Von Ulrike Eckhardt

Endlich Feierabend, endlich zu Hause. Die schwere Einkaufstüte landet mit Schwung auf dem Küchentisch. Das Handy klingelt- typisch!- gerade jetzt. Aha, ein anonymer Anrufer. Kurze Zeit später eine SMS. Auf dem Display steht: „Ich bedaure, dass ich Sie nicht erreichen konnte. Bitte rufen Sie zurück…“ Und dann noch eine Handynummer. Laura schnaubt durch die Nase- wie billig! Sie hat, weiß Gott, schon originellere Kontaktversuche erlebt.

Jetzt erst mal einen schönen Waldlauf- Abendessen danach! Sie zieht sich um, steigt in ihr Auto und fährt zum Waldrand.

Die Luft im Wald ist herrlich! Laura läuft eine ordentliche Runde. Zuhause angekommen, geht sie gleich duschen und fühlt sich gut. Während sie das Abendessen auf ein Brett legt, fällt ihr die SMS wieder ein. Könnte ja was Geschäftliches sein. Sie arbeitet in einem großen Betrieb für Büro- und Praxiseinrichtungen, schon manchmal haben sich Kunden von ihr „privat“ beraten lassen- Geld kann man immer brauchen! Sie wählt die Nummer.

„Schulze,“ die Stimme klingt männlich.

„Laura Loose hier! Sie wollten mich sprechen?“

„Oh- sie sind es!“ Er klingt erfreut. „Nett, daß sie zurückrufen. Ich würde gern etwas mit ihnen besprechen, aber am Telefon ist das doof ……“

Zack! Laura beendet das Gespräch. Was der sich denkt! Sie will sich gerade ihrem Joghurt zuwenden, da klingelt das Handy.

„Loose,“

„Bitte legen sie nicht wieder auf! Sie denken was völlig Falsches! Es geht darum, daß sie uns helfen können, wissenschaftlich, bitte! Kann ich  ihnen bei einer Pizza alles erklären?“

Laura blickt auf Joghurt und Apfel und sagt: „Na gut. 19 Uhr im Rimini an der Stadtkirche. Aber ich warne sie…!“

„Wunderbar! Ich bin pünktlich!“

Um kurz nach sieben an der Kirche. Vor der Pizzeria steht ein Mann um die Vierzig. Er ist groß, leger gekleidet, braunes, wuscheliges Haar, sieht eigentlich nett aus.

„Hallo!“ sagt er zu Laura, die da auf ihn zukommt. Sportlich, Jeans und Pulli, halblange dunkelblonde Haare zum Pferdeschwanz gebunden geben den Blick frei auf ein ungeschminktes, hübsches Gesicht, das jünger wirkt als Mitte Dreißig. Er hält ihr die Hand hin, „ich bin wirklich froh, daß sie gekommen sind. Sehen sie mich bitte nicht an, als ob ich sie fressen will- ich werde mich mit einer Pizza begnügen! “

Sie gehen rein und setzen sich an einen Fenstertisch. Der Ober kommt und sie bestellen Bier und Pizza. Laura blickt Herrn Schulze abwartend an. Der räuspert sich und beginnt:

„Also ich arbeite für die europäische Raumfahrtbehörde. In der Abteilung für extraterrestrische Kontakte. Das hat mit fliegenden Untertassen wenig zu tun, wir forschen nach Signalen aus dem All. Erst schicken wir Informationen aus allen möglichen Bereichen wie Technik, Wissenschaft, Kunst usw. auf verschiedenen Wegen ins All und dann schauen wir, ob was zurückkommt.“

Er kramt in seiner Brieftasche. „Bitte, mein Dienstausweis!“

Laura wirft einen schnellen Blick auf das Passbild.

„Und was wollen sie von mir? Soll ich vielleicht ihre Raketen möbilieren?“

„Nein!“ Schulze lacht und zeigt eine Reihe weißer Zähne, die ihn gleich viel besser aussehen lassen.

„Wir haben eine Vermutung, eine Idee und sie könnten uns dabei helfen.“ Er stockt und sieht Laura erwartungsvoll an.

„Sie essen gern Salami.“

Laura schielt nach der Tür. Offensichtlich ist sie einem Verrückten in die Hände gefallen. Schulze bemerkt ihren Blick.

„Wir schicken auch Rezepte und Fotos verschiedener Speisen nach oben. Wir können es ja selbst kaum glauben, aber beim Stichwort „Salami“ kommt jedes Mal so etwas wie eine Reaktion! Nun haben wir uns gedacht- also vielleicht kämen wir weiter- wenn wir sie in einen Versuch mit einbinden dürfen?“

„Was für ein Versuch??“ Laura ist durchaus nicht so begeistert, wie Schulze es erhofft hatte.

„Und wie sind sie dabei bloß auf mich gekommen?“

Lauras Gegenüber spielte verlegen mit der Gabel, „um ehrlich zu sein- ich kenne sie von dem Supermarkt, ich hab sie dort schon oft gesehen. Und Salami kaufen sie auch öfters! Deshalb sind sie ja geeignet für unseren Versuch…“

„Aha- Versuchskaninchen!“ Laura grinste schief.

„Wir sehen dabei überhaupt keine Gefahr.“ Er schüttelt den Kopf. „ Ehrlich gesagt glauben wir nicht an einen Erfolg. Das Ganze klingt so einfach, eher naiv, aber man weiß ja nicht, welche Methoden zum Erfolg führen- manchmal sind es die abwegigsten!“

„Und was soll ich tun, wenn die Marsmenschen bei mir einfallen?“ fragt Laura spitz, „vielleicht mit Salamischeiben werfen? Finden sie das Ganze nicht etwas albern?“

„Wir geben ihre Koordinaten ein und sie stellen einen Teller mit Salamischeiben auf den Tisch, das ist alles! “

Laura sieht ihn an, wie man ein minderbemitteltes Kind ansieht.

„Was bekomme ich eigentlich dafür?“

„Wir bezahlen ihnen die Wurst. Unsere Geldmittel sind sehr begrenzt, wir dachten, es macht ihnen vielleicht Spaß…“

Laura beginnt zu überlegen. Was kann schon passieren? Schlimmstenfalls nichts! Es würde etwas Farbe in ihr tägliches Einerlei bringen und die Sache fängt an sie zu interessieren. Vorletztes Jahr hatte sie ihren Freund an die Luft gesetzt, weil dieser seine Kenntnisse ausgiebig bei anderen Damen erweitert hatte. Seitdem lebte sie allein.

„Na gut. Ich bin dabei. Vielleicht bereue ich das, aber ich möchte auch mal auf die Titelseite der Bild-Zeitung.“ Sie kramt eine Visitenkarte aus der Tasche.

„Hier sind meine „Koordinaten“, wie sie das nennen.“

„Und diese Nummer rufen sie an, wenn sich was rührt!“ Schulze ist sichtlich erfreut. „Ich heiße übrigens Michael.“

„Ich heiße Loose! Aber das wissen sie ja bereits!“ Laura ist überhaupt nicht zu einer Verbrüderung bereit. „Wieso machen sie den Versuch eigentlich nicht selbst?“

„Hab ich schon,“ sagt Schulze, „keine Reaktion!“

Auf dem Heimweg überlegt sie, ob sie eben zu grob war.

„Du bist zu misstrauisch!“ sagt sie zu sich selbst. „Nicht jeder Kerl ist so ein Prachtexemplar wie dein Letzter. Wenn du weiter so kratzbürstig bist, vergraulst du sie alle!“ Mit diesen Gedanken betritt sie ihre Wohnung.  In der Küche holt sie die Salami aus dem Kühlschrank, schneidet ein paar Scheiben ab und stellt sie mit einem Teller auf den Tisch.

„Bitte sehr- mit Edelschimmel! Feines Fliegenfutter. Mal sehen, wie viele Aliens morgen früh um meinen Tisch sitzen und nach Kaffee schreien“, denkt sie amüsiert,  während sie sich im Bad fertig macht.

Dann geht sie ins Bett.

Als Laura am nächsten Morgen räkelnd die Küche betritt, sieht sie es sofort:

Der Teller ist leer!

Nicht nur das- an der einen Wand sind Worte zu lesen, rot, flimmernd, wie hingebeamt:

VIELEN DANK- WIR INTERESSIEREN  FÜR SIE UND  INHALT DES TELLERS- JETZT WISSEN  WIE  SCHMECKT- WIR HABEN  DAFÜR EIN PAAR STEINE HINGELEGT DIE  AUS ASTEROIDEN HOLEN- NENNT  AUF  ERDE KOHLENSTOFFE- SIND  UNS  TAUSCHWARE- WIR HOFFEN  VERSTÄNDLICH AUSZUDRÜCKEN- ENTSCHULDIGEN  KLEINE FEHLER- WOLLEN  UNS ETWAS MITTEILEN- SCHREIBEN SIE EINFACH AN WAND…….

Laura steht wie versteinert. Ist das ein Traum? Sie kneift sich feste in den Arm. Aua!! Kein Traum. Dann blickt sie sich vorsichtig um- irgendwo ein Beamer, eine Kamera? Nichts! Da kommt ihr eine Idee!

Sie eilt zur Wand und fuchtelt mit der Hand dicht vor der Schrift. Aber es fallen keine Schatten.

Sie spürt, wie sich ihre Nackenhaare sträuben.

Was steht da? „Wir haben ihnen etwas hingelegt.“

Suchend blickt Laura über den Tisch. Da liegen ein paar durchsichtige, merkwürdig geformte Steine, so klein wie Kieselsteinchen. Sie nimmt sie in die Hand und dreht sie gegen das Licht. Ob die was wert sind? Im selben Moment verschwindet die Schrift!

Entschlossen geht sie dann ans Telefon und wählt die Nummer, die auf Schulzes Karte steht. Er meldet sich und Laura erzählt ihm nun aufgeregt von den Ereignissen.

„Ich möchte das nicht mehr, Herr Schulze, ich habe Angst! Ich kann das alles nicht einschätzen. Was ist, wenn die was mit mir vorhaben?!“

Schulze beruhigt sie, „dann hätten die schon längst gehandelt! Ich finde ihre Außerirdischen eher höflich und einfach neugierig! Vielleicht studieren sie uns und unsere Gewohnheiten…“

Laura findet das nicht sonderlich beruhigend.

„Okay“, sagt er, „ich komme!“

Eine viertel Stunde später klingelt es an der Tür. Laura öffnet und führt Schulze in die Küche. Sie hat einen Tee gekocht und die Zwei setzen sich an den Tisch. Noch immer ziemlich aufgeregt erzählt sie nun, was an der Wand gestanden hat und zeigt ihm die Steine. Er dreht sie zwischen den Fingern.

„Wenn das wirklich Diamanten sind, dann sind sie eine gute Partie- oder sind sie schon vergeben?“ Er lächelt schelmisch. „Haben die nicht gesagt, sie können Fragen an die Wand schreiben? Warum versuchen sie es nicht mal?“

Laura geht zögernd zur Wand.

„Das ist doch absolut lächerlich!“

Aber Michael Schulze sitzt da mit gespannter Miene, „na los!“

„Was soll ich denn schreiben?“ Laura überlegt. Dann hebt sie den Finger und schreibt langsam:

WER SIND SIE UND WOHER KOMMEN SIE? UND WAS WOLLEN SIE AUSGERECHNET VON MIR?

Wie durch Zauberhand erscheinen die Buchstaben auf der Wand. Rot und flimmernd. Laura geht schnell zurück zum Tisch. Wieder der kalte Schauer.

„Michael- ich hab Angst!“ Sie stellt sich neben ihn. Auch er ist nervös. Zusammen starren sie auf die Wand, wo die Buchstaben wieder verblassen.

Dann erscheint ein Text:

WIR KOMMEN WEIT HER- AUS  ANDEREN GALAXIE- FÜR  REISE HABEN WIR KÖRPER UMGEFORMT- ANTRIEB BEZIEHEN  AUS DUNKLER ENERGIE UND MATERIE- WIR INTERESSIEREN  FÜR PRIMITIVE LEBENSFORMEN UND HABEN VON IHREM FREUND  DATEN BEKOMMEN- WÜRDEN  UNS NOCH MEHR SALAMI ÜBERLASSEN- WIR FORMEN  UM DAMIT WIR  SCHMECKEN KÖNNEN-  MÖCHTEN GERN ETWAS DAVON MIT  HAUSE NEHMEN- DANKE….

Laura und Michael Schulze stehen wie vom Donner gerührt.

„Origineller Dialekt“, bringt Laura heraus.

„Das glaubt mir im Institut kein Mensch!“ stößt Schulze hervor.

„Ich hab noch tausend Fragen!“ Er beginnt mit dem Finger auf die Wand zu malen. Es zeigt sich nichts.

„Anscheinend sind die auf mich nicht programmiert.“

„Soll ich es nochmal versuchen?“ fragt Laura hilfsbereit.

Schulze kritzelt schnell ein paar Fragen auf einen Zettel.

„Das soll einer lesen?“ grinst Laura. Sie hat keine Angst mehr. Die Sache beginnt ihr Spaß zu machen. Ihr Finger schreibt….

Aber auch bei ihr bleibt die Wand weiß wie Schnee.

„Wie schade!“ Aber dann kommt ihr eine Idee. Sie schneidet geschwind einige Salamischeiben herunter und legt sie auf den Teller.

„Und wir beide machen jetzt einen Spaziergang zum Juwelier! Ich möchte zu gern wissen, was mir die Außerirdischen für Eier auf den Tisch gelegt haben! Außerdem muss ich in der Firma anrufen und erklären, warum ich heute nicht komme- da muß ich mir was einfallen lassen!“

„Das regelt schon meine Behörde- wir schreiben eine bildschöne Entschuldigung!“ Schulze ist schon an der Treppe.

„Komm schon, du primitive Lebensform“, grinst er, „ich bin gespannt, ob der Teller nachher leer ist!“

„Ach- sind wir beim DU angekommen?“

„Du merkst auch alles!“

 Beim Juwelier bestätigt sich die Vermutung- es sind tatsächlich Rohdiamanten von enormem Wert! Laura schwirrt der Kopf.

 Auf dem Heimweg hat Schulze unaufgefordert erzählt, dass er seit letztem Jahr wieder Single ist. Laura ist bedient- ziemlich viel für einen Tag! Zitternd stochert sie im Schlüsselloch. Endlich offen. Beide stürzen in die Küche.

Nichts. Die Wand ist weiß, aber der Teller ist leer!

„Schade! Ob sie weg sind?“ überlegt Laura, „ich hätte nichts gegen ein paar weitere Klunker gehabt!“

„Ich hätte noch so viele Fragen gehabt“, sagt Schulze, lässt sich auf einen Stuhl fallen und sieht enttäuscht aus.

„Das ist doch komisch“, sinniert Laura, „mir ist, als hätte ich das alles nur geträumt! Hey- ich hab noch ne tolle Flasche Rotwein im Schrank! Wie wären Spaghetti mit der Salami und Knoblauch dazu? Vielleicht kommen ja ein paar Marsmenschen durchs Fenster! “ Sie lacht amüsiert. In Wirklichkeit aber ist sie durch die neue Situation ziemlich überfordert und heilfroh, nicht damit alleine zu sein!

„Na gut“, Schulze springt auf. „Aber gleich kocht der Chef! Ich kann das nämlich! “

„So? Dann geh mal die Nudeln umformen! “ Laura sieht zufrieden aus.

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