Von Christa Blenk

 

Im Schlossgarten: Anwesend der Graf und seine Hausdame. Der Privatsekretär kommt später hinzu.

„Britta, so unternehmen Sie doch um Gottes Willen etwas. Diese Frauen, in unserem Teich, was machen die denn da? Sorgen Sie doch dafür, dass sie aus dem Wasser kommen und geschwind den Park verlassen.“

„Ich werde mich darum kümmern!“

Britta war nicht sicher, worauf ihr Arbeitgeber hinauswollte, denn sie konnte niemanden in dem Teich entdecken. War das wieder so ein Spiel von ihm. Irgendwie tickte der manchmal nicht richtig. Letzte Woche waren es gestreifte Hunde, die angeblich scharf auf sein Mittagessen waren und jetzt die badenden Frauen im Teich. Einen Hang zum Surrealismus hatte er ja immer schon. Britta dachte an das Vorstellungsgespräch vor ein paar Jahren. Da waren nicht Zeugnisse oder Referenzen das Ausschlaggebende sondern ein Ganzkörperporträt seiner Großmutter väterlicherseits, oder war es seine Urgroßmutter? Egal! Der Graf wollte wissen, was sie tun würde, wenn seine Vorfahrin plötzlich aus dem Rahmen steigen würde, worauf Britta ohne nachzudenken antwortete:

„Ich würde ihr einen schönen Tee mit Sahne machen und dazu kleine, rechteckige Gurkensandwiches reichen!“

Britta bekam den Job.

Wenn er wenigstens verraten hätte, um wie viele Frauen es sich handelte. Und wer badet denn überhaupt im März freiwillig in so einem schlickigen Teich?

Britta würde bei Gelegenheit die anderen Mitarbeiter über die neue Marotte befragen. Soweit sie wusste, hatte er die Hunde nur ihr gegenüber erwähnt und jetzt war wieder niemand in der Nähe, der die Nichtanwesenheit der Badenden hätte bezeugen können.

„Jetzt gehen Sie schon hin und schicken Sie die Damen weg. Die erkälten sich ja noch und dann sind wir verantwortlich. Ist ja schließlich unser Teich, obwohl das Baden-Verboten-Schild doch eigentlich gut zu sehen ist. Was meinen Sie, Britta, brauchen wir ein neues, größeres und aussagekräftigeres Schild?“

„Nein, das Schild ist groß genug und informiert allumfänglich. Aber vielleicht könnte mir Daniel helfen. Auf einen Mann hören die Frauen vielleicht eher. Ich werde ihn schnell holen, wenn Sie nichts dagegen haben?“

„Von mir aus. Hauptsache, sie gehen jetzt bald. Oder warten Sie, ich rufe Daniel schnell selber an und bitte ihn, hurtig zu uns in den Garten zu kommen.“

Britta murmelte etwas vor sich hin. Obwohl der Sekretär etwas versnobt und blasiert war, hätte sie ihn gerne gewarnt. Auf der anderen Seite sollte er ruhig auch mal blöd dastehen, ging es ihr schadenfreudig durch den Kopf. Er hielt sich eh für was Besseres und es wäre interessant zu sehen, wie er mit dieser Situation umgeht.

Drei Minuten später kam Daniel angelaufen. Er hatte sich gleich zu Beginn seiner Tätigkeit den Titel eines Privatsekretärs gegeben und stimmte seinem Chef generell in allem zu. Seit er hier war, war das Leben auf dem Gut schwieriger geworden und niemand wies den Grafen in seine Schranken. Dabei war der betagte Herr ja eigentlich ganz in Ordnung, fast immer sehr zuvorkommend, nur halt progressiv exzentrisch.

Britta wartete, bis ihr Arbeitgeber Daniel auf die Situation ansprechen würde. Aber das schien dieser nicht vorzuhaben. Er hatte sich schon umgedreht, um wegzugehen. Blieb dann aber doch stehen und schaute auffordernd auf Britta, der nun nichts anderes übrig blieb, als die Situation zu kommentieren:

„Daniel, hilf mir bitte, die badenden Ladies aus dem Teich zu locken. Zu zweit schaffen wir das vielleicht eher. Der Herr Graf möchte, dass sie endlich den Teich verlassen. Den ganzen Tag amüsieren die sich schon im Wasser und stiften Unruhe.“

„Na, na, jetzt übertreiben Sie mal nicht, Britta. Die Damen benehmen sich doch sehr gesittet und befinden sich gerade mal eine Stunde im Teich. Sie sind ja noch beim ersten Martini.“

„Geschüttelt oder gerührt?“

„Wie meinen?“

„Schon gut!“

So erfuhr Britta wenigstens, was diese Frauen im Wasser taten. Sie schwammen also nicht, sondern tranken Martinis. Ob sie wohl auch Oliven hatten?

„Wie doch die Zeit langsam vergeht heute“, sagte Britta kleinlaut und schaute auf Daniels entgleistes Gesicht.

„Fragen wir zuerst die Blonde, die scheint älter zu sein und ist vielleicht die Vernünftigere“, sagte Britta beherzt und hoffte inständig auf eine Blondine unter den vier Damen.

„Also jetzt bin ich aber mal gespannt, wie Sie mir das erklären. Woher wollen Sie denn wissen, dass eine Dame blond ist. Die tragen doch alle Badekappen. Sehen Sie das denn nicht?“

„Ach so, ja, das Gegenlicht und das trübe Wasser, da habe ich wohl die gelbe Kappe mit den Haaren verwechselt.“

„Wieso gelb. Ich sehe nur eine blaue, eine rosafarbene, eine türkise und eine hellgrüne. Gelb gibt es nicht und das Wasser ist so klar, dass sich die Damen sogar darin spiegeln.“

Jetzt weiß ich endlich, dass es sich um vier Frauen im Teich handelt, denkt Britta und fühlte, wie sie langsam der Situation Herr wurde.

„Grün oder Gelb, das macht ja keinen großen Unterschied. Sie wissen doch, der Lichteinfall, das grüne Schilfgras und außerdem ist Gelb sehr schwer zu definieren. Fragen Sie mal einen Künstler“, meinte Britta kleinlaut. War das nun zum Lachen oder zum Weinen?

„Jetzt hören Sie schon auf zu reden und schicken Sie die Frauen endlich weg!“

Der Graf blickte ungeduldig auf Britta und Daniel und schüttelte verzweifelt aber heftig seinen grauen Kopf.

„Daniel, so sagen Sie doch auch mal was“, wandte sich der Graf nun direkt an seinen Privatsekretär und blickte ihn streng an. Dieser nahm sofort Haltung an und blickte angestrengt auf den Teich, in der Hoffnung, vielleicht doch etwas erspähen zu können, um sich dann mit tatkräftigen Schritten direkt auf den Weg dorthin zu machen. Britta folgte ihm in geringem Abstand.

„Sind sehr schön unsere Seerosen!“ Daniel tat Britta nun fast leid in seinem Bemühen, die Situation in den Griff zu bekommen.

„Seerosen? Was denn für Seerosen, es ist doch viel zu früh für Seerosen. Also was ist denn heute los mit Ihnen beiden? Haben Sie gestern gefeiert? Hoffentlich nicht zusammen! Ich muss doch sehr bitten, jegliches Techtelmechtel oder sogar Liebeleien zwischen meinen Angestellten zu unterlassen. Gott bewahre, die Folgen.“

Britta konnte ihr Lachen nur noch schwer verbergen, hielt kurz den Atem an und schüttelte dann heftig den Kopf. Sie würde zu dem Thema Seerosen keine Meinung haben. Aber Daniel steckte das bewundernswert gut weg. Er stand nun direkt am Teich und redete beherzt auf die Badegesellschaft ein.

„Meine Damen, ich darf Sie doch bitten, unverzüglich dieses Gewässer zu verlassen. Wie Sie auf dem Schild haben lesen können – Sie haben unser Schild doch gesehen? – ist das hier Privatbesitz und der Teich befindet sich im Garten des Schlosses. Wie sind Sie denn überhaupt hereingekommen?“

Britta stand nun neben Daniel und versuchte, seinen Blick einzufangen, was ihr aber nicht gelang. Sie ging näher an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr:

„Der nackte Kaiser!“ Aber Daniel konnte damit nichts anfangen und blickte sie nur ausdruckslos an. Seine Gesichtsfarbe hatte nun einen rötlichen Ton angenommen.

„Märchen“, warf sie ihm nun etwas lauter an den Kopf.

„Was für ein Märchen? Wir sollen die Frauen wegschicken und ihnen kein Märchen erzählen“, entgegnete er ihr schnippisch.

Typisch Daniel. Definitiv, er kannte das Märchen nicht. Vielleicht kannte es ja der Graf und das Ganze war einfach ein Test, ob wir auch unseren Jobs gewachsen sind. Fuhr es Britta durch den Kopf. Mittlerweile fand sie die Situation nur noch komisch, zumal jetzt Daniel die Hauptrolle übernommen hatte.

„Die Größere hat mir versprochen, sie würden gleich gehen“, sagte Daniel nun stolz und mit vorauseilendem Gehorsam, während er triumphierend auf seinen Arbeitgeber blickte.

„Wieso die Größere, ja sind Sie jetzt beide blind. Die sind doch alle gleich groß!“

„Pardon, ich meinte die Ältere.“

„Gleich alt dürften die auch sein. Also nein, wirklich. Mir scheint, ich muss die Angelegenheit nun doch selber in Angriff nehmen und mich höchstpersönlich darum kümmern, dass hier wieder Ruhe einkehrt.“

Diesen Satz aussprechend, trippelte der alte Graf nun seinerseits eifrig in Richtung Teich, blieb auf der linken Seite stehen, drehte sich kurz zum Wasser hin und sagte mit fester und ernster Stimme:

„Verehrte Damen, ich mache mir Sorgen um Ihre Gesundheit, wenn Sie so lange in dem frischen Wasser baden und obendrein kalte Getränke zu sich nehmen. Wo haben Sie die überhaupt her? War unser Koch so freundlich? Tun Sie mir doch den Gefallen und steigen Sie aus dem Wasser. Mein Privatsekretär und meine Hausdame werden Ihnen gerne beim Abtrocknen helfen.“

Der Graf wartete ein paar Sekunden, nickte dann heftig mit dem Kopf und meinte:

„Natürlich können Sie Ihr Picknick noch aufessen und ihre Martinis austrinken, aber beschweren Sie sich morgen nicht, wenn Sie eine Erkältung haben. Ich muss mich jetzt leider verabschieden. Wenden Sie sich an meine Mitarbeiter. Diese werden sie hinausbegleiten, sobald Sie angezogen sind natürlich.“

Mit diesem Satz verließ der Graf die Wiese, blickte kurz kopfschüttelnd auf seine beiden unfähigen Angestellten und meinte herablassend:

„Wozu habe ich eigentlich Personal, wenn ich alles selber machen muss?“

Britta schaute auf Daniel, dieser schweigend und mit zusammen gekniffenen Augen auf den Teich. Er hegte wohl immer noch die Hoffnung, doch noch eine Cocktail schlürfende Pool-Gesellschaft im Wasser ausfindig machen zu können. Sein verzweifelter Gesichtsausdruck verriet ihr aber, dass dem nicht so war. Ein paar Minuten später blickte er auf Britta und meinte:

„Ob die Damen wohl jetzt soweit sind und wir sie abtrocknen, ankleiden und nach draußen begleiten dürfen? Hast Du ein Handtuch dabei? Ich nehme dann rosa und grün und Du die anderen oder sollen wir ihnen noch ein paar Minuten geben?“

„Kennst Du jetzt wirklich das Märchen vom Kaiser mit den neuen Kleidern nicht?“

„Nein! Bist Du nicht zu alt für Märchen? Aber Du scheinst es zu kennen und hast trotzdem die Farbe der Badekappen falsch geraten. Wo bleibt also Dein Informationsvorsprung?“

„Und die Seerosen?“

„Was für Seerosen?“

 

V3 – 9990 Z