatten wir eine teure Motorsäge, um im Notfall unsere Obstbäume zu fällen. Das Holz brauchen wir für Feuer zum Kochen und Heizen, wenn alles andere nicht mehr zur Verfügung steht, sprich Solarsystem, weil die Sonne nicht scheint. Wichtig waren ihm ebenfalls vier verschiedene Taschenlampen, eine extravaganter als die andere, für jedes Familienmitglied eine, behauptete er. Hoffentlich erlaubt er uns, sie anzufassen und einzuschalten, wenn der Strom ausfällt. Ich hatte das Gefühl, dass er jahrelang auf diese Gelegenheit der Notfallbevorratung gewartet hatte. Sein Survival-Gedöns nahm eine Menge Platz ein. Ich bereute meinen Enthusiasmus, jetzt kommen schließlich noch die Listen der Pubertierenden hinzu.

Unser Sohn, fünfzehn Jahre jung, hatte nicht sofort verinnerlicht, dass wir uns für einen Stromausfall ausrüsten. Er wünschte sich ein teures Spotify-Abo. Nachdem ich ihm nochmal erklärt hatte, um was es sich handelte und dass die Power-Bank seines Vaters ihn alleine nicht den ganzen Tag unterstützen werde, war ihm sein Hautclearing-System in dreifacher Ausführung wichtiger, außerdem diverse Mangas. Freue ich mich, dass er liest, oder passe ich auf, dass er erst im Notfall die Bücher anfasst? Schwierig!

Die Auflistung meiner Tochter bedurfte Erklärung ihrerseits. Ihr Fokus lag ebenfalls nicht unbedingt auf dem fehlenden Strom. Ihre Liste: Haarwachs, Fön, Gambas, Arvocado, Sekt, Sprühsahne.

„Zuerst werde ich die Rechtschreibfehler auf ihrem Zettel ansprechen“, überlegte ich. Sie war siebzehn und in Vorbereitung zum Abitur.

Sie schrieb Föhn ohne h, Avocado mit r. Beim Föhn drückte ich ein Auge zu, vor der Rechtschreibreform war es korrekt, aber Avocado mit r ist schlicht und ergreifend falsch.

Das wird wieder ein kompliziertes Gespräch. Uff!

Ich grübelte erst einmal über ihre Liste nach. Die Solar-Powerbank ist nicht in der Lage, den ganzen Haushalt aufrecht zu halten, das sagte ich schon meinem Sohn. Haare waschen funktioniert höchstens draußen an der Regentonne.

Mit dem Haarwachs wird sie längere Waschdurststrecken korrigieren. Die Avocado ist zur Anfangsernährung ideal. Sie verhindert Heißhungerattacken und macht satt. Ist aber nicht geeignet zur Notfallbevorratung, ebenfalls Gambas. Es sei denn, man friert beide Parteien ein und isst sie sofort, wenn der Gefrierschrank ausfällt.

Sekt ist hilfreich, um die Stimmung zu lockern, sie trinkt halt kein Bier, analysierte ich ihren Zettel weiter. Nur die Sprühsahne irritierte mich. Ich ließ sie das Rätsel lösen und fragte einfältig nach.

„Boa, Mama, bei meinem Glück fällt der Strom vor einem super Date aus und ich habe voll den Bachelor am Haken. Die Chance bekomme ich nie wieder. Ich sterb sonst voll. Die anderen Bitches basteln dann nur etwas aus Reis und Nudeln. Ich brauche unbedingt Avocado, Gambas und die Prickelbrause. Der Föhn ist ein Ersatz, falls meiner streikt. Papa hat doch den Generator und das Solarsystem.“

„Wie, wir haben einen Generator?“, rief ich erstaunt.

„Wir sind da doppelt gesichert, hat mir Papa bestätigt. Das Haarwachs ist zum Waxing. Ich lauf doch nicht herum wie ein Affe mit Büschen unter den Armen, an den Beinen und …“.

„Liebes Kind, du meinst Haarentfernungswachs, kein Styling-Wachs“, korrigierte ich sie.

Das war fast einleuchtend! Ich sah das zwar etwas anders, ihre Auflistungen waren nicht unbedingt für einen Notfall wie Stromausfall geeignet. Aber wir haben ja einen Generator, wie ich informiert wurde.

„Das sind keine Artikel zum Lagern außerhalb eines Gefrierschranks“, erklärte ich ihr. Es war ihr egal so wie die Rechtschreibfehler. Gambas und die Avocado fror ich ein und tauschte sie immer mal wieder gegen frische Ware aus, ebenso wurde die Sprühsahne verbraucht und durch Neue ersetzt. War kein Thema. Sahne braucht man ja öfter, sie hatte mir nur nicht erklärt, wofür sie die benötigte. Daher ergänzte ich unsere Notfallbevorratung um eine exquisite Auswahl an Verhütungsmittel. Nur zur Vorsicht! Wann de Prinz kütt.

                                  

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