Von Barbara Maahs

Es ist weiß. Alles um mich herum ist weiß und glänzend. Die anderen hatten mich gewarnt. Und nun bin ich hier. Wie soll ich jemals wieder nach Hause finden?

Hatte ich mich zu weit hinausgewagt? Meine Geschwister eilten so schnell in alle Richtungen davon, dass ich nicht mehr nachkam und der Wind mich hier hineingeweht hatte.

Ein großer Schatten erscheint über mir. Reflexartig ducke ich mich. Nach einem lauten Quietschen, dringt ein betörendes Rauschen in meine Ohren. Der Schatten verschwindet so schnell wieder, wie er gekommen ist.

Was ist das? Nässe unter meinen Füßen. Ich versuche aus der weißen Hölle zu entfliehen, aber rutsche immer wieder ab. Das schaffe ich nicht! Ich werde hier sterben! Aber ich bin doch noch so jung! Ich wollte noch so viel erleben.

Das Wasser steigt weiter. Während ich versuche auf der Oberfläche zu laufen, sinke ich ein. Als ich wieder auftauche, zieht eine bauschige Wolke aus durchsichtigen Bläschen an mir vorbei. Beherzt versuche ich an ihr hochzuklettern, und es funktioniert. Der Duft von Lavendel strömt in meine Nase.

Mein kurzes Leben zieht an mir vorbei. Ich sehe Tante Thekla, die uns immer vor den Gefahren in den großen gemauerten Bergen in der Parallelwelt gewarnt hatte. Und meinen besten Freund Arac, der immer für einen Spaß zu haben war.

Nein! Ich darf nicht aufgeben!

Während ich noch den nächsten Schritt überlege, taucht der Schatten wieder auf. Ich quetsche mich ganz dicht an die Wolke. Ein großer beiger ovaler Ball erscheint und ich sehe zwei bewegliche blaue Punkte. Ein großes Loch öffnet sich und dumpfe Laute dringen zu mir herüber. Ich habe Angst! Nun sehe ich auch den roten Rahmen.

Fünf komisch aussehende große beige Äste bewegen sich bedrohlich in meine Richtung. Ich will mich verstecken, aber wo? Wenn ich mich ins Wasser stürze, ertrinke ich.

Zu spät.

Die blauen Punkte und das rot umrandete Loch kommen näher. Und die dumpfen Laute erschallen noch lauter. Ich bin erstarrt und schließe die Augen. Das war‘s!

Ich spüre, dass sich meine Position verändert. Ein Auge öffnend, sehe ich, dass ich von einem der beigen Äste hochgehoben werde. Ein leichter Luftzug streift mich und Kühle umschließt meinen Körper. Auf einmal sacke ich ab und erschrocken stelle ich fest, dass ich mich im freien Fall befinde. Ich schreie und öffne auch das andere Auge. Ein Rhododendronstrauch taucht auf und unsanft lande ich auf einem seiner Blätter. Während ich mich aufrappele, stelle ich mit Erleichterung fest, dass ich nicht verletzt bin. Ich denke nur:

Ich lebe! Ich, die kleine Spinne Tarantula.

Version 2

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