Von Anne Zeisig

Kim legte den Zettel auf die Theke der Bäckerei: ’2 Speckschnecken.’

 

„Sie wollen Speckschnecken?“

 

Kopfnicken.

 

Die Verkäuferin steckte zwei in die Tüte und verlangte den Betrag: „Der Speck stammt aber von Schweinen“, erklärte sie.

 

Kim nickte, legte das abgezählte Geld hin, nahm die Ware, eilte hinaus und setzte sich ungelenk ins Auto.

 

„Schweinespeck!“, rief die Bäckerin noch hinterher. „Aber ihr esst doch kein Schwein!“

 

Fast hätte sich die Burka in der Autotür eingeklemmt.

 

‘Bloß Gasgeben und weg hier!’

 

* * *

 

„Ab morgen gibt es keine Speckschnecken mehr zum Frühstück. Ich mit dieser Maskerade und Schweinespeck, das passt nicht zusammen.“

 

„Dann lege diese dämliche Aufmachung doch ab! Steh endlich zu deinem Zustand! Wie andere es auch tun!“ 

 

„Wie bitte?!“, schrie Kim hysterisch und warf die Burka von sich. „Soll ich mich etwa so in die Öffentlichkeit wagen?“

 

Der Bauch war inzwischen wirklich gigantisch!

 

„Was ist dabei? Für mich bist du weiterhin attraktiv. Aber nun muss ich in die Firma.“

 

Es folgte ein inniger Kuss auf die Wange.

 

„Und denke daran, Anna-Rico und Phal-Denim um Vier von der Kita abzuholen! Gestern warst du zu spät dort!“

 

Kim sank auf dem Sofa in sich zusammen und bekam einen Weinkrampf: „Sogar die Kinder gucken mich komisch an! Ich soll attraktiv aussehen? Mit diesem Riesenbauch? Ich bin ein unförmiges Monstrum! Watschele schwerfällig umher wie eine Ente in Birkenstock-Sandalen! Und habe enorme Stimmungsschwankungen.“

 

Die andere Ehehälfte setzte sich dazu und bemühte sich um Geduld: „Das sind die Hormone. Man wird weinerlich, verletzlich und fühlt sich ungeliebt. Wir haben den Ratgeber doch gelesen, so geht es anderen auch. Noch eine Woche, dann hast du die Schwangerschaft überstanden.“

 

Kim suchte nach der tröstenden Hand: “Ich habe Angst vor der Geburt! Was ist, wenn ich die Schmerzen nicht aushalte? Kann ich mich auf die Ärzte verlassen? Oder hängt mein Leben am seidenen Faden?“ 

 

„Am seidenen Faden? Verstehe absolut nicht, warum du so einen Aufstand machst! Wir wissen seit Schwangerschaftsbeginn, dass das ein Kaiserschnitt wird. Mit Vollnarkose und nicht mit Rückenmarksbetäubung, damit mein Schatz auch wirklich nichts mitbekommt und absolut keine Schmerzen erleiden muss!“

 

„Aber die Spritze mit dem Narkosemittel?“ Kim zeigte auf die Handoberseite.

 

„Du hast gute Venen in der Armbeuge, die ist unempfindlicher als der Handrücken. Ich muss aber nun wirklich los, die Besprechung beginnt um Neun.“

 

„Ein Meeting“, kreischte Kim und erhob sich schwerfällig vom Sofa. „Mich hat aus der Firma schon lange niemand mehr angerufen! Ich bin sozusagen ‘Weg vom Fenster’.“

 

„Aber du wirst doch wohl nicht im Selbstmitleid versinken. Andere haben problemlos nach dem Familienurlaub im Beruf Anschluss gefunden. Warum sollte es bei dir anders sein. Die Regierung hat doch extra dieses Return-Job-Projekt gesetzlich abgesichert. “ 

 

Trotzdem folgten riesige Tränen.

 

„Darf dich daran erinnern, dass du zur Schwangerschaftsgruppe gehen kannst. Oder zu diesem Klatsch- und Tratschstammtisch von der Firma. Aber Alkohol! Das geht natürlich nicht! Das Kind ist gesund und soll es auch bleiben!“

 

„Klatsch und Tratsch??? Das nennt man Fach-Information!!!“

 

Und schon fiel die Tür ins Schloss.

 

Ob Kim zum Stammtisch gehen sollte?

 

‘Aber sie werden mich nicht wiedererkennen! Die Figur ruiniert! War immer so stolz auf meinen durchtrainierten Körper! Und die Aussicht auf Wasser oder Obstsaft schmeckt mir auch nicht. Ob ein einziges Pils der Kleinen schadet?’

 

Selbstverständlich  hatte Kim seit fast neun Monaten nichts anderes im Sinn, als eine gesunde Tochter zur Welt zu bringen!

Die ersten Bewegungen der Kleinen waren faszinierend! 

 

Kim warf sich die Burka wieder über, drehte sich vor dem Spiegel hin und her: ‘Eine Muslima in ‘Ernies Bierklause’, das geht ja mal garnicht!’

Obwohl das Ding in den letzten Monaten der Schwangerschaft zum Kaschieren sehr hilfreich war!

Aber wegen der Tonlage war Schweigen angesagt.

In einer Mönchs-Kutte jedoch hätte man das Schweige-Gelübte brechen können … 

 

* * *

 

„Wenn Sie sich damit wohlfühlen, ihre Schwangerschaft unter der ‘Muslimischen Tracht’ zu verbergen, dann ist das vollkommen in Ordnung“, hatte der Professor vom Maskulitäts-Gravidita-Institut gesagt.

„Andere wiederum tragen ihren Bauch stolz zur Schau!“

 

‘Deren Figur war ja auch bereits vorher total ruiniert und unförmig.’, dachte Kim und sehnte sich zurück nach einer ansprechenden Figur, die der Schwerkraft nicht zum Opfer fallen würde. 

 

*  * *

 

Das häusliche Gejammer fand am Abend seine Fortsetzung.

 

„Bereits beim Einsetzen der künstlichen, befruchteten Gebärmutter hat mir die Narkosespritze doch sehr zu schaffen gemacht.

Es hat nicht nur gepiekst!

Das war ein eindringlicher Schmerz! So, als wenn sie dir die Armbeuge aufreißen würden!

Und danach mein Kreislauf!

Hölle! Die reinste Hölle!

Die Medikamente zur Auflockerung meines Bauch-Unterhautfettgewebes habe ich auch nicht gut vertragen.

Ich hatte keine Morgenlatte mehr, wie du ja wohl weißt! 

Keine Erektion! Nichts! Und nun steht mir diese Narkose bevor!“

 

„Das war deine freie Entscheidung! Wolltest auch mal erleben, wie es ist, wenn Leben in einem wächst! Und nun jaulst du mir täglich die Ohren voll! Der Mann von Kaja-Sura hat nicht solche Probleme wie du!“

 

„Der hat von Natur aus einen Bierbauch! Da war die Haut schon vorgedehnt.“ Kim atmete tief ein und begann wieder zu Weinen.

 

‘Meine Nerven’, dachte die Ehefrau aufstöhnend.

‘Das nächste Kind trage ich wieder selber aus, und eine vaginale Geburt ist auch natürlicher fürs Kind.’

 

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