Von Klaus-Dieter Oettrich

„Hurra, hurra, jetzt fahren wir zum Meer,“ riefen der 12-jährige Pit und die 9-jährige Sonja begeistert im Auto.

„Sind alle da?“ Fragte verschmitzt Papa. Er trug wieder sein blaues Reisehemd mit einer hellblauen Hose. Seine dunkelbraunen Harre waren kurz geschnitten.

„Die Hunde Sisi und Dex sind schon im Auto. Wo ist Mami?“

„Sie wird noch auf ihrem Kontrollgang im Haus sein, ob ihr z.B. auch eure Laptops ausgeschaltet habt,“ meinte Papa. 

„Da kommt sie,“ rief Pit. „Mami wir wollten gerade abfahren.“ Mit wehenden, langen, blonden Haaren, bekleidet mit einer weiten, beigen Bluse und einer Jeans eilte Julia zum Wagen.

„Ohne mich?“

„Nein, nein, wir haben auf dich gewartet, liebe Mami,“ erwiderte Sonja mit ihren dunkelblonden Haaren.

„Anschnallen, Türen, Fenster schließen. Wir fahren nun los. Auf ihr Pferdchen,“ sagte Papa und deutete mit dem Finger auf die Motorhaube, „heute müsst ihr viel rennen. Bald sind wir auf der Autobahn. Dann geht es Richtung Süden mit full speed,“ teilte Papa mit.

„Fahr bitte nicht so schnell, die Kinder und die Tiere vertragen die Raserei nicht,“ mahnte die Mutter.

„Ich schon, von mir aus kannst du voll Gas geben,“ meinte Pit. Strich sich sein dunkles Haar nach hinten und setzte seine Schildmütze verkehrt herum auf.

„Rede doch nicht so einen Blödsinn, sonst macht Papa das noch.“

„Ich finde, wer schon ein Auto mit 230 PS hat, sollte dies auch ausnützen,“ teilte Pit mit.

„Wie recht du hast, mein lieber Sohn,“ stellte der Vater fest.

„Solch einen Blödsinn, können nur Männer sagen.“

„Danke Mama, dass du mich in den Stand eines Mannes erhoben hast.“

„Ja, Blödsinn kannst Du schon reden wie ein Mann.“

„Liebling, bitte beleidige uns Männer nicht.“

So entwickelten sich die Gespräche immer weiter.

 

„Papa, Papa, da vorne steht ein gelbes Schild,“ stellte Sonja fest. 

„Das stimmt, aber dies gibt es doch nicht, nach 2 km Fahrt schon eine Umleitung. So ein Scheißdreck.“

„Lieber Joe, mein Schätzchen, bitte unterlasse solche Schimpfworte vor den Kindern.“

„Soll ich mich über die Umleitung freuen? Damit erhöht sich unsere Reisezeit bestimmt über eine halbe Stunde.“

„Aber Liebling, rege Dich doch nicht auf. Wie sagte schon Konfuzius: Der Weg ist das Ziel.“   

 

Die Umleitungsstraße war in einem schlechten Zustand.

„Wenigstens hätte man eine bessere Straße nehmen können. Da gehen ja die Stoßdämpfer kaputt.“

„Fahre halt langsamer.“

„Wenn ich noch langsamer fahre, kann ja Dex gemütlich nebenher laufen.“

„Das wäre eigentlich keine schlechte Idee.“

„So nun haben wir den Dreck. Die Autoschlange ist zum Stehen gekommen. Muss jemand pinkeln?“

„Aber Papa, wir sind doch erst seit 20 Minuten im Auto unterwegs,“ meinte Sonja.

„Dann könnt ihr aussteigen und Blumen pflücken.“

„Die sind aber dann welk bis wir ankommen,“ erklärte Sonja.

 

„Schätzchen, schau da vorne, die Autos fahren wieder.“

„Ja, aber das sind bestimmt noch 3 Kilometer. Ich bekomme vor Wut richtige Herzschmerzen.“

„Beruhige dich bitte, der Arzt hat doch gesagt, dass du dich nicht aufregen sollst, sonst bekommst du noch einen Herzinfarkt.“

„Bitte gebe mir meine Beruhigungstabletten.“

„Dann darfst Du aber nicht mehr ans Steuer, so steht es in der Beschreibung. Nun fahre ich.“

„Das hat mir gerade noch gefehlt. Lieber nehme ich keine Tabletten und rege mich weiter auf.“

„Alter Dickkopf! Schau mal wir können schon wieder weiterfahren.“

„Ja, im Schneckentempo. Man muss nur aufpassen, dass wir nicht aus der Kurve fliegen.“

„Witzbold!“

„Papa, schau mal da hinten kommt ein Polizeiauto mit Blaulicht angerast,“ bemerkte Pit.

„Na ja, die Polizei kann mit ihren Autos rasen. Wir Steuerzahler bezahlen dann die Stoßdämpfer.“

Als das Polizeiauto vorbeifuhr, hinterließ es eine gewaltige, große Staubwolke.

„Liebling, schau dir das an. Dieser Depp nimmt keine Rücksicht auf mein Bronchialasthma.“

„Der Fahrer kann ja nicht wissen, dass du Asthmatiker bist.“

„Aber trotzdem fährt man nicht, wie eine angeschossene Sau an im Schritttempo fahrende Autos vorbei.“

„Vielleicht ist ja da vorne ein schwerer Unfall.“

„Nur Frauen können bei dieser Fahrgeschwindigkeit einen Unfall verursachen.“

„Bitte keine Frauenverachtung. Wir können genauso gut Auto fahren wie ihr Männer.“

„Daher gibt es bei der Formel 1 auch nur Pilotinnen.“

„Könnt ihr nicht mal mit eurer Zankerei aufhören, es ist ja nicht mehr auszuhalten.“

„Du hast recht Pit, aber ich will eben auf die saublöden Sprüche deines Vaters antworten.“

 

„Juhu, der Stau löst sich auf,“ bemerkte Sonja.

„Super, dann sind wir bald auf der Autobahn und holen die verlorene Zeit wieder ein.“

„Schätzchen, ich glaube du warst in deinem früheren Leben Busfahrer, der den Zeitplan genau einhalten musste.“

Nun sah man schon die Einfahrtsstraße zur Autobahn.

„Papa, warum fahren die Autos nicht auf dem Autobahnzubringer?“

„Ich befürchte schon schlimmes.“ 

Als die Autobahneinfahrt erreichte wurde, sah man wieder ein gelbes Umleitungsschild.

„Das gibt es doch nicht. Eine Unverschämtheit ist dies. Oder dreht man eine neue Fernsehserie von der versteckten Kamera?“

„Na, ihr Männer, wohl wieder nichts mit eurem full speed. Dafür aber könnt ihr über die schönen Felder sehen.“

„Liebling, ich würde lieber über das blaue Meer blicken.“

„Papi, wann sind wir dort?“ 

„Wenn das so weitergeht, an Weihnachten.“

„Oh Gott, oh Gott.“

„Sonja, dein Vater übertreibt mal wieder. Am späten Abend werden wir bestimmt da sein.“

„Am schwäbischen Meer vielleicht.“

„Wo ist denn das?“ Fragte Sonja.

„Zum Bodensee sagen die Schwaben auch schwäbisches Meer.“

„Fahren wir doch dort hin. Da müssen wir nicht so lange mit dem Auto fahren.“

„Aber Sonja, wir wollen doch ans Meer und nicht an einen See.“

„Wasser ist Wasser,“ sagte trotzig Sonja.

„Mir ist es so langsam auch egal. Ich möchte nicht noch zehn Stunden oder länger in der Kiste hier sitzen und eure Zankerei anhören. Lieber fahre ich mit meinem Schlauchboot auf dem Bodensee,“ meinte Pit.

„Erstens ist dies keine Kiste, sondern eine Luxuslimousine und zweitens wollen wir ans Meer. Damit basta.“

„Entschuldige Papa, es war nicht böse gemeint.“

 

Endlich erreichte man die Autobahn und nun ging es zügig voran, bis Sonja sagte: “Ich muss pinkeln.“

„Jetzt werde ich wirklich wahnsinnig.“

„Schätzchen, da vorne ist die Ausfahrt zur Raststätte Augsburg. Die kommt doch wie gerufen.“

„Mich rufen bald die Engel!“

 

„Papa geht es dir nicht gut? Du siehst so blass aus,“ meinte Pit.

„Schätzchen was ist mit Dir los?“

„Ich habe starke Schmerzen in der Brust.“

„Dann telefoniere ich gleich mal mit Dr. Müller.“

Nach 5 Minuten.

„Was hat er gesagt?“

„Wir sollen sofort ins Klinikum Augsburg fahren.“ 

„Mama fahr bitte du, wenn es Papa so schlecht geht,“ bat Pit.

Nach kurzer Zeit wurde das Krankenhaus erreicht. Dr. Müller hatte bereits im Klinikum angerufen und Dr. Berg erwartete schon den Patienten, der sofort auf die Intensivstation kam.

„Können wir mitkommen?“ Fragte Pit.

„Nein, ihr müsst hier warten. Sobald ich näheres über den Gesundheitszustand weiß, werde ich es euch sofort mitteilen.“ 

Es vergingen zwei nervenzerreißende Stunden für die drei.

Endlich kam wieder Dr. Berg: „Ihr Mann hat einen Herzinfarkt bekommen. Wir müssen ihn heute Nachmittag operieren. Mehr kann ich im derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen.“

Pit, Sonja und Mama fingen zu weinen an.

„Können wir hier warten?“

„Ich denke, es ist besser sie nehmen ein Hotelzimmer. Bis wir genaueres wissen vergehen bestimmt noch 6 bis 9 Stunden,“ erklärte der Arzt.

 

Am Rande der Stadt Augsburg nahm man sich ein Hotelzimmer. Es war jetzt 12 Uhr mittags. 

Die Kinder kümmerten sich um die Tiere. Gaben ihnen frisches Wasser, Leckerlies und unternahmen einen kleinen Spaziergang. Im Hotel waren keine Tiere erlaubt. Durch die ganze Hektik hatte man vor dem Einchecken gar nicht daran gedacht, danach zu fragen.

Als sie ins Zimmer zurückkamen, stand Mama am Fenster und blickte in die Ferne. 

Hunger hatte niemand. 

An der Rezeption des Hotels holte Pit eine Kerze. Sie wurde angezündet und alle drei saßen dann schweigend vor dem Kerzenlicht.

Nach drei Stunden kam endlich ein Anruf von Dr. Berg: „Ihr Mann wird nun operiert. Wir müssen 2 Bypässe legen. In ca. 6 Stunden werde ich sie wieder anrufen.“  

„Kinder, ihr müsst jetzt aber was essen. Ich bestelle, wenn es gibt,  Spaghetti Bolognese und bitte das Essen auf unser Zimmer zu bringen.“

„In Ordnung,“ sagten die Kinder gemeinsam.

„Danach versucht ihr ein wenig zu schlafen.“

„Ja, Mama.“

 

Nach 6 Stunden kam der Anruf von Dr. Berg: „Wir konnten ihrem Mann nicht mehr helfen. Es tut uns sehr leid. Bitte kommen sie ins Klinikum.“

Alle drei weinten. 

„Papa ist gestorben“, sagte immer wieder  Sonja. „Wo ist er jetzt?“

„Sein Geist und Seele ist im Himmel,“ behauptete Pit.

So war es auch. Die geistige Gestalt von Joe lief im Himmel bis er das Eingangsportal erreichte. 

Aber was sah er denn da? 

Ein Schild mit der Aufschrift Umleitung. Also ging er den immer bergab ausgeschilderten Weg. Dann sah er eine große Türe und klopfte. Der Teufel öffnete und sagte: „Na, bist du auch auf meinen Trick hereingefallen mit den Umleitungsschildern?“ 

 

„Liebling, steh bitte endlich auf, der Zug nach Rimini wartet nicht auf uns.“

„Wo bin ich?“

„Du liegst schweißgebadet in deinem Bett.“

„Ich muss einen Alptraum gehabt haben.“

„Das denke ich auch. Im Schlaf hast du ganz deutlich gesagt: Scheiß Umleitung. Ich glaube, der Urlaub wird dir guttun, sonst drehst du wirklich mal ganz durch.“

Immer noch im Halbschlaf fragte er: „Wie kommen wir zum Bahnhof?“

„Aber Schätzchen, du hast doch mit deinem Bruder vereinbart, dass er uns um 7 Uhr mit seinem Auto abholt, uns zum Bahnhof fährt und die Tiere mit sich nach Hause nimmt. Also raus aus den Federn.“

Um 7 Uhr war Peter noch nicht da. 

Pit fragte: „Wann kommt Onkel Peter endlich?“

„Eigentlich müsste er schon da sein,“ antwortete Papa.

Nach 10 Minuten klingelte es an der Türe.

„Guten Morgen,“ sagte Peter, „habe mich ein wenig verspätet.“

„Ich weiß warum, eine Umleitung war der Grund,“ entgegnete selbstsicher sein Bruder.

„Ja, so war es. Aber woher weißt du das?“

„Mein 7. Sinn oder so etwas ähnliches könnte es gewesen sein.“

Alle schauten sich erstaunt an.

 

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