Klaus-Dieter Oettrich

Schon in der Grundschul- bis zur Abiturklasse war ich immer Klassensprecher. Sowie dann Semestersprecher an der Uni. Meine Mitschüler bewunderten mich, da ich immer die richtigen Entscheidungen traf und war daher sehr beliebt.
Bis jetzt stand Schule und Studium immer an erster Stelle in meinem Leben.

Sportlich gesehen war ich nur mittelmäßig und Partys besuchte ich selten. 

Hatte wohl schon ein paar Freundinnen, aber weiter bis zum Streicheln und Küssen ging es nicht. Bin aber nicht schwul. 


Beim Semester-Abschlussball traf ich eine Kommilitonin, die mir schon öfters in der Uni auffiel. Sie sah bezaubernd aus mit ihren langen, gewellten, blonden Haaren und der Model-Figur.
Ich war von mir selber überrascht, als ich sie fragte: „Hallo, ich bin Tom. Darf ich dich zu einem Glas Weißwein einladen?“
„Gerne,“ antwortete Susi.
Es ergab sich eine nette Unterhaltung an der Bar. Schon spürte ich ein  Kribbeln im Bauch. Dann wurde auch getanzt. Ich verliebte mich Hals über Kopf in sie. So etwas ist mir noch nie passiert.
Da ich in meinem bisherigen Leben kaum Alkohol trank, war ich nach einigen Gläschen Weißwein schon beschwipst.
Immer wieder wurden die Hände gestreichelt und auch schon Küsschen gegeben. Der frische Duft von ihr, streift meine Wangen.
Ich dachte, was ist mit mir heute los, das geht ja alles wie im Schnellzug. Habe ich endlich, die Richtige gefunden? So ein Mädchen an seiner Seite zu haben, ist wunderschön. Ja, da habe ich wohl doch schon einiges verpasst.
Für mich war Susi sagenhaft schön. Aber was hatte ich zu bieten? Eine schlecht sitzende Hose, ein aus der Mode gekommenes Oberhemd, eine blasse Hautfarbe und die braunen Haare hatten einen biederen Schnitt.
Was fand sie besonderes an mir? Ja, unterhalten konnte man sich gut mit mir. Oder aber waren es meine langen Wimpern, welche die Mädchen immer bewunderten? Ich fand einfach nichts besonderes an mir.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, da Susi fragte, ob wir noch ein Glas Weißwein trinken würden.
„Aber natürlich,“ antwortete ich selbstbewußt.
Es wurde getanzte, Wein getrunken, Witze erzählt und gelacht.
Ein wunderbarer Abend sollte nun zu Ende gehen, als die Band ihre Tätigkeit einstellte.
Der Festsaal entleerte sich rasch.
„Trinken wir noch einen Cuba Libre bei mir zu Hause?“ Fragte ich.
„Ja gerne,“ antwortete Susi.

 

Der Mitbewohner der Wohngemeinschaft war wegen einer Familienfeier nicht da, sodass man eine freie „Bude“ hatte.
Ich entzündete eine Kerze, trimmte die Zimmerbeleuchtung und zur musikalischen Unterhaltung klang Blues Musik aus den Lautsprechern.
Nach dem ersten Getränk, welches reichlich mit Rum gemischt war, wurde dicht umschlungen getanzt.
„Schätzchen trinken wir noch einen?“ Fragte Susi.
„Aber klar doch.“
Es wurde weiter getanzt, meine Beine wurden immer weicher und hatte Mühe mich darauf zu halten. Daher war ich froh als Susi sagte: „Komm wir gehen ins Bett“.
Im ganzen Liebesrausch fiel mir plötzlich ein, dass nun eine Entscheidung getroffen werden musste, von der ich mich bisher immer gedrückt hatte.
„Susi, ich habe bisher noch nie mit einem Mädchen geschlafen.“
„Mach dir keine Sorgen, ich zeig es dir.“
„Auch habe ich keine Kondome bei mir.“
„Brauchst du auch nicht, ich nehme die Pille. Jetzt entspanne dich mal – aber nur an einem Körperteil nicht -. Ich werde dich nun in die sexuelle Liebe einführen. Habe wohl auch noch keine großen Erfahrungen, aber wenn man sich liebt, wird sich alles von alleine ergeben.“

Ein unbeschreibliches Liebesgefühl umgab mich. Ich fühlte mich in einer anderen Welt.
Als ich wieder zu mir kam, wusste ich nicht mehr, einen Orgasmus oder mehrere gehabt zu haben. Ich fühlte mich ganz entspannt.
In meinen Armen schlief meine umwerfend hübsche Susi. 

Ich küsste sie mehrfach zärtlich am Hals.
Susi öffnete die Augen und hauchte: „Willst du nochmals zu mir kommen, mein Sexprotz?“
„Lass uns noch ein wenig kuscheln.“ Nun fiel mir ein, eine Entscheidung wurde getroffen. Bis jetzt hielt ich sie immer für richtig, aber irgendwie hatte ich diesmal ein ungutes Gefühl.

Die Begrüßung am nächsten Tag fand wie unter alten Freunden statt.
„Treffen wir uns heute Abend wieder?“ Fragte ich.
„Heute habe ich keine Zeit.“
„Ich bin verliebt in dich und möchte, dass du wieder in meinen Armen liegst und ich deine samtige Haut streicheln kann.“
„Es gibt ein Problem: Du bist ein ganz netter und lieber Kerl. Aber ich habe einen festen Freund.“
Meine Beine wurden weich. „Was hast du eben gesagt? Wir waren doch gestern ein verliebtes Paar.“
„Es war auch wirklich schön. Aber ich bin vergeben.“
„Wie kannst du dann mit mir ins Bett gehen?“
„Es ergab sich eben so.“
„Für dich war es also ein One-Night-Stand?“
„So will ich es nicht nennen. Die Sexsucht kam wie ein Orkan über mich.“
„Wer ist dein Freund?“
„Der Professor am Rednerpult da vorne.“
Ich überlegte kurz und sagte: „Dann war es für mich eine falsche Entscheidung mit dir ins Bett zu gehen.“
„Das denke ich nicht. Es war doch eine wunderschöne Nacht.“
„Ich glaube du hast eine Macke.“
„Nein, nur mein Sexualtrieb hat mich überrollt. Du warst toll.“
„Aber nicht nochmals. Du hast mich im Herzen sehr stark verletzt. Bin am Boden zerstört und sehr traurig.“

Nach 9 Wochen kam Susi auf mich zu.
„Ich muss mit dir sprechen.“
„Aber ich nicht.“
„Oh doch mein Lieber. Ich sage es dir am besten gleich: Du wirst Vater.“
„Das kann doch nicht sein, du nimmst doch die Pille.“
„Die muss ich wohl vergessen haben.“
„Du hast wohl einige Schrauben locker und suchst dir nun einen Dummen heraus. Neben deinem Professor, mit dem du wohl regelmäßig schläfst, deinen One-Night-Stands, kommst du nun zu mir, dass ich der Vater sein soll. Du tickst nicht mehr richtig. Sag es doch deinem Freund.“
„Er kann es nicht sein. Ich nehme die Pille und er benutzt zusätzlich noch Kondome. Also ausgeschlossen. Nach dem Beischlaf mit dir, hatte ich auch nie wieder, außer mit meinem Freund, eine geschlechtliche Beziehung mit einem Mann. Du bist eindeutig der Vater.“
„Das wird sich bei einem Vaterschaftstest klären lassen.“
„Daher habe für morgen einen Termin um 17 Uhr vereinbart. Die DNA-Analyse wird es beweisen.“

Über mich war ich auch selbst wütend, denn ich  hätte ja auch verhüten können. Aber wer dachte vorher schon an so eine Nacht.


„Ist dir bewußt, was du deinem Baby gesundheitlich schon angetan hast? Zuerst schläfst du betrunken mit Männer, so wie auch mit mir. Danach trankst du bestimmt auch weiterhin reichlich Alkohol. Das ist unverantwortlich in der Schwangerschaft. Ich glaube du spinnst und hast keine Verantwortung für dein Kind. Außerdem stehst du mitten im Studium. Wie stellst du dir das überhaupt vor? Wo soll das Baby aufwachsen? Im Hörsaal vielleicht?“
„Nein, bei dir.“
„Du bist total übergeschnappt. Nimmst du auch noch Drogen?“ Fragte ich wütend.
„Mein Freund, der Professor, übernimmt ab nächsten Monat eine Professur an der Harvard Universität in den USA. Sobald das Baby auf der Welt ist, werde ich zu ihm ziehen, aber alleine.“
„So hast du dir es in deinem Wahn vorgestellt. Ich werde heute mit dem Professor sprechen und berichten was du vorhast.“
„Das brauchst du nicht. Ich habe mit ihm alles abgesprochen. Auch habe ich ihm erzählt, dass du dich auf das Baby freust und es bei dir aufwachsen wird.“

Wortlos wurde auseinander gegangen.
Ich überlegte: War meine damalige Entscheidung mit ihr zu schlafen so falsch gewesen, dass nun mein ganzes Leben aus den Fugen bricht?
Die Hoffnung war nun der Test.
Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen.
Sollte ich wirklich der Vater sein gab es mehrere Möglichkeiten: Eine Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche oder Susi überreden, das Kind gemeinsam groß zu ziehen. Auch wäre eine Möglichkeit das Kind zu adoptieren und als alleinstehender Vater es zu sich zu nehmen.

Das Testergebnis nach fünf Tagen ergab, dass ich zu 99,9% der Vater war.
Sie setzten sich auf eine Parkbank über dem Unigelände und Tom schilderte seine Ideen.
Susi teilte dazu mit: „Mein Freund schlägt eine Abtreibung vor. Er hat auch schon zu einer Klinik in Holland Kontakt aufgenommen. Die OP könnte nächste Woche stattfinden.
Die Kosten würde er übernehmen. Der Vorteil wäre dann, dass ich mit ihm sofort in die USA reisen könnte.“
„Bin damit nicht einverstanden, da ich kein Mitmörder werden will,“ teilte ich bestimmend mit.

„Tom, dass wir das Kind gemeinsam aufziehen, kannst du dir voll abschminken. Ich werde mit dem Professor, ohne das Baby in die USA auswandern.“
„Rabenmutter,“  erwiderte ich.

„Ob das Kind bei dir aufwächst musst du alleine entscheiden. Ich verzichte auf jegliche Ansprüche auf das Baby und werde auch keinerlei Verantwortung übernehmen.  Dem Kind wird dann später mitgeteilt: Deine Mutter ist bei der Geburt gestorben.“
„Susi, Susi, was bist du für ein abscheulicher Mensch. Bist du wirklich so kalt und berechnend?“
„Vor zehn Wochen hast du noch ganz anders gesprochen.“
Ich stand auf und ging. Dreht mich nochmals um und sagte verächtlich: „Schwein!“

Nach 20 Jahren saß ich, mit meiner molligen Ehefrau Barbara und meiner bildhübschen Tochter Iris auf derselben Bank und schauten zufrieden über das Unigelände.
Barbara und ich waren Professoren an der Uni, Iris Studentin.
Ich sinnierte: Im Leben werden auch falsche Entscheidungen getroffen, aber zum Glück ist es meist möglich, wenn man viel Wille und Kraft dazu aufwendet, auch daraus etwas positives zu erreichen.
Barbara nahm meine Hand und die von Iris und sagte: „Das Leben ist schön.“

Schon im Babyalter wurde bei Iris eine Augenkrankheit festgestellt. 

„Kommt diese Augenkrankheit öfters vor?“ Fragte ich den Arzt. 

„Ja, wenn die Mutter während der Schwangerschaft viel Alkohol getrunken oder Drogen genommen hat.“

Daher war Iris seit ihrer frühen Kindheit Brillenträgerin. Ab dem 12. Lebensjahr wurde sie neben der schulischen Ausbildung eines der begehrtesten Models für die Brillenhersteller in Europa. Ob Susi sie schon in Werbefilme, auf Plakaten etc. gesehen hat?

 

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