Von Rita Grill

Es war ein warmer Sommerabend, die fleißigen Ameisen hatten noch so viel zu erledigen vor dem kommenden Winter. Bevor die kalte Jahreszeit jegliche erträgliche Körner versagte, musste gesammelt werden bis ins Unermessliche. Im Ameisenbau wuselten die Schwestern herum, sie gingen aus und kamen voll beladen wieder nach Hause zu ihrer Königin, der Mutter alles Lebens in unserem Bau. Um sie zu erhalten gäben sie alles.

Zur selbigen Zeit als die Ameisen dieser Geschichte ihre Arbeiten verrichteten, bestellten sich eine hungrige Mutter und ihre Tochter eine Pizza, eine San Daniele (belegt mit feinstem Parmaschinken auf zartestem Pizzateig). Von dieser San Daniele stieg ein betörender Duft in der gesamten Wohnung auf und strömte in Schwallen nach Draußen, auf die Terasse. 

Ach, was war dies nur für ein verlockender Geruch. Er betörte die Sinne der Ameisen, wie ein Liebestrank machte der Duft sie toll. Und doch war die Quelle dieser Note zu weit weg, als dass die fleißigen Ameisen einen Abstecher zu der Köstlichkeit hätten machen können.

Währendessen speisten Mutter und Tochter in vertrauter Zweisamkeit je, einen Teil der Pizza. Das Auge konnte mitessen, der Belag war kunstvoll aufgelegt. Die Konsistenz des Teiges konnte weder von Mutter noch Tochter beschrieben werden, die sich beide eines umfangreichen Wortschatzes bedienen konnten, so gut war er. Das einzige Manko hinterließ der Rucola, der zwischen den Zähnen hängen blieb und nur schwer zu entfernen war. Ein Viertel der San Daniele blieb übrig. Und die Mutter hatte die glorreiche Idee die Pizza aufgrund der warmen Temperaturen in der Wohnung, auf die Terasse zu stellen, die in der Nacht abkühlte. Ein Clou für die Ameisen.

Die Pizza in der Verpackungsschachtel wurde ins Freie gestellt und begann dort mit umso stärker ausgehendem Duftaroma die Ameisen anzulocken. Vorsichtig, aber mit einer unfassbaren Gier tippelte die Ameise mit ihren Schwestern heran. Sie hatten die Herrlichkeiten der Pizza nun für sich allein. In der Wohnung war das Licht ausgegangen, ein unerwartetes Zurückkommen der beiden Frauen war nicht zu erwarten. Umso besser für die Ameisen. Sie labten sich und beluden ihre Rücken mit soviel wie sie nur tragen konnten. Nach der Nacht, die im Ameisenbau besonders gefeiert wurde, kletterten die Ameisen am Morgen wieder in die Pizzaschachtel auf die Pizza und begannen zu fressen. Sie kauten und mampften, es wurden immer mehr und mehr der Schwestern, die sich den Tag damit versüßen wollten.

Zum Mittagessen wollten Mutter und Tochter das Überbleibsel der San Daniele aufwärmen. Sie freuten sich schon auf den Geschmack des Käses mit einem Rucola-Schinkengemisch im Mund. Doch ihnen wurde dieses Erlbnis verwehrt, die Ameisen hatten es sich bereits auf der Pizza bequem gemacht, die jetzt in der prallen Sonnenhitze dahin duftete.

So gab es für den Pizza nur noch einen einzigen Weg aus der Wohnung: den Restmüll. Die Mutter fasste den Entschluss und packte die Pizzaschachtel mitsamt ihrem Inhalt zusammen in den Müll. Die Ameisen, die sich an der Pizza labten, landeten auch im Müll. Der Duft des Festmahls hatte die naiven Ameisen in den Restmüll geführt.