Von Aniella Benu

 

Ich hatte Beatrice versprochen, dass wir heute Käsekuchen backen würden.

»Wann fangen wir endlich an?«, drängelte die quirlige Dreijährige an meiner Seite.

Ich war froh, dass sie wieder vergnügt war und sich auf unsere Vorschläge einließ. Das sah vor einigen Wochen noch ganz anders aus.

Seit Lilly nicht mehr bei uns war.

Beas Trauer darüber war herzzerreißend.
Seitdem versuchten wir, sie so gut es ging abzulenken.

 

»Gleich, wenn wir die Küche wieder sauber haben, können wir anfangen, Bea. Hilfst du mir dabei?«

Kichernd nickte meine Kleine und stob erstmal von dannen.

Soviel zum Helfen, dachte ich und musste lachen.

Mein Mann Wulf steckte den Kopf durch die Türöffnung.

»Brauchst du noch Hilfe?«, fragte er.

»Nein, Schatz. Dauert nicht lange, dann ist sie wieder hier zum Naschen.«

Aus dem Wohnzimmer hörten wir, wie Bea mit ihrer Puppe Katrin sprach.

Wir grinsten uns an.

Ich räumte die Reste vom Frühstück in den Kühlschrank und wischte den Tisch ab.

»Läuft. Hast du ein Auge auf sie?«

»Selbstverständlich«, gab mein Mann nickend die gewünschte Antwort und verschwand wieder.

Zufrieden bereitete ich alles vor für den Käsekuchen, bevor ich Bea zu mir rief.

Danach waren wir beschäftigt.

Begeistert half sie mir beim Teig rühren und wider Erwarten blieb sie konzentriert dabei. Ich musste lächeln, als sie angestrengt die Zunge zwischen den Lippen festklemmte. Ein Zeichen, dass sie voll bei der Sache war.

Endlich stand die Kuchenform im Backofen.

»Ich räume hier noch auf. Du darfst schon zu Papa gehen. Wer so fleißig mithilft, darf jetzt auch spielen gehen. Gut?«

Bea nickte mich strahlend an.

»Können wir den dann gleich essen?«, fragte sie nach und schaute in gebührender Entfernung sehnsüchtig durch die Backofenscheibe.

»Wir müssen ihn nach dem Backen noch abkühlen lassen. Aber ich denke am Nachmittag können wir uns schon ein Stück gönnen.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und war erstmal zufrieden.

~

Nach unserer üblichen Mittagsruhe saßen wir gemeinsam am Tisch und spielten ein Brettspiel. Barrikade mochte Bea besonders gern.

»Ich muss mal«, verkündete sie mitten im Spiel stolz. Seit Neuestem konnte sie das schon ganz allein.

Geduldig warteten wir bis sie mit allem fertig war.

Kaum saß sie wieder auf ihrem Platz läutete es an der Haustür.

 

Wulf und ich sahen uns fragend an, während Bea schon wie der Blitz in den Flur flitzte.

»Mach nicht einfach die Tür auf, Bea«, rief Wulf ihr noch nach, aber natürlich hatte sie schon die Klinke bedient.

»Erkläre das bitte Bea nochmal, während ich nachsehe, wer da vor der Tür steht. Gut, dass abgeschlossen war«, murmelte Wulf. Ich rief Bea zu mir, die mir nur murrend folgte.

Während ich mit unserer Kleinen ein ernstes Wort redete, vernahm ich aus dem Flur nur gedämpfte Stimmen. Endlich öffnete sich die Tür und Wulf schob einen mir fremden Mann herein.

Er war ein wenig älter als wir, lächelte freundlich und hatte einen offenen Blick.

 

Bea hatte sofort Zuflucht bei mir gesucht und versteckte sich hinter mir, während ich mich erhob und den Besucher fragend ansah. Wulf übernahm die Vorstellung.

»Jana, darf ich dir Herrn Wolfgang Junker vorstellen? Er ist aus einem bestimmten Grund hier und den wird er uns gleich allen erklären. Aber wir sollten uns vorher noch ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee gönnen, was meinst du? Ich kümmere mich um den Kaffee, du um den Kuchen und Bea zeigt unserem Besucher vielleicht ihre tolle Feuerwehr in der Zwischenzeit?«

Nachdem ich Herrn Junker die Hand geschüttelt hatte, lugte Bea schon neugierig hinter mir hervor, als der sich vor sie hinhockte und sie freundlich ansprach.

»Hallo Bea, ich heiße Wolfgang und würde mich freuen, wenn du mir deine Feuerwehr zeigen und erklären würdest. Machst du das?«

Zögernd nickte sie, nachdem sie sich mit einem Blick zu uns vergewissert hatte, das das so okay sei.

»Komm mit«, sagte sie und griff entschlossen nach seiner Hand, zog ihn hinter sich her. »Die kann ganz viel!«, fügte sie stolz an und begann eifrig mit ihrer Vorführung.

Wulf und ich verschwanden schnell im offenen Küchenbereich und bereiteten in Windeseile alles vor.

Leise berichtete mir Wulf, was es mit dem Mann auf sich hatte, aber viel Zeit hatten wir nicht, also beeilten wir uns, wieder zurückzukehren, um nichts zu verpassen.

» … und hier ist das Blaulicht«, erläuterte Bea gerade.

Wolfgang Junker hockte bei ihr und hörte aufmerksam zu.

 

Als wir alle beisammen am Tisch saßen, erzählte uns Wolfgang von seiner Arbeit. Dabei richtete er sich in erster Linie an Bea, die ihm fasziniert zuhörte, trotz des leckeren Kuchens vor ihr.

»Ich fahre auch so ein großes Auto. Als Fernfahrer habe ich meine festen Strecken, auf denen ich durchs Land und über die Grenzen hinaus regelmäßig fahre.«

Bea schob sich ein Stück Kuchen in den Mund.

»Vor einiger Zeit habe ich auf einem Rastplatz jemanden getroffen. Sie war ganz allein und sie tat mir leid, darum habe ich sie mitgenommen, damit sie dort nicht im Dunkeln länger frieren muss. Weißt du, wie sie heißt? Kannst du dir das denken?«

Wulf zwinkerte mir verstohlen zu.

 

Wolfgang beobachtete Bea sehr genau und sah, wie ihre Augen immer größer wurden bei seinen Worten.

»Hast du meine Lilly gefunden?«, fragte sie flüsternd. »Aber warum kommst du dann erst jetzt? Wir haben sie schon so lange gesucht.« Ihre Stimme war nun lauter, vorwurfsvoll, aber sie zitterte dabei.

 

»Weil ich dann einen Unfall hatte, Bea. Ich habe mir meinen Fuß gebrochen und habe nicht arbeiten können. Dann hat Lilly gesagt, sie bleibt bei mir, bis ich wieder gesund bin. Das fand ich sehr nett von ihr. So war ich nicht allein in der Zeit. Jetzt bin ich wieder gesund, deshalb bin ich hier.«

Er griff nach dem Stoffbeutel, den er über die Lehne seines Stuhles gehängt hatte.

»Wo ist sie?«, rief Bea jetzt sehr aufgeregt und starrte den Beutel an, aus dem Wolfgang nun die Puppe herausholte und Bea überreichte.

Strahlend riss sie ihm Lilly aus der Hand und presste sie an sich.

»Lilly! Ich habe dich so vermisst! Endlich bist du wieder hier. Ich muss dir unbedingt Katrin zeigen …«

Sie flitzte los, blieb dann aber an der Tür kurz stehen, sah zurück.

»Danke.«

Dann drehte sie sich um und rannte in ihr Kinderzimmer nach oben.

Wolfgang wandte sich uns zu und lächelte zufrieden.

»Wenn ich nicht an der Raststätte noch einen verwitterten Zettel gefunden hätte, dann wäre sie wohl nicht wieder aufgetaucht. So habe ich die Adresse herausgefunden und nun ist die Vermisste wieder da.«

Ich nickte erleichtert.

»Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für ein Drama war. Bea war untröstlich und wir haben sonstwas angestellt, um diese Puppe wiederzubekommen. Sogar bei der Polizei sind wir gewesen. Ich habe eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass sie jemals wieder auftaucht. Das war sehr nett von Ihnen, dass sie sie persönlich vorbeigebracht haben.«

Wulf schaltete sich nun ebenfalls ein.

»Das finde ich auch. Wir würden uns gern erkenntlich zeigen. Es war ja nicht nur Ihre Zeit, die Sie hier geopfert haben, Benzin ist auch nicht billig. Wenn Sie uns Ihre Adresse geben, dann können wir Ihnen noch etwas zukommen lassen.«

»Beas strahlende Augen waren Belohnung genug für mich, aber danke für das Angebot. Außerdem gab es ja noch den leckeren Käsekuchen …«, sagte Herr Junker lachend.

Tatsächlich hatte Lillys Verschwinden dafür gesorgt, dass wir mit Herrn Junker von diesem Tag an einen neuen Freund gefunden hatten. Gegenseitige Besuche eingeschlossen.

Ab und zu gab es auch wieder Käsekuchen.

 

 

 

© Aniella Benu 2025, 7389 Zeichen, V 3