Von Clara Sinn

Sie hatte noch nicht abschließend entschieden, ob ihr das neue Kunstwerk im Stadtpark gefiel: Vier Schaufensterpuppen mit bunten Badekappen und in Badeanzügen waren, bis zu den Schultern im kleinen Teich versenkt, um ein Tablett gruppiert mit sowas wie kleinen Kaugummiautomaten darauf, sie konnte beim besten Willen nicht ausmachen, was die Gebilde sonst darstellen sollten.

Etwas Ähnliches hatten sie früher auch einmal gemacht, zu zweit, im heimischen Schwimmbecken.

In glücklicheren Tagen.

Warum sollten die überhaupt vorbei sein?

Ja, es mochte sich Etliches angehäuft haben, fehlende Beachtung, kleine Niederlagen, Nickeligkeiten, der eine oder andere Stich, Ungelöstes, auch Unlösbares, normale Zwickmühlen der Ermattung einer in die Jahre gekommenen gepflegten Ehe.

Aber all das musste doch nichts heißen!

Wenn sie selbst es nicht wollte.

Sie entschied, ganz in ihrer Art, Härtefallbeschlüsse besonders zu bevorzugen, alle Ungerechtigkeiten, Verstimmtheiten, Haderattacken, Resignationsanfälle und allem voran die Überzeugung einer grundsätzlichen Ausweglosigkeit, auf einen Schlag zu vergessen.

„Ich bin wieder so glücklich und dankbar wie an dem Tag, als du vorgeschlagen hast, dass wir zusammenziehen.“ Er blickte zu ihr auf, ließ sein Computerspiel abstürzen. „Möchtest du also beim Restart mitziehen?“, setzte sie noch ein einziges Mal nach.

Wer wusste schon, ob dieser ältere stumm zurückgezogene Herr vor ihr im behaglichen Bürostuhl nochmal durchzuckt würde von einem eigenen magischen Spontanblitz ob der anstehenden ungeahnt neuen Perspektiven für die nicht mehr so lange zukünftige Zeit.

Es war jedenfalls an dem, dass dieser Mann aller Erwartungen seiner Frau gerade ledig geworden war, unausgesprochener, heimlicher und allerheimlichster. Sie zumindest hatte es sämtlicher alten Routinen so schlagartig wie unwiderruflich enthoben.

Und sie sah sich plötzlich. Frau in einem wohleingerichteten Haus am Stadtrand, die ein Glas Sekt trinken würde an einem auf die ausladenden Schwimmbadtreppen platzierten Beistelltisch samt Gartenstuhl, alles so austariert, dass die Oberfläche des Wassers glatt mit der Tischkante abschloss und ihre Schultern erquickend umspielte.

Allein oder zu zweit.

Alles, um einem einzigen schönen Moment Leben zu verleihen und ihn einzusammeln für spätere Erinnerungen. An allerlei beglückende Grillen, verrückte Freuden, einer ganzer Serie von Begeisterungssplittern kindlich reiner Einfälle ohne Reue.

Sie trank eben noch ein Schlückchen und schwang sich los, ein paar Bahnen zu durchmessen vor dem nächsten Nippen an der goldverzierten Ritzenhoff-Flöte, es tat unaussprechlich gut, sich dahintragen zu lassen von diesem verwöhnend warmen Nass, das ihr Element war.

Was sie sich alles aufgespart, missgönnt, versagt hatte! Aus Versehen.

Wie lange hatte sie mit all dem gewartet! Irrtümlich.

Den so angenehm leichten Reisebademantel aus weicher, reiner Mattseide auch zu Hause zu tragen – jeden Tag. Und ihre Lieblingskerze in der ausladenden Blumenform tatsächlich anzustecken – und abbrennen lassen. Zu Sterben. Erst nach vollends aufgebrauchtem Daseinsvorschuss – noch

hienieden.