Von Maria Monte

Dichte Dunkelheit umfängt mich. Der über dem Boden liegende Nachtnebel schmeckt fad. Nicht weit weg muss es ein Moor geben, ich rieche feuchte, moosige Erde. Und plötzlich meine ich, Stimmen zu hören, nein, vielmehr undefinierbare Laute. Oder ist es nur ein Raunen, Rauschen? Mich treibt es voran. Meine Beine werden schneller, immer schneller. Nur heraus aus diesem Wald! Vor mir bekommen die Bäume Arme, Beine, werden Gnome, Riesen. Überall blicken mich grinsende Gesichter von Horrorgestalten an. Lange Nasen, breite Mäuler, dicke Bäuche schieben sich aus dem Buchenwald auf den in mattem Mondlicht liegenden schmalen Weg. Sie scheinen zu kichern. Nein, es ist mehr ein quietschendes Schnalzen, das immer näherkommt. Ich haste den schmalen Pfad entlang, ohne ein Ende zu sehen. Meine Sinne versuchen kurz, Möglichkeit und Wirklichkeit auseinander zu halten. Es bleibt keine Zeit dafür. Ich gerate ins Stolpern, versuche mich zu fangen. Ich torkele, greife nach den nah geglaubten Armen und falle. Dabei fasse ich in eine glitschige Masse. Es schmatzt jetzt laut und vernehmlich. Mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Ich liege in einem extrem feuchten und schmierigen Etwas und muss würgen. Warum kann ich nicht aufstehen? Ich rutsche auf meinem Hinterteil umher und suche nach Halt. Immer neu gleiten mir die Füße in der Schmiere weg, ich komme einfach nicht hoch. Suchend fassen meine Hände ebenfalls in diesen matschigen, ekligen Untergrund. Ich stemme mich dagegen, rutsche wieder weg. Kein fester Boden scheint mehr vorhanden zu sein. Das Schnalzen und Giggeln umgibt mich wie eine riesige Woge aus dem Meer. Inzwischen rinnt mir der Schweiß von der Stirn. Er läuft über mein Gesicht, ich schmecke das Salz. Aber ich kann es nicht einfach so abwischen, meine Hände scheinen in der Glibberknete festzukleben. Immer wieder versuche ich, mich mit aller Kraft hochzustemmen und rutsche im gleichen Moment doch wieder weg. Sinnlos! Bald verlassen mich die letzten Kräfte. Ich fühle mich hilflos, schrecklich ausgeliefert und möchte schreien. Nur ein heiseres Krächzen verlässt meinen Mund. Es bleibt das blanke Entsetzen.

Das Raunen und Glucksen ist jetzt ganz dicht neben mir, ich spüre Atem an meinem Gesicht. Oder war es nur der Wind? Für einen kurzen Moment kommt der Mond mit seinem fahlen Licht hinter einer Wolke hervor. Ich liege auf dem schmierigen Erdreich und mit mir sind hunderte, vielleicht sogar tausende Nacktschnecken ausgerechnet auf diesem Pfad unterwegs. Kalter Schleim beginnt, mich einzuhüllen. Die Viecher schieben sich über mich, auf mich und hinterlassen jede für sich ihre Spur. Wie gerne würde ich sie ergreifen und wegschleudern! Meine Arme liegen noch immer schwer und wie festgeklebt neben mir. Leider lassen sich die Schnecken nicht beirren, sie suchen sich ihren Weg. Sie gleiten über mein Gesicht, über meine Arme, meinen Körper. Überall sind sie. Ich fühle mich wie in einer Erdhöhle durch ihre klebrige Schleimspurt eingesponnen. Und ich habe keine Kraft mehr, etwas dagegen zu tun.

 

Schweißgebadet werde ich wach. „In einem dunklen, dunklen Wald, da steht ein dunkles, dunkles Haus….“ Ich habe den Enkeln wohl zu viel von meinen Ferienlagererlebnissen erzählt. Die Nachtwanderung durch den Buchenwald mit den Unmengen von Nacktschnecken werde ich sicher nie vergessen.

 

Variante 2

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