Von Glädja Skriva
„Klug wars nicht, aber geil“, nuschelte meine beste Freundin Mandy in ihren XXL-Spaghetti Eisbecher und ruckelte dabei an ihrem neu eingekauften Stiftrock herum. „Damals, als Otschke und ich über den Zaun geklettert sind, um nachts bei Mondschein, ganz romantisch, ins Schwimmbad einzutauchen.“ Ihre Augen glänzten und sie leckte sich mit der Zungenspitze einen winzigkleinen Himbeerstreusel aus dem Mundwinkel.
Verstörende Bilder tauchten in mir auf. Otschke, mit seinem ausgemergelten Raucherkörper. Mit fettigem Pferdeschwanz, der auf dem Wasser trieb wie hineingerotzte Spucke.
„Lange, lange, liegts zurück“, nickte ich, „aber die Bilder sind noch ganz lebendig. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper.
„Aber wir sind doch noch jung. Du und ich. Das wäre doch affengeil, wenn wir so etwas wieder auf die Beine stellen würden.“
Das Wort „affengeil“ stieß sie etwas zu schrill aus. Statt damit eine Resonanz in meinem Körper zu wecken. Wild und unbekümmert; stellte sich bei mir ein Pfeifton ein. Tinnitus. Altbekannt. Altersbedingt.
„Nun hab dich doch nicht so!“ Ich spürte Mandys Knuff in meinen Knochen. Sie waren inzwischen gut mit Hüftgold überlagert.
„Na ja, Fett schwimmt“, versuchte ich einen Witz obenauf zu legen.
„Und wer weiß, wie lange wir überhaupt noch leben“. Mandy legte erschrocken ihre Hand auf den Mund und stotterte ein „ … das … das war jetzt nicht so gemeint …“
Ich war eben vom Onkologen gekommen, mit Blutwerten, die eine tickende Zeitbombe in mir signalisierten.
„Warum nicht“, rief ich laut, sprang auf, dass der Eisbecher klirrte und tanzte um den Tisch. Köpfte drehten sich um. Ich war wohl etwas zu laut und ekstatisch gewesen.
Den zugewandten Gesichtern mit dem unwirschen Gesichtsausdruck zwinkerte ich zu: „Wir werden schwimmen. Nackt. Splitterfasernackt.“
Es war kurz nach Mitternacht. Der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt und Mandys Umrisse neben mir konnte ich nur ahnen.
„Wo hast du denn deine Kleider gelassen?“, wisperte ich.
„Im Auto“, sagte Mandy. „So, wie immer.“
Als sei es das Natürlichste der Welt und als hätte sie nur den Korb mit dem Wocheneinkauf in ihrem Lamborghini gelassen. Eine Stange Weißbrot und ein guter Roter aus Apulien.
„Bist du verrückt?“, zischte ich sie an.
Schließlich war es nicht üblich, nackt den gesamten Edeka Parkplatz zu überqueren, selbst, wenn es mitten in der Nacht war.
„Du siehst doch selbst, was es für Schwierigkeiten macht, wenn man in voller Montur über den Zaun klettert.“
„Scheiße!“ Ich war mit der Tasche meiner Cargohose an der Zaunspitze hängengeblieben und versuchte mich energisch loszureißen. Der Fall kam schnell und plötzlich.
„Überhaupt, was nimmst du denn auch noch einen Rucksack mit. Reichen die Klamotten nicht? Ah, ich verstehe, du brauchst noch ein Badehandtuch zum Abtrocknen, Kamm, Pflegecreme, Badeschuhe und natürlich einen Ausweis, wenn die Bullen uns aus dem Wasser ziehen.“
Ich schaute sie mit schreckgeweiteten Augen an. „Bullen … “
Ein Versuch war es wert gewesen!