Marianne Apfelstedt

Blond, aber nicht blöd stehe ich im Job meinen Mann. Maschinen zerlege ich schnell und gewissenhaft. Der Aufbau von Motoren brennt sich dreidimensional ins Hirn, beim Zusammensetzen finden alle Teile wie von selbst den richtigen Platz. Deshalb vertraut mein Chef mir die wertvollsten Oldtimer an. Zusammen sorgen wir dafür, dass sie wieder rund laufen. Nur bei der Partnerwahl läuft es nicht rund, da bin ich out of Control. Dabei suche ich nicht mal nen Ferrari, aber mit den bis jetzt gefundenen Modellen bin ich nicht so recht kompatibel, seufzend denke ich an meinen letzten Crash.

 

Ich lernte Jeremy Clark auf einer Oldtimer Ausstellung kennen. Sein Onkel, stolzer Besitzer eines Mercedes „Heckflosse“ Baujahr 1963, in ausgezeichnetem Zustand, stellte diesen aus.

 

„Wow!“ Meine Augen glitten an der markanten Kontur der Heckflosse entlang, die Fingerspitzen streichelten zärtlich über den Lack. 

 

„Hey, stehst du auf Oldies?“ 

 

Zögerlich löste ich meinen Blick von der Schönheit. Hinter mir stand ein Lockenkopf mit Jeans und Shirt, der mich locker um einen Kopf überragte. Die stahlgrauen Augen fielen mir zuerst auf, dann seine kleine Nase mit den Sommersprossen und sein markanter Amorbogen.

 

„Ich schraube gern an Oldies. Unter meinen Händen erwachen totgeglaubte zum Leben. So eine Schönheit war leider noch nie in unserer Werkstatt.“ Bewundernd wendete ich mich wieder dem Mercedes zu.

 

Unter schallendem Lachen streckte mir der Lockenkopf seine braun gebrannte Hand entgegen: „Dein Humor gefällt mir, ich bin Jeremy. Hast du einen Namen Schrauberlady?“

 

Er zeigte mir die Besonderheiten der Heckflosse. Zum Schluss nahm ich auf dem Fahrersitz Platz. Ich rutschte auf den kognakbraunen Sitz. Das Leder, über die Jahrzehnte glatt und weiche geschliffen, übernahm die Wärme der Oberschenkel, die die Hot Pants frei ließen. Meine Haut schmiegte sich an den Sitz. Langsam vibrierte ein erotisches Kribbeln in der Körpermitte, ob hier schon mal ein Pärchen … . Oh Mann! Autos machten mich heiß! Beim Aussteigen glühten meine Wangen verdächtig. Glücklicherweise waren die Männer in ein Gespräch vertieft. 

„Hey, wir gehen jetzt zum Mittagessen. Kommst du mit?“, rief Jeremy. Onkel Hermann spendierte uns eine Bratwurst, die wir mit kühlem Bier vom Fass runterspülten. 

 

Jeremy und ich verabredeten uns für den Abend auf einen Burger bei Richie. Anschließend versumpften wir im scharfen Eck. Das darauffolgende Wochenende verhockten wir beim Boxenstopp in meiner Wohnung. Stundenlang inspizierten wir mit großer Ausdauer den Körper des Anderen und montags registrierte ich, als Andenken an die letzte Nacht, jeden Muskel, der beim Aufstehen rebellierte.“

 

Tage später erhielt ich folgende Nachricht auf meinem Handy. Steffi, hab ne Überraschung für dich, Treffpunkt Färberstraße 13, 18.00! JC. In der großen Garage mit Werkbank und Hebebühne stand ein hellblaues Käfer Cabrio Baujahr 1965, leider in hundsmiserablem Zustand. Der Schrotthaufen auf Rädern erweckte mein Mitleid.

 

„Na wie findest du das Schmuckstück? Stell dir nur vor, wie er nach der Restaurierung dasteht“, verzückt öffnete Jeremy die Fahrertür. 

 

„Du meine Güte. Bäh, stinkt ja wie ein Stall. Wo hast du denn die Rostlaube gefunden?“

 

„Schau da sind Federn drin,“ grinste mich Jeremy an. „Das Schmuckstück stand schon ewig in der alten Scheune und war Schlafquartier für die Hühner. Hab sogar ein Ei gefunden.“

 

„Den Gestank kriegst du nie mehr weg“, ich versuchte die intensive Landluft, durch Wedeln zu verscheuchen.

 

„Teppich, Himmel und Sitze kommen raus. Ich habe mir auf der letzten Oldtimermesse das gut erhaltene Innenleben vom gleichen Baujahr besorgt. Von meinem Chef kann ich das Werkzeug ausleihen und dann überzieh ich die Autositze mit elfenbeinfarbenem Ziegenleder, als Raumausstatter ist das kein Problem, beim Rest sieht es anders aus.“

 

Ich presste mich an seinen muskulösen Rücken und umschlang seine schmalen Hüften. Die Hände wanderten zielstrebig unter sein Shirt zur Brust hinauf, um seine Brustwarzen zu streifen. Er rezitierte weiter, wie er das Innenleben des Käfers instand setzen wollte. Meine Lippen drückten sich an sein Schulterblatt, wo ich ihn meine Zähne spüren ließ. Die rechte Hand strich über die Innenseite seines Oberschenkels, derweil die andere seine wachsende Männlichkeit liebkoste. Ich biss fester zu, abrupt endete der Redefluss in einem Aufseufzen. Er drehte sich um, seine Hände kuppelten an den Pobacken an und hoben mich breitbeinig auf seine Hüften. Heiße Lippen drückten sich auf meinen Mund, genießerisch schloss ich die Augen. Die seidigen Locken unter meinen Fingerspitzen, seine Zunge erregend und fordernd. Meine Drehzahl erhöhte sich, als er mich auf der Werkzeugbank absetzte. In der folgenden halben Stunde bestand unsere Konversation aus Stöhnen und lustvollen Schreien meinerseits.

 

Die nächsten Wochen vergingen in Rekordzeit. Jedes Wochenende schraubte ich stundenlang an unserem Baby, dem Käfer, herum. Er wurde erstmal in seine Einzelteile zerlegt, gereinigt und geschmiert. Ich improvisierte, weil die passenden Originalteile nicht zu bekommen waren. Oft werkelte ich allein an der Rostlaube, manchmal mit Jeremy als Handlanger. Häufig war Jeremy unterwegs, um auf Teilebörsen Türen, Scheinwerfer oder die Nockenwelle für den Motor aufzuspüren. Vieles musste ausgetauscht werden und die Liste mit den benötigten Teilen war ellenlang. 

 

„Hi Steffi, ich habe dir Döner mitgebracht. Nachher ruft Klaus an, der hat weitere VW Teile reinbekommen, hoffentlich ist was für uns dabei“, erzählt mir Jeremy kauend. 

 

„Klasse. Frag ihn wegen der Beifahrertür, unser Sahnestück braucht passende Türgriffe,“ genüsslich langsam schleckte ich mit meiner Zunge einen Tropfen der Knoblauchsoße vom Handrücken. Jeremy beobachtete mich, ich intensivierte den Blickkontakt und wiederholte die Prozedur. „Wie wär´s mit Nachtisch?“

 

Sein Handy klingelte und ich griff wieder zum Schraubenschlüssel. Etliche Stunden später nach einer belebenden Dusche lagen wir im Bett und schliefen schneller ein, als ein Start beim Autorennen. Unser extrovertiertes Liebesleben à la Paris Dakar wandelte sich in Blümchensex mit Start und Ziel. 

 

Einige Wochen später war das Rennen gelaufen, zusammen fuhren wir beim TÜV vor. Alles lief wie geschmiert und das Sahnestückchen bekam seine Plakette. Der Motor des himmelblauen Käfers schnurrte wie eine Katze, die Chromteile blitzten in der Sonne, jetzt wurde die Fahrt zum reinen Vergnügen. Zur Feier des Tages spendierte Jeremy meine Lieblingspizza und eine Flasche Rotwein. Ich freute mich schon auf das Dessert. Beim Essen war er ungewohnt einsilbig.

 

„Wann machen wir die erste Spritztour mit dem Käfer? Wie wäre es mit einem Picknick draußen am See nächstes Wochenende?“

 

„Das wird nicht möglich sein.“

 

„Freitag, wenn du zurückkommst, wäre eine Alternative. Dann gibts Lunch,“ schlug ich vor.

 

„Dieses Wochenende ist ungünstig. Bin in dieser Woche auf der Baustelle in Wiesbaden. Freitags besuche ich einen Kumpel aus der Schulzeit, weißt schon Männerabend. Ich melde mich dann bei dir.“

 

***

 

Tja seit dem TÜV Abend vergingen einige Tage ohne eine Nachricht von Jeremy. Da in der Werkstatt jede Menge Arbeit anstand, bemerkte ich erst am Wochenende seine Abwesenheit. Auf dem Handy erreichte ich ihn nie. Am Samstag beschloss ich, auf einen Absacker im scharfen Eck vorbeizuschauen. Beim Eintreten wanderte mein Blick wie ein Scheinwerfer über die Kneipenbesucher. Hinten in der Ecke saß mein athletischer Lieblingsrücken. Ich holte eine Flasche Bier direkt an der Theke, beim Umdrehen sah ich das Ende eines Kusses zwischen Jeremy und der Blondine, die bei ihm saß. Mit mulmigem Gefühl näherte ich mich dem Pärchen.

 

„Hallo Jeremy, wie gehts dem Sahnestück?“, beim Klang meiner Stimme zog er schnell die mir bestens bekannte Hand vom Arm des Blondchens. 

 

„Hi Steffi, lange nicht mehr gesehen. Dem Käfer gehts prima. Du hast ihn klasse hinbekommen. Das ist Vanessa meine Freundin, sie war einige Monate in den Staaten, glücklicherweise haben wir uns jetzt wieder zusammengerauft.“

 

„Du Rostlaube kriech in die Kloake zurück, aus der du aufgetaucht bist.“ Mein Arm führte ein Eigenleben, goss das Bier über den Lockenkopf und mit Kaltstart verließ ich die Piste. 

 

 

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