Von Rebecca Weber

Als er das erste Mal auf dem Markt bei uns arbeitete, war er 15. Man sah ihm aber bereits an, dass aus ihm einmal ein attraktiver Mann werden würde. Das ist nun drei Jahre her und noch immer sind wir Kollegen. 

Wir verstehen uns gut. Anfangs, als er bei uns anfing, sah ich in ihm den kleinen Bruder, den ich nie hatte. Er ging mir auf die Nerven, ich ärgerte ihn und so vertrieben wir uns jedes Wochenende die Zeit zwischen Gemüse und Kunden.

Nachdem ich mich von meinem Exfreund und er sich von seiner Freundin getrennt hatte, wurden wir Kuschelfreunde. Wir schauten Filme zusammen und kuschelten, wie Geschwister oder gute Freunde es eben tun. Denn wir beide vermissten die Nähe unserer Expartner, auch wenn wir die Partner dahinter nicht vermissten. 

Dann wurde er älter und wir tranken zusammen. Machten Unsinn und dummes Zeug, wie das eben so ist wenn man mit Freunden unterwegs ist. Ich wollte alleine bleiben, ohne Kompromisse mein Leben leben und in meiner Karriere durchstarten. Wollte reisen und die Welt sehen. Die Welt begeistern und meine Leidenschaften ausleben. Doch dann gestand er mir seine Liebe. 

Und ich liebte ihn auch. Denn auch wenn wir wie Geschwister waren, waren wir es dennoch nicht. Und wir küssten uns, wieder und wieder. Doch ich wollte alleine bleiben. Mich nicht an jemanden binden. Mein Leben in vollen Zügen genießen. Alkohol, Sex, Drogen und vieles mehr erleben. 

Er übernachtete nun regelmäßig bei mir. Tagsüber waren wir Freunde und Geschwister. Doch nachts spürte ich seinen warmen Atem auf der Haut. Spürte seine Küsse auf meinen Brüsten, meinem Bauch und auf dem Rest meines Körpers. Ich konnte nicht genug von ihm kriegen. Denn wir waren mehr als Freunde, mehr als Geschwister und mehr als Partner. Er war mein Seelenpartner, meine zweite Hälfte. Wir verstanden uns blind, verstanden uns ohne Erklärungen. Doch er war so viel jünger als ich. Und ich wollte allein bleiben.

Wir wurden erwischt, als wir uns küssten. Wieder und wieder. Und unser Umfeld war schockiert oder sogar angewidert. Schließlich war ich ein paar Jahre älter als er. Doch wir konnten es nicht lassen. Er zog mich magisch an, schon seit dem ersten Kuss. Wenn wir uns küssten, sah ich ihn und mich, in ferner Zukunft, Seite an Seite stehen. Eigentlich konnte ich mir ein Leben mit Heirat, Haus und Kindern nicht vorstellen. Doch mit ihm sah ich es vor mir. So real, als könnte ich das Bild in meinem Kopf berühren. 

Er fragte mich, ob ich für immer Sein werden möchte. Doch ich verneinte, dabei wollte ich es so sehr. Doch ich wollte auch das Leben, das ich in Partnerschaft nie haben könnte. Ich wollte ihn, doch noch nicht jetzt. Wollte für immer ihm gehören, doch erst später. Ich warnte ihn, dass ich ihn verletzen würde. Doch er wollte warten. Warten, bis ich bereit für uns war. Und so lief es weiter, er war nur nachts mein Gefährte.

Doch dann verletzte ich ihn. Betrog ihn, auch wenn wir nicht zusammen waren. Teilte die Nähe, die wir hatten, mit einer anderen. Und er begann, sich vor mir zu schützen. Schrieb mir nur noch selten zurück. Blieb nicht mehr über Nacht. Verschloss sein Herz, um nicht noch mehr Schaden von mir zu nehmen. 

Doch ich vermisse ihn. Vermisse die Zeit, die wir gemeinsam hatten. Vermisse seine Nähe, seine Küsse und seine Art. Keiner versteht mich, wie er es tut. Denn nun sind wir wieder Freunde. Freunde, die sich nicht täglich sehen. 

Ich bin eifersüchtig, denn ich weiß nicht, ob er jemanden kennenlernt. Versuche, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen, und sei es nur für kurze Zeit. Will wissen, was er tut und mit wem er ist. Meine Gedanken kreisen um ihn, wenn er sich nicht meldet. So kenne ich mich selbst nicht. Der Spieß hat sich gewendet. Nicht er ist es mehr, der sich ständig meldet. Der meine Nähe sucht und alles zum Anlass nimmt, um persönlich vorbeizukommen. Der eifersüchtig ohne Grund ist. Den es fast wahnsinnig macht, nicht zu wissen was ich tue.

Ich hasse es, so zu sein. Doch ich kann nicht seine Partnerin werden. Noch nicht. Ich bin zu alt für ihn, er besucht noch die Schule. Es sind nur ein paar Jahre, doch sie sind im Moment noch wie Welten, die zwischen uns liegen. Ich würde ihn gerne freigeben, ihn sein Leben genießen lassen, doch ich kann es nicht. 

Manchmal, da sucht er meine Nähe. Er streift mir über den Rücken, umarmt mich von hinten und gibt mir seine Jacke. Doch wir sind nur Freunde.  Wir lachen zusammen, haben Spaß und machen uns die Arbeit erträglicher. Vielleicht ist da mehr zwischen uns. Denn wir sind Seelenpartner. Vielleicht. Irgendwann vielleicht. 

 

Vielleicht in einer gemeinsamen Zukunft.