Von Martina Zimmermann

Ganz langsam setzte sich das Band unter ihren Füßen in Bewegung. Es wurde schneller und schneller, mit jeden Druck, den sie mit ihrem Finger auf die Anzeige drückte. Schneller immer schneller. Den Takt vorgebend.

Zuerst bewegten sich ihre Füße nur zaghaft. Noch glich ihr Gang einem  Schlendern, doch schon bald, wurde daraus ein strammer Schritt, gefolgt von einem dominanten Auftreten. Bestimmt trat sie auf, immer schneller. Zeitgleich tippten ihre Finger auf die Anzeige. Sie bestimmten den Takt ihrer Füße. Ihr Kopf gab die Anleitung und ihr Körper folgte gehorsam.

 

Sie lief und setzte einen Fuß vor den anderen. Mechanisch, ohne voran zu kommen. Versetzt in eine Art eigenen Rhythmus. Nur noch das Geräusch, das dumpfe  Aufsetzen ihrer Füße dröhnte in ihrem Kopf. Die Mechanik setzte ein, wie automatisiert im Takt. Der Schweiß begann zu fließen und ihr Körper gehorchte ihrem Willen. Nichts mehr wahrnehmend, bewegte sie sich kontinuierlich und ein Gedanke schoss durch ihren Kopf.

 

„Wie in einem Hamsterrad“, dachte sie. „Ich strampel mich ab, ohne von der Stelle zu kommen“, was für ein Hohn. Es erinnerte sie an ihre Lebenssituation. Ein Kampf, den sie nie gewinnen konnte. Es hatte einfach nie gereicht, egal wie sehr sie sich bemüht hatte.

 

„Was wäre, wenn ich die Geschwindigkeit meines Lebens, genau wie hier, mit einem Knopfdruck regeln könnte?“, fragte sie sich.

„Ich kann!“, beantwortete sie ihre eigene Frage spontan mit einem Lächeln im Gesicht. Doch dann kamen ihr Zweifel …

„Kann ich wirklich meinen Takt im Leben selber steuern?“

Die Frage ließ  sie nicht los, während sie weiter lief. Im vorgegebenen Takt in der Geschwindigkeit, die ihr mittlerweile zu schaffen machte.

„Durchhalten“, redete sie sich selber zu.

„Aber warum? Warum bestimmt man den eigenen Takt, der dann so anstrengend ist, dass man ihn kaum halten kann?

Was will ich mir  beweisen? Oder ist es vielmehr ein mithalten können?“

 

Sie wollte dabei sein, wie die anderen, die in ihrem hohen Level funktionierten. Also musste der eigene Rhythmus so hoch gesteckt werden um mitzuhalten.

 

„Was wäre, wenn ich die Geschwindigkeit zurück nehme?“, überlegte sie laut.

Könnte es eine Alternative für mich sein? Für mein Leben?

 

„Ich könnte gemütlich laufen und hätte mehr Luft. Würde meine Umgebung deutlicher wahr nehmen. Wäre es das  wert? Was überwiegt?

Mitzuhalten oder eine Schwäche einzugestehen? War es überhaupt eine Schwäche? Vielleicht vielmehr eine Erkenntnis, die ihr Leben bereichern könnte?

 

Während sie immer noch im schnellen Takt auf dem Band lief, entspannte sie sich. Ein Lächeln zog über ihr Gesicht und in diesem Moment ging die Sonne auf.

 

Ihre Finger bewegten sich über die Anzeige und drückten den Knopf, der die Geschwindigkeit verringerte. Immer langsamer bewegten sich ihre Füße. Der Takt verringerte sich und automatisch begann sie langsamer zu atmen.

 

Jetzt erst nahm sie ihre Umgebung wahr. Die Frau, die neben ihr lief und der Mann, der schon älter war und immer noch die Gewichte stemmte. Er lächelte ihr zu und zum ersten Male seit langer Zeit, fühlte sie eine Leichtigkeit, wie befreit.

Dem Hamsterrad entkommen, indem sie selber den Takt angab, der sie nicht mehr nach rechts oder links schauen ließ.

Mit einem weiteren Klick, brachte sie das Band zum stehen. Leichtfüßig stieg sie ab, jetzt war alles so klar …

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