Von Martin Fiß

Das Wasser steht mir bis zum Hals. Okay, nicht bis zum Hals. Man sollte korrekt bleiben. Bis zur Brust. Warze.
Bis zur Warze. Um korrekt zu bleiben: Bis zu den Warzen. Nur bei Erin nicht. Bei Heidi auch nicht. Da bis zu den Schultern. „Und Erin fasst der Heidi von hinten an die Schulter…“- ne, tut sie nicht. Steht genauso stocksteif rum wie ich. Wie wir alle. Sonja ist ja auch noch da. Vier sind wir. 

Oh, wie ich das hasse. Sooo langweilig. Aber es gibt Kohle. Immerhin. Da kann man schon mal wie blöd im Wasser stehen und ins Leere starren. Alles für die Kunst. Kunst. Was für ein Humbug. Na ja, solange es Leute gibt, die in solchen Dingen etwas sehen. Oder irgendwelche Aufgaben draus ableiten.
Ja, „Schreibe eine Geschichte zu dieser Szenerie“. Gibt`s bestimmt. Verrückt. Mir ist kalt. Warum hier im Tümpel? Meine Beine stecken im Schlick. Andere bezahlen dafür. Ich bekomme es quasi umsonst. Im Pool wäre es bestimmt wärmer. Ohne Schlick. 

Da krabbelt etwas auf meiner Lippe. Bestimmt eine Mücke. Stich mich nicht, du Biest. Stich Sonja.
Die hat ja sowieso einen. Einer mehr oder weniger fällt da doch gar nicht auf und auch nicht ins Gewicht. Gewicht. Das ist ja auch so eine Sache. Schlank zu bleiben ist die Devise. Schlank. Bin doch eher schon dürr. Geht ja aber auch nicht anders in diesem Geschäft.
Der fette Sack hinter der Kamera hat’s gut. Lutscht an seiner Cola. Und wir? Haben hier nur Wasser stehen.
Im Sektglas. Was für ein Hohn. Ist aber auch egal. Trinken dürfen wir ja eh‘ nicht.
Wir dürfen uns ja nicht bewegen. 

Wenn die verdammte Mücke mich jetzt sticht, kann ich nichts machen. Kann das Mistvieh nicht einmal verjagen oder abmurksen. Wer denkt sich so einen Quatsch aus. Sonja.
Die hat uns hier mit angeschleppt und ich doofe Kuh sag‘ auch noch ja. 

Immerhin muss ich sie nicht anstarren. Fixiere die ganze Zeit Heidis grüne Badekappe. Hässliche Farbe. Passt zur Farbe des Tümpels. Dümpel-Tümpel. Meine ist schöner. Eigentlich die schönste von allen. Wenn man überhaupt von „schön“ reden kann. Warum mussten wir die Dinger aufsetzen? Falls es mal regnet? Wenn wir im Stadtbad wären – okay. Aber hier? Ich mein‘, im Stadtbad kann es ja gar nicht regnen. Ist ja ein Dach drüber. Ach, egal.

Ich weiß gar nicht, was das für ein Kackspiel ist, das da vor uns auf dem Tisch steht. Alles aus Plastik. Muss das eigentlich sein? Hätte doch was aus Holz sein können. Sowieso besser, wenn das hier mal ins Wasser rutscht.
Ins Wasser rutschen… Das gibt bestimmt ein großes Geschrei, wenn es passiert. Wenn ich den Tisch jetzt mal ein bisschen anhebe und in Schieflage bringe…
Sonja wird dann aber auch sauer sein. Sie hat uns das Shooting hier ja vermittelt. Steht ja damit in erster Reihe, was die Verantwortung angeht. Sozusagen in der Shoot-Linie. Kack-Shooting. 

Oh nein, nicht wirklich. Ich war doch noch extra vorher. Es ist das kalte Wasser. Das regt an. Schnell an was anderes denken. Z.B. an die Kohle auf dem Tisch. Wenn die echt wäre. Wenn es 1 Million wäre. Was würde ich machen? Irgendetwas kaufen.
Ein Haus! Mit großem Badezimmer, Bidet und Kloschüssel aus Marmor…
Oder Windeln, Kohletabletten, Toilettenpapier, Donnerbalken, …
Ich will kein Geld!

Marienkäfer! Ganz viele kleine Marienkäfer krabbeln auf der Wiese und machen einen Bogen um Heinrich, den Hund, den flotten…
Die Azteken! Was für eine phantastische Hochkultur sie doch schufen. Montezuma, der Gute. Bitte räch‘ dich nicht. Bitte, bitte! 

„Wir sind durch. Danke an alle! Kommt aus dem Wasser, wärmt euch auf. Labt euch am Catering. Entspannt euch, bewegt euch, lasst alles raus, was sich so in der letzten Stunde angestaut hat.“

Schon passiert.

 

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