Von Iris Reitzig
„Das soll Kunst sein?“
„Was denn sonst?“
„Einen Tisch in einen Teich stellen, 4 Modepuppen im Schwimmdress halb versunken
drum herum, die mit dümmlichem Gesichtsausdruck ins Nichts blicken.
Was soll dieses Ensemble für eine Aussage haben?“
„Die Interpretation liegt bei den Betrachtern.“
„Interpretation! Ich sehe hier höchstens eine kreative Gruppierung von Sperrmüll.“
„Schaufensterpuppen sind doch kein Sperrmüll!“
„Spätestens wenn man sie da wieder raus holt sind sie es, ebenso wie der Tisch,
das gammelt doch alles weg.“
„Vielleicht ist das die Aussage der Installation, sie soll uns die Vergänglichkeit vor Augen führen.“
„Bisschen viel Aufwand, oder? Da hätte man auch eine Banane vergammeln lassen können.“
„Das kann doch jeder, hier hat der Künstler sich bestimmt viele Gedanken gemacht, bis er auf
diese Lösung gekommen ist.“
„Graue Haare wird er darüber bekommen haben, da muss man schon ordentlich Gehirnschmalz verbrauchen, bis dabei ein solches Kunstwerk herauskommt. Warum bin ich nicht auf so eine Idee gekommen? Ich hätte 4 Lederböcke aus einer Turnhalle geholt und sie im Teich versenkt,
und zwar komplett, da hätte nichts mehr herausgeschaut, nur ein Schild mit der Aufschrift:
Hier ruhen 4 Turnböcke, sie haben es verdient! Und gleichzeitig hätte ich mein Schulsporttrauma überwunden.“
„Toll!“
„Ja, nicht? Frei nach Joseph Beuys, der behauptet hat, jeder kann Kunst, dazu muss man nicht die Mona Lisa malen können, es ist auch Kunst, wenn man irgendwo 6 Monate nach Weihnachten ein Tannenbaumgerippe hinstellt und Mettwürste dranhängt oder mit dreckigen Schuhen über ein Tischtuch läuft und es in Acryl gießt.“
„Joseph Beuys war ein anerkannter, wenn auch umstrittener Künstler, es ist nicht alles gleich Kunst, wenn man befremdliche Gegenstände und Materialien miteinander kombiniert.“
„Wenn ein paar Kilo Bratfett auf einem Stuhl nicht befremdlich sind, weiß ich auch nicht…
und dann noch so schräg aufgeschichtet, dass man sich nicht mehr draufsetzen kann.
Er hat uns nicht nahegebracht, wie es sich anfühlt in Bratfett zu sitzen.
„Du hast nur Unsinn im Kopf und von Kunst leider keine Ahnung.“
„Kunst sollte für jeden verständlich sein und nicht nur für elitäre Kreise.“
„Es würde mir schon reichen, wenn Du Objekte und Installationen mit etwas mehr Respekt begegnen würdest.“
„Warum sollte ich mir Respekt abnötigen für vier Schaufensterpuppen, die Gesichter machen als hätten sie einen Fisch verschluckt und die Badekappen und Schwimmbrille tragen, obwohl jeder Dummkopf weiß, dass sie gar nicht schwimmen können, wahrscheinlich nicht mal untergehen.“
„Doch, das können sie.“
„Was? Schwimmen?“
„Nein, untergehen. Beim Aufbau ist mir eine umgefallen und untergegangen.“
„DU bist der Urheber dieser, dieses, dies….. „
„Ja.“
„Oh!“
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„Da kann ich wohl nichts mehr retten, was?“
„Nein. Wir haben uns halt viele Jahre nicht mehr gesehen und inzwischen bin ich nicht nur einer von vielen Künstlern, sondern sogar Preisträger.“
„Für so etwas gibt es Preise?“
„Nicht dafür, für den häkelnden Staubsauger“
„Ich sage zu diesem Thema nichts mehr.“
„Aber ich kann sicher sein, dass ich eine ehrliche Meinung gehört habe, die Meisten tun zwar so als würden sie meine Kunst verstehen und schätzen, aber ich glaube, die Wenigsten sind ehrlich.“
„Es kann Dir doch egal sein, was die Leute denken, Hauptsache, sie kaufen Dir den Qua.., äh Deine Kunst ab.“
„Das habe ich auch gedacht, als ich auf dem Gelände einer Kunstausstellung meinen kaputten Regenschirm wütend in den Rasen gerammt habe, weil sich beim Aufklappen 2 Speichen durch den Stoff gebohrt hatten. Und als ich meinen Regenumhang aus dem Rucksack nehmen wollte, sah ich, dass darinnen ein Becher Joghurt ausgelaufen war, den habe herausgenommen und neben den Schirm gestellt, und der Umhang war voller Joghurt. Trotzdem habe ich ihn übergeworfen, es regnete ja so.
Und dann habe ich eine Flasche Selter geöffnet und mir über den Kopf gegossen, um den Joghurt abzuspülen, während in meinem Rucksack ein zweiter Joghurt explodierte.
Da kam ein Mann mit einer Reisegruppe um die Ecke und rief:
‚Und hier sehen Sie wunderbare Aktionskunst, meine Damen und Herren,‘ und damit fing alles an.
Ich weiß, dass ich mich auf Deine Verschwiegenheit verlassen kann, das wissen nur ganz wenige Menschen.“
„Selbstverständlich. Als ich vorige Woche Sperrmüll vor das Haus getragen habe, kam meine Frau mit einer alten Friteuse hinterher und stellte sie oben drauf. Als ich eine alte Matratze dazustellte, kippte die Friteuse um, und altes braunes Öl ergoss sich über den Sperrmüll.“
„Worauf willst Du hinaus?“
„Na, stell Dir vor, Beuys wäre in dem Moment vorbeigekommen.“
„Und wenn Banksy vorbeigekommen wäre?“
„Den Affen hätte ich mit einer Banane erschossen!“