Von Ingo Pietsch
Angenehme Wäre schlug Jared und Fiona entgegen, als sie in das griechische Restaurant gegangen waren und an ihrem Tisch Platz genommen hatten.
Fiona stand einen Moment da, bis Jared die Einladung, ihr den Stuhl zurechtzurücken verstanden hatte.
Sogleich kam die Kellnerin mit zwei Ouzo und den Speisekarten heran.
Jared winkte ab: „Danke, für mich nicht.“
„Stopp, ich nehme beide. Mein Mann muss noch fahren“, sagte sie und blickte ihm dabei tief in die Augen.
Jareds Augenbrauen zuckten hoch, als glaubte er, Blitze in ihren Augen zucken zu sehen. So kannte er sie gar nicht.
„Was darf es zu trinken sein?“, fragte die Kellnerin, die Jared einen Hauch zu freundlich anlächelte, wie Fiona fand.
Jared erwiderte das Lächeln.
„Für mich bitte eine Fanta.“
„Und für mich eine Traubenschorle.“ Leicht aufgebracht begann Fiona in ihrer Karte zu blättern.
Sie schauten sich die Gerichte an und legten die Karten beiseite.
Einen Moment lang schwiegen sie und lauschten Musik im Hintergrund.
„Und, was hast du gewählt?“, wollte Jared wissen.
„Ich nehme den Lachssalat und du?“
„Die Geflügelplatte. Das Schwein vertrage ich nicht so gut, obwohl ich es gerne esse.“
„Ich sage dir doch dauernd, dass Schwein nicht gut für die Leber ist.“
„Ja, vermutlich hast du Recht. Wie immer.“
„Was heißt, wie immer?“, Fiona merkte, wie ihr Herz bis zum Hals schlug.
Jared versuchte ihrem Blick Stand zu halten, konnte es aber nicht.
„Weil du mich ständig mit Gesundheitstipps bombardierst.“
„Du hast doch selbst gesagt, dass du mehr Fitness machen und abnehmen willst.“ Fiona schaute auf seinen Bauch. Jared war zwar nicht übergewichtig, seine Muskeln waren einfach nur falsch verteilt.
„Und du jammerst andauernd rum, wie alt und faltig du geworden bist, obwohl du immer noch wahnsinnig attraktiv aussiehst“, den zweiten Teil des Satzes hatte mehr geflüstert, um ihm mehr Ausdruck zu verleihen.
„Du schmeichelst mir nur, damit ich nachher mit dir schlafe.“
Beleidigt lehnte sich Jared zurück und nippte dabei an seiner Fanta. „So, wie du es sagst, ist es eher eine Strafe für dich.“
„Das sollte jetzt nicht falsch rüberkommen“, sagte sie beschwichtigend, „aber ich habe meine Tage gestern bekommen. Wenn dir ein bisschen Blut nichts ausmacht, ist es kein Problem.“ Auch sie sehnte sich nach Zweisamkeit.
Die attraktive Kellnerin holte die Karten wieder ab und nahm die Bestellung auf.
Jared versuchte ihr nicht hinterherzusehen.
„Das junge Ding sieht gut aus. Glatte Haut, bestimmt kein Hängebusen oder Schwangerschaftsstreifen.“ Drei Kinder hatten ihre Spuren hinterlassen.
„Ich bin ja nicht blind, aber ich liebe nur dich.“ Jared merkte sofort, dass das die falsche Antwort gewesen war.
Fiona hatte sich auf diesen Abend gefreut und gleichzeitig Angst gehabt, dass er so verlaufen würde.
In den letzten Monaten hatte sich Jared immer mehr zurückgezogen und völlig unnötige Überstunden gemacht.
Das Gleiche empfand Jared. Fiona war mit einem Coaching-Kurs und Selbstfindungstrip so in ihr Leben verstrickt, dass sie ihn gar nicht mehr bemerkte und er sich nur noch wie eine Haushaltshilfe fühlte, die als Belohnung ein Mal im Monat Sex bekam. Wenn Fiona nicht Kopfschmerzen hatte oder der Tag anstrengend oder Vollmond war.
Sie meinte auch, sie könne nur in Stimmung kommen, wenn sie vorher redeten und sie dann entspannt war.
Das mochte ja alles sein. Er erwartete auch nicht, dass sie auf Knopfdruck Lust bekam. Aber nicht einmal ein flüchtiger Kuss und einfaches Berühren waren noch drin.
Er kam ihr so gut es ging entgegen und entlastete sie mit den Kindern und dem Haushalt, damit sie alle Freiheiten hatte, die sie brauchte.
Aber es schien beinahe so, was beide nicht wahrhaben wollten, dass sie sich auseinander gelebt hatten.
Fiona sehnte sich nach einem Mann, der nicht nur zuhörte, sondern auch seine Gefühle mit ihr teilte. Nur so konnte sie sich öffnen. Sie hatte eine schwere Kindheit und Jugend gehabt, die sie jetzt nach und nach verarbeiten musste und wollte.
Die Bestellung kam und sie aßen schweigend, da sie wussten, dass der Abend gelaufen war.
„Hast du eine Affäre?“, fragte Fiona ohne zu zögern, nachdem sie fertig war und die Traubenschorle geleert hatte.
Jared wartete einen Augenblick zu lang und äußerte sich ausweichend: „Wie kommst du darauf?“
„Warum bist du immer länger im Büro? Und wo bist du? Ich habe dich abends einmal besuchen wollen und du warst nicht da.“
„Ja, das stimmt, ich bin nicht immer im Büro geblieben, weil ich noch anderweitig zu tun hatte.“
„Weil du ein Verhältnis mit deiner Sekretärin hast. Die ist genauso ein Flittchen, wie diese Kellnerin, der du immer so hinterherstarrst.“ Fionas Stimme hatte eine Tonlage erreicht, die unangenehm wurde. „Ich habe ihr Parfüm deinem Hemd gerochen, bevor ich deine widerwärtige Dreckwäsche gewaschen habe.“
Jared war eigentlich zum Lachen zumute. Schon ein paar Monate war er abends länger weg. Er wollte die Sache klarstellen, aber Fiona war jetzt gerade zu angespannt.
So, als hätte die Kellnerin gehört, dass sie gemeint gewesen wäre, kam sie zum Tisch und räumte ab.
„Wir möchten zahlen“, herrschte Fiona die junge Frau mit einer Grimasse an, die sie irritiert wieder verschwinden ließ.
„So, Enola Holmes, jetzt werde ich dir mal etwas über dich verraten: Mit deinem egoistischen Gehabe, deine Ganzheit zu finden, bringst du die Familie auseinander. Ständig malträtierst du uns mit deinen Guru-Weisheiten, die du irgendwo im Internet aufgelesen hast. Und außer reden und eine paar erzwungenen Streicheleinheiten, läuft zwischen uns auch nichts mehr. Du willst gar keine Zeit mehr mit mir verbringen, weil du sonst aus dem Gleichgewicht gerätst. Wahrscheinlich fährst du zu gar keinen Mentoring-Veranstaltungen, sondern triffst dich heimlich mit einem Yoga-Lehrer.“
Eigentlich wollte Fiona aufspringen und einfach zur Tür hinausgehen. „Woher weißt du, dass ich einen Yoga-Lehrer habe?“
Jared spielte mit seinem Tisch-Set und sah verlegen auf seine Finger. „Weil ich Angst um unsere Ehe hatte und dir einmal heimlich gefolgt bin.“
Fiona blieb ausnahmsweise gelassen, obwohl es in ihrer Schläfe pochte.
„Nachdem ich deine Sachen auf weitere Indizien auf einen Seitensprung durchsucht hatte, war ich voller Sorge in dein Büro gefahren. Wahrscheinlich wollte ich es nicht wahr haben und musste es selbst sehen. Aber ich war auch nicht ehrlich zu dir.“ Fiona war kleinlaut geworden, obwohl beide nichts offenbart hatten.
„Da wir beide jetzt die Wahrheit über uns kennen, denke ich, dass wir das Zuhause weiter klären sollten.“
Die Kellnerin kam mit der Rechnung und Fiona zahlte. Sie überlegte, kein Trinkgeld zu geben entschied sich aber großzügig zu sein.
„Danke, Nikki“, verabschiedete Jared sich von ihr.
„Immer wieder gerne“, sagte sie und schob ihm noch einen Umschlag zu.
Fiona liefen die Tränen über die Wangen und sie war bewegungsunfähig.
„Hast du auch was mit ihr gehabt?“, fragte Fiona enttäuscht.
„Bevor wir dies alles klären, möchte ich dir das zum Hochzeitstag schenken. Und ich bin dir eine Entschuldigung schuldig. Vielleicht ist es jetzt zwar eher unpassend, aber öffne bitte den Umschlag trotzdem“, erklärte Jared ruhig und bestimmt.
Fiona konnte kaum etwas sehen, als sie den Brief aufriss. „Sind da Scheidungspapiere drinnen?“
Ungläubig legte sie den Inhalt auf den Tisch.
Jared lächelte: „Zwei Wochen Griechenland. All inclusive. Mit Fahrten, Vollpension und Wellnesspaket. Ich habe die Überstunden vorgegaukelt, damit mich Nikki persönlich beraten konnte, denn sie kommt aus Griechenland und arbeitet auch nebenbei in einem Reisebüro. An mehreren Abenden, damit es nicht so auffällig war. Und meiner Sekretärin habe ich deswegen früher frei gegeben, bei voller Bezahlung. Sie hat sich aus Versehen mit einer Umarmung bei mir bedankt. Da läuft nichts zwischen uns.“
Fiona lachte vor Freude und Scham gleichzeitig.
„Weißt du eigentlich, warum ich Yoga mache? Weil ich für dich gelenkiger sein möchte. Du wünschst dir Dinge von mir, dich ich im Moment körperlich und geistig nicht leisten kann. Ich fühle mich in meinem Körper einfach nicht mehr wohl. Und ich habe aus meiner Vergangenheit noch einiges aufzuarbeiten, das ich akzeptiert, aber noch nicht ganz überwunden habe. Das braucht noch seine Zeit und lässt sich nicht so einfach abhaken. Für mich ist Kommunikation etwas, dass mich vergessen und überwinden lässt. Es tut mir leid, wenn du so darunter leidest.“
Jared nahm Fionas Hände und sagte mild: „Wir gehen jetzt nach Hause, kuscheln uns ins Bett, reden über diesen völlig misslungenen Abend und lachen hoffentlich darüber.“
Fiona wischte sich die Tränen weg: „Mal schauen, was aus dem Abend noch wird.“
V2
