Von Ernad Bradaric

Wo soll das Brot herkommen, für das ich morgen arbeite?                                            Woher soll das Vertrauen herkommen, wenn wir doch alle einander hassen?     Woher sollen unsere Männer herkommen, wenn sie alle in Europa und Asien abgeschlachtet werden?

Das Fenster war offen und die Türe zugesperrt als ich in meinem weißen Sommerkleid meine Wohnung verließ. Es war Sonntag und das einzig’ Lebende auf den Straßen, war ein leichter Windhauch, der meinen Hut- selbstredend aus der neuesten Saison- streifte.

Die Hitze der Stadt wurde alsbald für uns alle unerträglich, und so zwängte auch ich mich in immer dünner und kürzer werdenden Kleidern, und immer noch schwitzte alles Leben unter der erbarmungslosen Sonne des Sommers 1943.

Sehen Sie, es wird immer schwerer, einen Mann abzubekommen. Gottverdammtes Amerika, warum lässt du unsere Männer vor dem deutschen Gewehr zittern, und deine Frauen unter der sengenden Sonne schwitzen?

Warum vergnügt sich deine Jugend hemmungslos in den unzähligen Bars der großen Städte, während alle die deinem Schönheitsideal, dem ,white native’, nicht entsprechen, überlegen müssen, wie sie den nächsten Tag überleben könnten? Warum feierst du deine Stars als Legenden des Jazz, während die wahren Künstler hausen müssen wie die Bettler? Wach auf, verträumtes Amerika!

Ich habe eine Verabredung in einer der vielen Bars meiner Stadt, einem Ort, der den wahren Männern beraubt wurde. John G. Stuart hatte viel Glück in einem Reich der verdammten. Als weißer Mann hat man es hier schon leichter als alle anderen. John S, war ein Kind texanischer Farmer, doch die Landflucht hat auch ihn in die Stadt getrieben, und so ist das einzige, was ihn an seine konservative Heimat erinnert, die Messen an heilig’ Abend und zu Ostern. Verstehen Sie mich nicht falsch, John ist natürlich ganz der Farmerjunge geblieben, aber man nimmt ja, was man kriegen kann. Es bleibt nicht viel übrig, als über seine ,Hau den Schwarzen’- Anekdoten hinwegzulachen. Dass er seine letzte weibliche Bekanntschaft ebenfalls geohrfeigt hat, da diese nach seinem Geschmack dann doch zu leicht bekleidet war, ist nicht mehr als ein taubes Schmunzeln wert.  ,,Oye! Como va? Und schon gab es eine trockene Bemerkung über die ,Hispanics’, für ihn eine spanischsprechende Krankheit aus dem Süden. Dass der Herr, dem er diese Beschimpfung zuwarf, einerseits Portugiesisch sprach, andererseits ebenfalls der englischen Sprache mächtig war, spielte in diesem Kontext keine Rolle. John Stuart ist ein grausamer Mann, und unerträglich obendrein.

Aber man nimmt sich, was man kriegt, und mehr ist nicht möglich, nicht hier und nicht zu diesem Zeitpunkt? Kapitalismus? Verschonen Sie mich. Der amerikanische Lebenstraum mündet für die Wenigsten in etwas Brauchbares. Geheiligte Vereinigte Staaten, wieso überlässt du uns nur die schlimmsten Ekel und verpestest unser Weltbild?

Ich warte, abgeholt zu werden. John G. Stuart kann sich noch kein Automobil leisten, aber die Bar ist immerhin ganz in der Nähe. Aus der Ferne also, nachdem ich gewartet habe, zu lange gewartet habe, taucht Leben auf. Er, ebenfalls mit Hut, weißer Hose und einem eleganten elfenbeinfarbenen Hemd. Wir ergänzen uns in und mit einer strahlenden Mode, unter sengender Hitze, ganz in der Farbe des Friedens, während anderswo Witwen verhungern, aushungern, ihre Söhne und Töchter auch nicht mehr ernähren können.

Ich bin unterwegs mit einem Mann, der sich als das wahre ,amerikanische Blut’ versteht. Ich betrinke mich mit einer schwarzen Seele, einem texanischen Idioten, einem Idiom, weshalb dieses gottverlassene Amerika, sich auf Bars und ,Rothäute’ stürzt, ohne zu erkennen, wie viele Seelen über dem ,großen Teich’ brennen, blind um zu sehen, wie viele Mäuler in der eigenen Heimat kaum gestopft werden können. Obrigado, liebe Heimat, du lässt mich einen Verbrecher lieben. Und auch wenn ich all’ das Leid der gar spüre, tief unter meiner Haut, spüle ich lieber meine eigenen Sorgen mit einem Glas Whiskey mittleren Klasse runter. Exzess, ist kein Begriff dafür, in was sich die Welt stürzt. Gracias, du verdorbenes Stück Welt, lässt eine tiefe Wunde zwischen dir und der Moral aufklaffen. Diese Wunde blutet, da hilft die Freiheitsstaue nicht, das füllen auch nicht tote deutsche Soldaten aus. Manchmal glaube ich, dass das einzige noch verdorbenere Land, das Reich unter dem Mörder mit Bärtchen ist. Dann fällt mir auf, dass alles nicht mehr zu retten ist, zu viele wurden aus Blindheit ermordet, zu viele Schulen strikt in ,white or black’ getrennt, zu viele glauben der Propaganda der Schlimmsten, und viel zu oft wurde das eigene Mutterland verflucht, um von den anderen wilden Beschimpfungen abzusehen.

Verfluchtes Amerika, du lässt auch meinen Verstand benebeln, und mich mit einem Unmöglichen gehen lassen. Die Vereinigten Staaten lassen zu, mich mit einem Rassisten zu betrinken. ,Schau mir in die Augen,Kleines.’’ Zu oft hast du schon das kopiert, was du nie erfinden hättest können. John, warum musstest du diesen Afroamerikaner totschießen, der doch offensichtlich im Rausch und obdachlos war. Mr. Stuart, was erlaubst du dir, jede Frau niederzumachen, die nicht in dein Schema passt?’’ G., ich habe beobachtet, und es reicht. John G. Stuart, heute werde ich dich in unserem, pardon –deiner- geliebten Bar vergiften. Eine Frau wie ich, findet ihre Wege, im Haarschopf lässt sich immer ein Döschen Gift verstecken.

Also trink du nur deinen amerikanischen Whiskey, deinen maskulinen Cocktail, und vergiss’ ja nicht das Bier zum Nachspülen, denn jeder Tropfen wird dich deinem Tod näherbringen. Hohe Vereinigte Staaten, geehrter Mr. John Gershwin Stuart, heute klebt an meinen Händen, das heißt am weißen Kleid Martha Collins, das Blut eines Rassisten und Vergewaltigers.

Thanks, Gracias und Obrigado, blinde USA, 1943.