Von Jochen Ruscheweyh

Die Diskussion findet ’n jähes Ende, da Keisha und ihre Schwester Ruby justamentens reinmarschiert kommen.

„Ey, wer hat die denn eingeladen?“, aggrot Pavarotti Richtung Schrö, „Dat is‘ ‘n bandinternes Dingens.“

Keish guck mich aus ihren kleinen Schokoleichentorten-Augen an und sagt:

„Gehör ich nicht zur Band, Wuttke?“

 

O.k., auch wenn ich mich raushalten wollte und es monsterpraktisch gewesen wär, wenn die anderen vier Mal pro Pavarotti und damit contra Keisha entschieden hätten, lässt mir die Queen von Jamaica keine Chance, den Schweizer raushängen zu lassen.

Klar, könnt ich sagen:

„Sorry, Keish, aber du warst nur ’ne Übergangslösung und jetzt verpiss dich und hör auf, mich zu stalken.“

Aber natürlich hat ihre Eminenz das supi eingefädelt, mich direkt und dann noch auf meiner Emo-Ebene anzusprechen. Und bei mir Assoziationen zu angefahrenen Rehen, halb verhungerten Robben und ausgesetzten Welpen ausgelöst, bevor ich in mein Alter Ego Wuttke, the Frost schlüpfen konnte.

„Wuttke?“, schneidet sich jetzt auch Rubys Stimme in meine Eingeweide.

Und so psycho mein Verhältnis zu Keisha auch sein mag, Ruby is’ gefühlt mein weiblicher Teschke, also my best friend, auch wenn sie kein Bass spielt. Und ’ne Entscheidung gegen Keish is’ damit irgendwie auch eine gegen Rub.

Ey, so ein Fuck.

 

„Clark Kent, ich frage Sie jetzt unter Lügendetektor-Überwachung: Sind Sie Superboy?“ … denk … grübel … ratter … „Nein, Herr Professor.“

 

Yeah.

Und so wie Clarky Boy in der finalen Sekunde eingefallen is‘, dass er nich‘ Superboy, sondern inzwischen Superman is‘, er also kein Scheiß labert, wenn er nein sagt, knall ich in das Proberaum-Zeitkontinuum:

„Ich denke, wir sind alle zu nah dran. Lasst uns das die Audience auf ’nem Gig entscheiden lassen.“

Ich hab zwar keinen Plan, wie das praktisch aussehen soll, aber drauf geschissen. Da soll erstmal jemand gegen anfarzen, will meinen: ’ne geilere Solution auffahren.

Gott, wenn ich mir so beim Denken zuhör, klingt das echt professionell und ich könnt quasi sowas wie …

Beckmann unterbricht meine Selbstklausur:

„Wenn man dir so beim Labern zuhört, dann könntest du sowas wie dein eigener Rattenfänger von Hörde sein.“

Bevor ich ‘ne standardmäßige Replik abfeuern kann, meint Keish:

„Okay. Ich nehm die Challenge an.“

Und Pavarotti in Anspielung auf Keishas gelb-schwarzes Tank-Top:

„Dat Dingen verlierst du, Grufte Maja, die Kids lieben mich.“

Ich beende den Shit, indem ich sag:

„Ey, jetzt kommt beide mal wieder runter, ich besorg noch ’n Mikro von der Hippie-Combo aus der zweiten Ebene und dann fangen wir endlich mal an zu proben, o.k.?“

 

Am Tag nach dem Tag, von dem gerade die Rede gewesen is’ – um Mal ’n hypergeiles Grimpel-Zitat einzuflechten -, bin ich geflashed, dass ich das noch erleben darf: Pavarotti lädt zum Essen ein!

Also, nich‘ jetzt so konkret mit Ausgehen, Schickmachen, Restaurant, Zeche übernehmen und fett Trinkgeld geben, sondern in seine und Helens Hütte.

Oder wie Beckmann immer sagt, der mit Regelsätzen vom Amt komplett durchfinanzierte Sozialbaumaulwurfshügel, weil’s überall im Treppenhaus so wirkt, als hätt sich grad so‘n pelziger Stevie Wonder irgendwo durchgegraben.

„Ich hab mal ‘n paar Mädels vom BDM zum Flurputzen angefordert, wollte das Amt aber nich’ bezahlen“, blökt Helen uns vom oberen Treppenabsatz entgegen.

Ich leg meine Hände auf Schrös Schultern und massier schon mal prophylaktisch seine bevorstehende Transformation in den autonomen Hulk weg:

„Komm, Champ, eine Runde Jägerhackbraten mit deutschen Untertiteln, das stehst du durch.“

Schrö gibt irgend ‘n Laut wie „Grmmmpf“ von sich und dass er sich vorkommt, als müsste er die Stufen zum Kehlstein hochsteigen.

In guter alter SozPäd-Tradition sag ich:

„Dann halt das Gefühl mal fest und steck‘s dir in den Arsch, weil ich hab keinen Bock, den ganzen Abend wieder auf Band-Mediator machen zu müssen.“

Sagen wir mal so: Pavarottis Einlade is‘ jetzt wohl nich‘ das Produkt seiner Über-Selbstlosigkeit, sondern 100 pro ’n taktisches Manöver, die ungeklärte Frage des Gesangsposten bei Deathtroja doch noch endgültig zu seinen Gunsten zu entscheiden, ohne sich mit Keish on stage battlen zu müssen.

Zumindest aus seiner schrägen Denke raus gesehen.

Trotzdem, die Stimmung is‘ relativ Granate für ‘n Kerle-Donnerstag-Abend.

Und … angesichts der Tatsache, dass der Pave-Man in „Kiss the cock“ – Schürze tatsächlich nur Jägerhackbraten auftischt, also keine Kartoffeln, Nudeln, Gemüse oder von mir aus auch Tacco-Chips.

Und … dafür, dass das Verhältnis Toast zu Hack im Jägergerät 4:1 beträgt.

 

Schrö is‘ am Schmatzen, als gäb‘s kein Morgen.

Helen irgendwann auf dem Weg in die Küche:

„Ey, wenn der Schäferköter von meinem Dad sich die Eier leckt, hört sich das genauso an.“

Darauf Schrö zu Pavarotti in Anlehnung an Helens Krieg der Sterne – Shirt:

„Das Imperium spielt verrückt.“

Und Pavarotti:

„Nee, dat Imperium hat seine Tage.“

O.k. Ich mach vielleicht auch manchmal ‘n kack frauenfeindlichen Spruch, find‘s aber grad voll deplatziert, weil ich mal 100pro davon ausgeh, dass Helen bei der Toast-Hack-Kombi den Jägerhut aufhatte, sprich: das falsche Häschen in der Pfanne geröstet hat und Pavarottis Variante auch rein biologisch Bullshit is‘.

Ich komm aber nich‘ dazu, was zu feedbacken, weil die Türklingel geht, der Pave-Man sich lehnsherrenmäßig aus seinem Poco-Schwingstuhl erhebt und hinlatscht.

 

Wir sitzen mit ziemlich offenen Fressen da, als Pavarotti ’n Moment später mit Keisha im Arm wieder in der Tür steht und er mit: „Boah kuck ma, ham sich die Schaufensterpuppen gerade bewegt?“ auf unsere Konsternisierung anspielt.

Selbst Schrö kann sich nur ‘n „What the fuck?“ rauspressen, denn wie‘s aussieht, is‘ er derjenige, der seine Perle wohl am wenigsten hier erwartet hätte.

„Als Voice der Band bin ich am Meinen gewesen, dat es am besten is’, wenn ich ma so von Mann zu Mann mit unser Frau Jamaica quatschen tu. Und wisster wat? Wir ham festgestellt, dat wir gar kein Prob mit‘n‘ander ham. Nee, wir ergänzen uns zu 180%, wat, Keisha?“

Ich versuch in Keishs Blick zu lesen, als sie uns aufklärt:

„Jah will nicht, dass wir eine hevi ches haben, wo musikalisch soviel Elektriziti zwischen uns fließt.“

 

Ey, ich hab keine Ahnung, was hier abgeht, aber die religiöse Nummer nehm ich Keish ebenso wenig ab wie den schwere Brust – Scheiß.

Und auch Teschke, Schrö und der Beck-Boy sehen nich‘ wirklich überzeugt aus.

Ich sag:

„Hey, super, dann sind die Deathtrojan Harmonists ja wieder united“, nehm meinen Teller und watschel zu Helen in die Küche rüber. Grad noch rechtzeitig, um mitzukriegen, wie sie mit ‘ner Flitsche erst den Fußboden vor der Spüle und dann die Arbeitsplatte abzieht.

Na, happy E-Coli!

Ich versuch‘s zu verdrängen und sag:

„Na, Helen, alles im Lack bei dir?“

Sie lässt sich auf‘n Stuhl plumpsen und steckt ihren schon kräftig sichtbaren Bauch raus.

„Geht so, zumindest muss ich diesmal nich‘ so oft kotzen. Aber davon abgesehen: Für mich bleibst du für immer mein Lieblingskotzhelfer“, meint sie in Anspielung an die legendäre Nacht auf unserem Greco-Band-Trip, wo sie mir ihr kleines Helen-Heart ausgeschüttet hat und Dimitri sich nachher die Kotzschüssel über den Balg.

Ich werf ihr ’ne Kusshand zu und sag:

„Ey, Helen, mal was anderes, was is‘ ‘n das für ’ne Schmusikurs-Nummer von deinem Kerl von wegen keine Differenzen mit Keisha?“

„Boah, ey, der Typ geht mir schon seit drei Tagen mit seinem Masterplan auf die Eier.“

„Und wie soll der aussehen?“, frag ich und lass dabei Spülwasser ein.

„Er hat ‘n paar Jungs instruiert, auf euern nächsten Gigs aus‘m Publikum gegen Keisha zu stänkern.“

Gut, der Spülschwamm löst sich beim Tellerschrubben in logische Bestandteile auf. So ähnlich wie Pavarottis Hirn, weil, dass die Nummer funktioniert, glaubt er doch wohl selbst nich‘.

„Und … findst du das o.k.?“, frag ich nach.

Helen gähnt und feedbackt:

„Er muss wissen, was er da macht. Aber ich glaub, mit ’ner Pimmelverlängerung hätt er mehr Chancen beim Publikum, als wenn er irgendwelche Bolschewiki-Ex-Kollegen aus seinem ex-Hafen-Schrottpuff mit Wodka für Sabotage bezahlt. Aber das kriegste in dem seinen Scheisskopp ja nich‘ rein. Ach, kannst du auch hinter der Spüle putzen? Da is‘ so harter angetrockneter Katzenmampf. Dank dir, Wuttke!“

Ich wiener die Moppelkotze da weg und muss irgendwie dran denken, als mein Zivikumpel Stippe mal bei so‘ nem Slam angetreten is‘ mit seinem Text „Die Dekade des Mortadella-Muffs“.

„Und … was meinste“, frag ich, „kriegt ihr ‘n Zack 2 oder ’ne Zackeline?“

Helen rülpst.

„Schulle, sollte n’ Ave Maria werden, weil der Fruchtbarkeitsgott meinem Kerl seine Klöten gesegnet hat, aber die Luft hat nich‘ gereicht. Beides.“

„Ey, Helen, ich weiß grad nich‘ was ich sagen soll. Komm her!“, sag ich paradoxerweise dann doch was und geh entgegen meiner Ankündigung zu ihr hin und umärmel sie so maxi, wie ich kann, weil ich mich grad etwas hilflos fühl.

„Gut, dass wir keine Drillinge kriegen.“

Ich weiß nich‘, ob ich dazu was sagen will oder kann. Also halt ich die Fresse, quetsch sie weiter und hoff, dass es plöpp macht, Mutter Beimer vom Himmel fällt und mir irgend ‘n geilen Sinnspruch souffliert.

Und Helen:

„Weil ich nur zwei Titten hab, das dritte würd verdursten.“

 

 

Ich komm grad noch rechtzeitig ins Wohnzimmer, als Pavarotti Keish fragt:

„Ey, wat bestellt der Grufti auf‘m Fischmarkt?“

Peinliche Silencio.

Und Pavarotti:

„‘n Mollrops.“

Noch mehr peinliche Silencio.

„Versteht‘er nich, wat? Na, Moll-Tonart wegen Grufti-Depri-Sound.“

Ey, ganz ehrlich, Keish is‘ mir maxi auf‘n Sack gegangen, aber das hat sie nich‘ verdient, auch wenn ich ihre Motivation, Pavarotti zu woodstocken, nich‘ kapier.

Ich beug mich runter und sag:

„Guckt mal, die Schaufensterpuppe hat sich bewegt.“

Dann zieh ich am Teppich, so dass der Paveman ’n gepflegten Abflug gegen seine Gelsenkirchener Barock – Schrankwand macht. Etwas Dynamik für unsere Melting Pot – Situation und zumindest ‘ne Mini-Sanktion, dafür, dass Helen das Ganze zum zweiten Mal und doppelt durchmachen muss.