Von Anne Zeisig

„Mama Mia!“ Der alte Giovanni raufte sich mit den kräftigen Händen durch das graumelierte Haar und wischte sie an seiner dunkelroten Kochschürze ab. „Immer! Immer habe de Kochmaestros Weiß getrage!“

„Wegen der Hygiene!“, pflichtete ihm Maria bei, seine kleine untersetzte Ehefrau, welche gerade die Gambas entdarmte und eine bunte durchgeknöpfte Kittelschürze trug. „Weiße Baumwolle ist bei 95 Grad waschbar“, sagte sie nun leiser, weil sie wusste, dass weder ihr Mann noch der Filius Ahnung davon hatten.

„Aber schau dir Mama an!“, rief der Sohn. „Ihr Kittel ist doch das Letzte! Ich will eine einheitliche moderne Linie fahren!“ Er lehnte sich stöhnend gegen den Dampfgarer.

„Und was isse das?“, sein Vater zeigte auf das Gerät. „In italienische Küche brauche wa nicht Produkte, welche gegart werde in dem Dampf von Wasser!“

Mama Maria hielt die Flasche hoch: „Brauchen wir nur gutes italienisches Olivenöl in heißer Pfanne als Träger von Geschmacke!“

Adriano wendete sich kurz ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn und die Hände an seiner Kochjacke ab, wie der Vater, an dieser dunkelroten, wo auf der Brusttasche der neue Name des Restaurants eingestickt worden war.

‘Adriano Internationalo’

„Stammgäste kenne uns als Mama Maria un Giovanni.“ Vaters dunkle Augen füllten sich mit Tränen. „Habe all die Jahr gelobt de Minestrone un Pizza mit de Mozzarella von de Büffel und Rucola!“

Der Sohn umarmte den Papa: „He. Beruhige dich.“ Er tätschelte seinen Rücken. „Aber man muss mit der Zeit gehen, Patrone.“ Löste sich von ihm und schaute ernst, blies sich eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn. “Vom derzeitigen Umsatz können wir nicht überleben.“ Adriano räusperte sich. „Die Stammgäste, von denen du sprachst, sie sterben leider aus.“

Er drehte sich herum und plättete einige Kalbsschnitzel, wies seine Mutter an, sie möge den Teller mit warmem Kartoffelsalat bestücken und einer Spalte Zitrone.

„Bist sicher, Filius, dass wir für ein ‘Wiener Schnitzel’ taugen?“, säuselte sie und schob die Gambas, glasig in Knoblauchöl gesotten, beiseite. Und auch die geschmelzten Kirschtomaten.

Giovanni holte widerwillig ein Schnitzel aus dem Dampfgarer, ließ es in die heiße Pfanne gleiten, damit es auf seiner Panade Röstaromen erhielt, hätte es lieber von Beginn an in Olivenöl durchgebraten.

„Beim Dampfgaren bleibt ‘s saftiger“, hatte Adriano erklärt und Butterschmalz in die Pfanne getan. „Nur dann ist es ein Original ‘Wiener’!“

Wandte sich ab und war anderweitig beschäftigt.

Giovanni zwinkerte seiner Frau zu und flüsterte: „Leg de gesottene Gambas obenauf, garniere de Aioli mit de Tomaten drumherum, es wirde schmecke dem Gaste.“

Maria nickte beflissen.

Sie sah zu ihrem Sohn, der ihnen immer noch den Rücken zugedreht hatte, lächelte verschmitzt ihren Mann an, legte noch Oliven hinzu und ein paar Blätter Salbei drumherum.

Betätigte die Küchenklingel: “Kalbsschnitzel nach Adríano-Internationalo-Vienna-Art für den Gast Tisch Numero uno!“, rief sie zur Bedienung in den Gastraum und reichte ihr auf der flachen Hand voll innerem Stolz den Teller.

„Zweimal Burger nach Bologneser Art für Tisch Drei“, sagte ihr die Kellnerin eilig bei der Tellerübergabe.

„Wirde gemacht!“, sagte Giovanni und setzte hinzu: „Aber mit de Brot nach de Art von unsere Bruschetta.“

„Aber Papa!“

Mama Maria wischte sich ihre Hände an der Kittelschürze ab.

 

Version 2