Von Susanne Rzymbowski

„Haben Sie nichts Teureres? Für mich ist nichts teuer genug!“ betonte Antonia mit vielsagendem Blick und trommelte dabei gelangweilt mit Ihren rot lackierten Fingernägeln auf die Ladentheke der kleinen Boutique.

Sie war wie immer bis ins kleinste Detail durchgestylt – heute hatte Sie sich für Versace entschieden.

Langsam wurde sie müde, und die Zeit lief ihr davon, schließlich hatte sie gleich einen Termin bei der Fußpflege.

Mit gedehnten Schritten stolzierte sie nun erneut auf ihren glitzernden High Heels durch die Reihen und studierte missmutig das Sortiment. Sie entschied sich noch schnell für ein paar Blusen von Michael Kors, der gerade angesagt war, und ein paar T-Shirts von Dolce & Gabana und Kenzo.

Sie bezahlte mit ihrer Gold Card und war enttäuscht, nicht mehr ausgegeben zu haben, denn schließlich hatte Tristan sich gestern gerade eine neue Golfausrüstung zugelegt, was besagte, dass er wieder mehr Zeit auf dem Platz verbringen würde, als mit ihr.

So blieb ihr noch genügend Zeit auf einen Sprung bei Raphael reinzuschauen. Sie war heute einfach in Kauflaune und Schuhe konnte man nie genug haben, das wusste sie schließlich nicht erst seit „Sex and the City“!

Bei Swarowsky machte Antonia kurz Halt und angelte sich mit spitzen Fingern den funkelnden pinken Armreif hervor, den sie erst gestern gesehen hatte. Dann musste sie sich aber auch schon sputen, um noch pünktlich zu sein.

Bei Ihrer Fußpflegerin angekommen, genoss sie erst einmal Ihr temperiertes Fußbad, bevor sie mit ernstem Gesicht ansetzte:

„Frau Müller, wie lange bin ich nun schon bei Ihnen?“

„An die 3 Jahre Frau Salmfeld – und sie sind mir meine liebste Kundin,“ antwortete Frau Müller wie aus der Pistole geschossen.

„Ja und das soll ja nun auch so bleiben.“

„Frau Salmfeld, das freut mich sehr. Darf ich Ihnen nochmals warmes Wasser nachgießen oder möchten Sie noch ein wenig Schaum angerührt haben bevor wir mit der Massage beginnen?“

„Frau Müller nicht so eilig! Wir haben doch Zeit!“

„Ja, selbstverständlich. –  Liegt ihnen etwas auf dem Herzen Frau Salmfeld?“

„Nun, ich will es einmal so ausdrücken. Das letzte Mal war ich alles andere als zufrieden.“

Frau Müller ist bestürzt: „Frau Salmfeld, das tut mir außerordentlich leid. Habe ich einen Fehler begangen? Lag es an meiner Behandlung?“

„Ja, an wem denn sonst? Ihre Massage war viel zu kurz und die benutzte Lotion war viel zu fettig!“

„Frau Salmfeld, ich kann gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Das werden wir heute selbstverständlich sofort ändern. Ich bedaure sehr, Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet zu haben. Darf ich Ihnen vielleicht noch einen Kaffee bringen?“

„Davon werden meine Sandaletten – sie erinnern sich noch an meine Sandaletten von letzter Woche?

„Ja selbstverständlich. Was ist denn mit ihren Sandaletten?“

„Nun, Sie haben sie mir ruiniert.“

„Frau Salmfeld, ich finde keine Worte.“

„Das glaube ich ihnen gerne. Ihre fettige Lotion, die sie nicht genügend einmassiert haben, hat mein Innenfutter mit schmierigen Streifen zu Grunde gerichtet – sie sind nun verfärbt! Und das geht ja nun einmal gar nicht, Frau Müller – bei allem Wohlwollen!“

Antonias Stimme hatte nun eine Schärfe, die nicht zu wünschen übrig ließ.

Frau Müller begann sich wie ein Aal zu winden: „Frau Salmfeld, ich bin zutiefst bestürzt. Ich weiß gar nicht wie ich das wieder gut machen kann. Und ich bin Ihnen so dankbar, dass sie dennoch heute den Weg zu mir gefunden haben…“

Antonia ränkte nun ein, denn sie wollte nicht zu streng sein und nickte nun doch noch wohlwollend zu der Flut an Entschuldigungen, nippte an dem ihr gebrachten Kaffee, entschied sich dann für grünen Lack,  der selbstredend wie die heutige Gesamtbehandlung aufs Haus ging.

 

Danach bummelte sie höchst zufrieden mit sich zu Galaxy und bestellte sich erst einmal einen Campari mit Soda. Im Vorbeigehen hatte sie sich noch die neueste Vogue eingesteckt, die sie nun konzentriert las. Blatt für Blatt ging sie die neuesten Neuigkeiten durch und studierte die Trends von morgen. Unbedingt musste sie noch daran denken,  einen Termin bei ihrer Visagistin zu vereinbaren, denn das Frühlings-Make-up sollte schließlich perfekt sitzen.

Antonia ärgerte sich, dass es immer noch nicht genügend Designer-Läden in ihrer Einkaufsmeile gab.

Richtig hinterwäldlerisch war man hier gebunden.

Gottlob gab es Internet, und so bestellte sie sich noch schnell ein paar neckische Kreationen per Klick ihres Smart-Phones, das sie mit spitzen Fingern aus Ihrer Louis Vuitton-Tasche zauberte. Schließlich wollte sie up to date und nicht auf den Ramsch von Allerweltlern angewiesen sein.

Es war eh die Höhe, dass man kaum noch eine Marke fand, die nicht jeder x-Beliebige trug.

Wie hatte sie sich aufgeregt, als Schöffel mit seinen Preisen runter ging und sie im Ski-Urlaub in St. Moritz nur so umzingelt war. Welche Blamage!

Ja, es wurde immer schwerer für sie, etwas wirklich Exklusives zu erstehen.

Auch ihre Urlaube – wer weiß wohin – konnten nicht mehr herhalten, denn auch hier gab es kaum Neues.

Diese Globalisierung regte sie einfach auf.

Hatte sie vor Jahren noch die Möglichkeit gehabt, sonnengebräunt aus der Sahara mit ausgefallenen Kaftanen aufzutrumpfen, gab es die jetzt an jeder Ecke.

Selbst ihr Himalaya-Trip blieb ohne Beachtung, denn schließlich konnte man nun alles in zweitklassigen Räucherkerzen-Shops erstehen. Sie wusste langsam wirklich nicht mehr, wo sie bei dieser Entwicklung noch einchecken sollte, ganz zu schweigen von den Flügen, die immer billiger wurden!

Zudem ließen die Reiseführer auch kaum noch Zeit für ein ausgiebiges und gezieltes Shopping, was sie selbstverständlich wortgewandt nach ihrer Rückkehr bemängelte. Auch die Ausstattungen der Hotels entsprachen nicht ganz ihren Vorstellungen, orientierten sich diese mittlerweile doch zunehmend nur noch dem europäischen Standard und waren zu nah an den Einheimischen gebaut. Man wollte doch schließlich den Urlaub genießen.

Aus diesem Grunde hatte sie sich für ihre weiteren Reisen jetzt für einen privaten Guide entschieden, der ganz nach ihren Wünschen agierte und immer zur Stelle war.

 

Ja, und was hatte sie sich geärgert, als sie, kaum dass sie sich ihre Lippen aufspritzen und ihren Busen vergrößern ließ, die Schönheitschirurgen wie Pilze aus dem Boden schossen und allerorts und für Jedermann nun geschönt wurde was das Zeug hielt.

Selbst ihre ebenmäßigen Zähne, die sie in langwierigem Prozess erstanden hatte, konnten mit ihrem schneeweißen Strahlen niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken, da mittlerweile der reinste Kassenschlager.

Antonia hatte es wirklich nicht leicht. Also strich sie sich nochmals die Lippen nach und machte sich auf zu Raphaels.

Leidenschaftslos erstand sie noch ein paar Stiefeletten von Gucci und packte ein paar Ballerinas dazu. Erst im letzten Moment erblickte sie noch ein Paar Sandaletten mit Keilabsatz von Stewart Weitzmann, die sie zu ihrer heutigen Beute auserkor.

Mit unzähligen Papiertüten bepackt, machte sie sich nun halbwegs zufrieden auf den Heimweg.

Zu Hause angekommen, schlürfte sie noch schnell ihren Slim-Fast bevor sie sich unter die Dusche stellte – es war wieder ein anstrengender Tag!

In hauchzartes Negligè gehüllt, das aalglatt ihre blasse Haut umspielte und ganz vom Chanelduft betäubt, kontrollierte sie mit blinzelnden Augen ihr makelloses Erscheinungsbild im goldumrahmten Spiegel, zog noch schnell die Lidstriche nach, um sich danach entspannt auf ihrer weißen Designer-Couch von Rolf Benz gekonnt zu räkeln.

Erwartungsvoll schaltete sie dabei gerade noch rechtzeitig in ihre Lieblingssendungen zu: Germany’s next Topmodel und im Anschluss auf „Der Bachelor“ – denn für Antonia gab es einfach keinen Feierabend.