Von Uta Lemke

Die Erde trägt Spuren wie ihren Schmuck. Es sind Fußabdrücke im Sand. Straßen im Wald. Staubwolken über der klaffenden Wunde, die wir Menschen Stadt nennen. Plastik, was im einst blauen Meer treibt. Löcher im einst so dichten Eis. Es sind schöne Spuren, gepflanzte Blumen oder eine von Menschen angelegte Heidelandschaft in wunderschönen violetten Farben. Und es sind hässliche Spuren, die weniger Schmuck, denn vielmehr Wunden sind. Manchmal kleine, manchmal größere Wunden. Doch die Erde kann nicht schreien. Sie kann sich nicht wehren, sie kann keinen Protest einlegen, sie kann keine Konzerne verklagen, sie kann sich nicht rächen, für die Grausamkeiten, die ihr angetan wurden. Sie leidet einfach stumm und trägt die Spuren, die wir hinterlassen haben mit Stolz. Und ihre Schönheit ist mit Narben befleckt und dennoch, dennoch ist sie das Schönste, was wir haben. Das Wertvollste, das Schützenswerteste. Noch sind es nur Spuren, doch irgendwann ist die ursprüngliche Erde nur noch eine Spur auf der riesengroßen offenen Wunde, die wir hinterlassen haben. Erst ein Netz, dann eine Fläche und irgendwann sind unsere menschlichen Fußabdrücke überall. Spuren im Sand, Spuren im Wasser, Spuren im Wald und im Feld. Spuren in der Luft und Spuren in den Weiten des Weltalls. Spuren bis zum Mond, und dann bis zum Mars. Und irgendwann ist nichts mehr vor uns sicher.  Ob unbewusst oder bewusst, unsere Spuren bohren sich in die Erde.

Aber wen interessiert das schon noch? Jeden Tag lesen wir davon, sehen Aufkleber an Schilderpfosten, Flyer flattern durch die Straßen, durch die wir gehen, Umweltaktivisten sprechen uns an, fragen uns, ob wir nicht etwas an unserem Lebensstil ändern wollen um das Wunder der Natur zu bewahren. Wir scrollen an Bildern von einsamen Eisbären und abgerodeten Wäldern vorbei, ignorieren den hunderttausendensten Artikel, der vor der schlimmsten Folge der menschlichen Spuren, dem Klimawandel, warnt. Wir halten uns die Ohren zu, verschließen die Augen und machen weiter wie bisher. Fahren mit unserem Auto in die Stadt, kaufen das Schnitzel vom anderen Ende des Landes und die Jeans vom anderen Ende der Welt. Wir sind nicht zu belehren, denn unser Leben ist doch so gemütlich und schön und wen kümmert schon ein ökologischer Fußabdruck, der sich wie eine hässliche Spur auf der Erde breitmacht? Wir leiden ja nicht persönlich darunter, zumindest noch nicht. Irgendwo auf diesem wunderbaren blauen Planeten, da gibt es Menschen, Tiere, Pflanzen, eben die Natur, die darunter leiden. Doch das betrifft uns nicht, noch nicht, denn wir sitzen gemütlich auf unseren Sofas, die wir billig erwerben konnten, aber die unsere Erde teuer bezahlen musste. Und wir pfeifen auf unsere Spuren, denn solange wir unsere Augen nur im richtigen Moment schließen, können wir sie nicht sehen.