Von Manuel Fiammetta

26.05.2045

 

Rede des Weltpräsidenten

 

Liebe Erdenbürger,

 

aus aktuellem Anlass spreche ich heute zu euch.

 

In den vergangenen Jahren haben wir etwas erreicht, was keiner für möglich gehalten hätte: Wir haben Frieden auf der ganzen Erde. Auf jedem Kontinent. In jedem Land. In jeder Stadt. In allen Dörfern. Unter allen Religionen und Weltanschauungen.

Doch nicht nur das. Wir haben es auch geschafft, das Leid der Hungernden zu lindern und weltweit Zugang zu frischem Trinkwasser zu ermöglichen. Wir haben die Kluft zwischen den armen und den reichen Erdenbürgern nahezu schließen können und somit eine noch nie dagewesene Zufriedenheit erzielt.

 

Die letzte große Naturkatastrophe, bei der viele Millionen Erdenbürger ihr Leben verloren, hatte uns endlich umdenken lassen. Wir haben begriffen, dass es so, wie es war, nicht weitergehen konnte. Wir sind zusammengewachsen und haben erkannt, dass wir nur gemeinsam etwas bewirken können, um uns und diese schöne Erde zu retten.

Mit diesem Gedanken und dem daraus resultierenden Segen Gottes, aus welcher Religion auch immer der Glaube an Gott geboren wurde, gelang es, unsere Erde zu bewahren, lebenswerter zu machen und gleichzeitig die Erdenbürger zu vereinen.

 

Wir leben nun seit vielen Jahren kriegsfrei Seite an Seite zusammen. Wir haben unsere persönlichen Eitelkeiten zum Wohle aller hintenangestellt. Selbstverständlich gibt es Meinungsverschiedenheiten und auch mal hitzige Diskussionen. Aber es gelingt uns, alles friedlich zu lösen und gemeinsam Wege zu finden, Probleme zu bewältigen.

 

Doch leider gibt es einen Grund, weshalb ich von dem Termin meiner halbjährlich stattfindenden Rede abweiche.

 

Ich habe von unseren Raumfahrtbehörden vor einigen Wochen erstmals die beängstigende Nachricht erhalten, dass sich ein Komet auf unsere Erde zubewegt. Seine Geschwindigkeit, seine Größe und auch seine tatsächliche Richtung, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau definieren, weswegen ich mich dazu noch nicht öffentlich geäußert hatte.

 

Nun aber wissen wir mehr und die Neuigkeiten sind schlicht eine Katastrophe. Es gilt als sicher, dass der Komet mit der Bezeichnung X/2045 J1 unsere Erde treffen wird. Die letzten Berechnungen haben ergeben, dass X/2045 J1 der mit Abstand größte und schnellste Komet seit Beginn der Aufzeichnungen ist und er bei einem Aufprall auf unsere Erde sämtliches Leben vernichten könnte.

 

Es ist uns leider auch nicht möglich, X/2045 J1 abzuschießen oder umzulenken. Sein Durchmesser ist einfach zu gewaltig. Wir rechnen mit einem Einschlag in den nächsten fünf bis sieben Tagen.

 

Wir müssen jetzt sehr stark sein und ich appelliere an uns alle, das Errungene nun nicht wieder zu zerstören, sondern Arm in Arm und Hand in Hand zusammenzustehen.

 

Aus dieser Gewissheit heraus können wir uns trotzdem glücklich schätzen, in den letzten Jahren so viel erreicht und gemeinsam friedvoll gelebt zu haben.

 

Vielleicht geschieht noch ein Wunder und Gott ist uns gnädig.

 

Wenn ich zurückblicke, erfüllt es mich mit Freude, euer Präsident gewesen zu sein. Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen. Sollte es nicht mehr auf unserer schönen Erde sein, dann an einem neuen Ort.

 

+++

 

31.05.2045

 

Aufzeichnungen eines Erdenbürgers der Stadt Berlin

 

Wir sitzen hier unten in einem Bunker. Einige hundert Erdenbürger haben sich eingefunden und alle warten auf den großen Einschlag. Viele haben noch Hoffnung in sich. Die Hoffnung, dass X/2045 J1 doch unsere Erde verfehlt.

Aber die Realität lässt sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und ihre Augen mit Tränen füllen. Manche laufen wie Tiger auf und ab. Andere wiederum sitzen versteinert da und ihre Blicke scheinen ins Leere zu gehen. Wieder andere weinen ununterbrochen oder ertränken ihre Angst mit Alkohol.

 

Meine Kinder haben ihre Köpfe in den Schoß meiner Frau gelegt. Sie streichelt durch ihre Haare und manchmal schlafen die beiden kurz ein.

 

… Unsere Erde vibriert. Es fühlt sich nicht wie ein Erdbeben an und das kann ich sagen, weil ich schon Erdbeben erlebt habe.

Es ist schwer zu begreifen, dass in jedem Moment alles vorbei sein könnte …

 

… Sie versuchen, den Komet mit Atombomben zu beschießen, ihn so zu zerstören oder abzudrängen. Das Ergebnis wird aber nicht befriedigend sein. Selbst wenn sie es schaffen, werden wir hier kaum überleben. Sollten wir nicht durch den Kometen ums Leben kommen, dann durch die Atombomben …

 

… Unser mitgebrachtes Radio hat soeben aufgehört zu senden. Das Interview mit unserem Weltpräsidenten wurde unterbrochen. Schade, denn ich habe ihn sehr gemocht und seine Stimme hatte etwas Beruhigendes. Etwas Angstnehmendes …

 

… Dieses Geräusch. Es macht mich verrückt und wird immer lauter. Es hört sich an wie startende Düsenjets die immer näher kommen und dann immer wieder neu starten. Ich will gar nicht wissen, wie das da draußen klingt …

 

… Die Menschen hier unten werden mit der zunehmenden Lautstärke immer hektischer. Wir versuchen aber weiterhin, füreinander da zu sein …

 

… Meine Kinder weinen und meine Frau versucht sie zu trösten. Die Vorräte werden langsam knapp. Der Geräuschpegel ist so hoch, dass ein vernünftiges Gespräch nicht mehr möglich ist …

 

… Wir sitzen jetzt dicht gepresst in einer Reihe mit dem Rücken an der Wand. Es ist schön, dass wir uns an den Händen halten. Ich gab meiner Frau und meinen Kindern eben noch einen Kuss. Jeder spürt, dass…………………………………………………………………………

 

+++

 

Einige Jahre später

 

„Spuunk, Spuunk, komm schnell hier rüber!!“

 

„Was ist Bhoon? Was hast du?“

 

„Dieser Planet war bewohnt! Er war tatsächlich bewohnt, und sie haben sogar unsere Sprache gesprochen. Hier, sieh.“

 

Aufzeichnungen eines Erdenbürgers. Sie nannten den Planeten wohl Erde. Es muss hier etwas Furchtbares passiert sein.“

 

„Auf, Bhoon, wir schauen uns weiter um. Mir gefällt es hier. Vielleicht finden die Anderen auch noch etwas.“

 

Version 2