Von Jochen Ruscheweyh
Ich steh vor meinem Marshall-Stack und merk grad mal wieder, dass Ungarisch-Moll ’ne endporno Tonleiter is‘, um sich im „Going up in fives“-Modus aufzuwärmen. Klar, könnt ich mich auch in Dreier- oder Vierer Schritten das Griffbrett meiner Charvel hocharbeiten, aber wie würd Lemmy sagen? Fünf is‘ Trümpf! O.k., vielleicht is‘ das doch eher Hüsker Dü als Motörhead.
Ich komm nich‘ dazu, den Gedanken zu Ende zu denken, weil die Tür aufgeht und mein bester Freund und Basser Teschke mit Freundin Babsi nebst Sackkarre mit zwei Feuerlöschern drauf reinkommt. Während ich Babsi bussel, sieht Teschke bereits Erklärungsbedarf: „Wir haben unseren Dachboden leergemacht, weil wir dämmen und ausbauen wollen. Jedenfalls habe ich diese beiden CO2-Löscher gefunden und dachte, es wäre ganz gut, wenn wir was zur Feuerbekämpfung hier hätten, wenn es mal brennt.“
Ich komm immer noch nich‘ richtig drauf klar, dass Teschke jetzt Großgrund- und Hausbesitzer is‘, aber hey, vielleicht is‘ mein Fehler einfach, in die falsche Family geboren zu sein, so von wegen keine potenten Vorfahren, die mich in direkter Erbfolge … ach, geschissen, zumindest bleibt mein Lohnsteuerjahresausgleich immer schick übersichtlich.
„Wir haben jetzt auf jeder Etage einen separaten Löscher“, bemerkt Babsi und es is’ nich‘ zu übersehen, dass sie‘s ‘n bissi übertrieben findet.
„Ja, cool, stell doch einfach mal da hinten an die Wand!“, sag ich und wärm mich weiter auf.
„Warum gehst du denn in Fünfer-Schritten nach oben?“, fragt Beckmann, der als Nächster die P-Raumschwelle überquert und sich sofort hinter sein Drum-Kit klemmt.
„Weil‘s mich extrem geil und feucht macht!“, antwort ich, weil mir nix Bescheuerteres einfällt.
Beckmann nimmt seine Sticks und stellt fest: „Dann bist du ja sowas wie das Präejakulat des Metal.“
Ich schaff nich‘, ihm ‘n passendes Feedback in Richtung Kit zu schicken, weil unser Shouter Pavarotti, Helen alias die deutsche Helga und Buden-Kurt den P-Raum entern und jeder ‘ne Kiste Stifts am Tragen is’. Logo, Kurt würd nie ‘n anderes Pilsbiergetränk sponsorn, wenn … hmm, irgendwie fehlt mir der Anlass für ’ne Drei-Kisten-Operette.
„Helen und ich sind wieder zusammen“, erklärt der Pave-Man, so beiläufig, als wenn‘s das Normalste von der Welt wär, obwohl Helen ihm vor ’n paar Wochen noch das Sorgerecht für Lonna-Lindsey wegnehmen lassen wollte.
Babsi verdreht zum zweiten Mal binnen weniger Minuten ihre Glubscher und nuschelt was vom Gesetz der Trägheit der Gene, und dass der Arsch seinen Eimer ja jetzt wiederhat. Helen kriegt nur den letzten Teil mit und pöhlt Pavarotti vor‘s Schienbein: „Geil! Die Fette, der ihrn Namen ich vergessen hab, hat gesagt, wir rauchen jetzt ‘n Eimer. Da sind wir dabei, was?“
Der Pave-Man packt sich an seine Kackstelze und mockert los: „Ey, bis‘ du bekloppt? Dat war mein Elfmeter-Bein!“, obwohl Pavarotti grundsätzlich nur von der Couch aus am Fusek partizipiert. Egal, denn dann entdeckt er die Feuerlöscher und brüllt: “Ey, wie porno is‘ dat denn? Gute, alte CO2-Heinze!“
Babsi will sich Helen krallen, aber Teschke legt ihr die Hand auf den Arm und schüttelt den Kopf. Babsi stoppt, wirft Teschke aber einen Blick zu, der irgendwo zwischen visuellem Pearl Harbour und Tschernobyl liegt.
„Ey, Kurt, haste eigentlich noch deinen Wehrmachts-Knipsomaten am Start?“, erkundigt sich der Pave-Man.
„Ich müsste noch einen unbelichteten Film haben, also ja“, führt Kurt aus.
„Top! Wir tun uns ‘n Nebel-Apparatschik bauen und du hältst voll drauf, wenn wir in dem Wabberzeug am Performen sind.“
Kurt ist schon auf‘m Weg, sein Equipment oder vielmehr das, was Pavarotti dafür hält, zu holen.
Ich sag: „Ey, komm, das gibt doch nix, wir warten immer noch auf die Bilder, die Kurt an der Zeche von uns gemacht hat. Lass lieber proben!“
„Weisste wat, Wuttke, du willst immer der Bestimmer sein. Wir sind aber keine Diktatur, sondern ‘ne konstitunelle Monarchen-Band nach englischem Vorbild, da darf jeder ma Chef sein. Und getz bin ich Chef und sach, wir bauen uns den Apparatschik und Kurt“ – Pavarotti versucht ’n Blitz pantomimisch darzustellen, kommt dabei aber rüber wie ‘n Epileptiker auf Crack – „ hält fump! fump! fump! drauf.“
Beckmann macht sich ‘n Graslümmel an und bemerkt: „Dann bist du quasi sowas wie die Sarah Ferguson des Metal, was Pavarotti?“
Ich hör wie Babsi Teschke zuraunt: „Die rote Schamhaarwolle hat er ja schon auf seiner Blitzbirne.“
Ich zuck mit den Schultern: „O.k., Rene“ – ich nenn ihn immer Rene statt Pavarotti, wenn er mir auf ’n Piss geht, weil ich weiß, dass ihm das auf‘n Piss geht – „dann bau. Aber vielleicht solltest du auch mal Teschke fragen, weil der die Dinger nämlich angeschleppt hat.“
„Eigentumsvorbehalt“, bläst Beckmann den Grasrauch gegen die Decke, „juristisch ein ganz heißes Eisen, Pavarotti.“
„Was fickst du meinen Mann an?“, meldet sich Helen, alias die Deutsche Helga.
„Keine Sorge, Schnucki, den kannst du behalten. Er hat dich, ich hab Ibiza“, gähnt ihr Becki entgegen.
„Leute, lasst mal gut sein“, unterbricht Teschke, „es sind doch nur alte Löscher. Wenn Rene eine gute Idee hat, was man damit machen kann, warum denn nicht?“
Babsi verdreht die Augen zum dritten Mal: „Schatz, du bist sowas von männlich, wenn dein Auto-Deeskalator anspringt …“
Kurt is‘ back und hat nicht nur das, was ich an der Zeche als Wirtschaftswunder-Obscura bezeichnet hab, dabei, sondern auch den Bestseller 1000 Tricks, mit denen Sie Ihre Freunde wuschig machen, ‘ne Schweißerbrille und Fäustlinge aus NASA-Material.
Obwohl Helen echt maxi verpeilt is‘, gibt‘s irgendwie diese Connection zwischen uns seit dem Band-Trip nach Costa-Cordalis-Country. Also knall ich mich neben sie auf‘s Söffchen und frag: „Was macht denn euer kleiner Sonnenschein?“
„Die mischt die KITA auf, weil‘s da immer nur Fischstäbchen gibt und damit bewirft sie die Erzieher-Ollen. Ey, jetzt mal echt, Wuttke, Fischstäbchen sind überlebensgroß. Ich könnte jeden Tag welche essen. Was stimmt nicht mit der?“
Ich nick, obwohl ich‘s mir nicht vorstellen könnt, jeden Tag Pressfischabfälle zu futtern.
„Nehmen Sie sich einen handelsüblichen Kissenbezug, der schmutzig werden darf und fixieren Sie diesen mit Klebeband an der Düse des Löschers“, liest Kurt so langsam vor, wie halt Legastheniker lesen.
Helen is‘ multitasking-fähig, grabscht sich ’n Kissen und schmeißt’s ohne sich umzugucken hinter sich, während wir weiterquatschen.
„Was sagste eigentlich zu meinen Titten?“, will Helen plötzlich wissen, nimmt meine Hand und schiebt sie – für die anderen wegen der Söffchenlehne halb verdeckt – unter ihr Bundeswehr-Longsleeve. „Prall, was?“
Statt meine Hand sofort wegzuziehen, werf ich ’n Safety-Blick über die Lehne zu Pavarotti rüber, der mit Beckmann, Kurt, ‘ner Rolle Gaffa-Tape und dem Kissenbezug zugange ist. Obwohl ich 10000 pro nix mit Helen anfangen würd, is‘ das für ‘ne Mikrosekunde auf ‘ne verdrehte Art irgendwie top erotisch. Ich guck sie an und bin plötzlich im Bild. Aber sowas von.
„Du bist wieder schwanger von Pavarotti?“
Jetzt ist es sie, die nickt.
Ich sag: „Hey, das is’ super!“, obwohl ich denk, dass das alles andere als super is‘ und dass sie vielleicht erstmal die Fischstäbchen-Sache klären sollten, will Helen aber trotzdem umarmen, wobei ich merk, dass meine Hand noch … Scheiße, bin ich ein Asi. Ich zieh sie umständlich raus, grad noch rechtzeitig, bevor der Pave-Man zu uns rüberglotzt und ruft: „Ey, dat is‘ voll dat Feeling wie mit 14, die ganze Ladung ins Kissen.“
‘ne Viertelstunde später hat sich irgend ‘ne weiße Klumpenmatsche im Kissenbezug abgesetzt, von der Kurt und Pavarotti behaupten, es wär Trockeneis. Trotzdem fehlt noch ‘n adäquates Behältnis mit Wasser, um das Eis zum Nebeln zu bringen, meint Kurt.
Also verpieseln sich die beiden. Dafür kommt Schröder, zwar ‘ne halbe Stunde zu spät, aber immerhin, schultert seine Flying V, fährt seinen Amp hoch und stimmt laut durch. Nervfaktor 11.
Ich sag zu Helen: „Ich hoff echt für euch, dass ihr das hinkriegt. Also, wenn was is‘, Steffi und ich können sicher mal auf Lonna Lindsey aufpassen, wenn ihr so ‘n Kurs zusammen machen wollt oder so.“
Und Helen: „Ey, Wuttke, ich weiß, dass mein Leben die totale Katastrophe is‘, aber ab und zu sagen Leute mal nette Sachen, wie du jetzt gerade und dann denk ich, so scheiße bin ich doch gar nicht.“
Ich sag: „Ey, Helen, du hast vielleicht nich’ die besten Startvoraussetzungen gehabt, aber du managst das doch ganz cool mit Lonna Lindsey und den ganzen Ämtersachen. Und vielleicht bleibt irgendwann noch ‘n bissi Zeit übrig, dass du mal was für dich machen kannst.“
Helen knutscht mir die Backe, nee, die Wange und ich krieg ‘n noch viel schlechteres Gewissen, nich’ wegen der Hand-Aktion, sondern wegen dem, was ich dabei gedacht hab, aber bevor ich noch was feedbacken kann, sind Kurt und der Pave-Man back from inside the bunker und ey, haben echt original die lange Aluschale aus der Bunkerpissrinne abmontiert. Pavarotti kippt kurz ‘n Eimer Wasser rein, während Kurt sich seinen NASA-Handschuh überstülpt, in den Kissenbezug greift und das Bröselzeug rausholt.
„Ey, Alter getz pass auf!“, leitet Pavarotti ein, wobei ich mich frag, wer jetzt genau der Alte sein soll.
Es zischt kurz, als die komische Masse ins Wasser eintaucht. Und das war‘s dann.
„Der Urin-Stein muss die Reaktion beeinflusst haben“, resümiert der Buden-Kurt.
Weil das irgendwie ‘n amtliches Schlusswort is‘ und ich eh keinen Bock hab, mich weiter mit der Grütze zu beschäftigen, denk ich kurz drüber nach „Anarchy in the UK“ anzuspielen. Da der Pave-Man die Ironie aber eh nich’ kapiert, zock ich stattdessen das Opener-Riff von “Narcoleptic Sleep“. Babsi klettert zu Helen auf’s Söffchen, bleibt aber auf Sicherheitsabstand. Dann steigt erst Schrö ein, danach Teschke und Becki. Und zum Schluss der Pave-Man himself.
O.k. hätten wir eher haben können.
Is’ eben der Nachteil von ’ner konstitunellen Band-Monarchie. Ey, der Spruch is‘ so beknackt, den stick ich in unseren Klorollen-Schoner zu Hause.
Oder das mit dem Urin-Stein.