Von Martina Zimmermann

Jan lehnt sich zurück, legt seine Beine wohlgefällig auf dem kleinen Tisch, der vor ihm steht, ab.

Seine Gedanken schweifen und sofort zaubern sie ein Lächeln auf sein markantes Gesicht.

Seine stahlblauen Augen bekommen diesen Glanz, immer wenn er an sie denkt. 

Er denkt oft an sie, eigentlich ständig. Jan liebt sie. Sie ist wie keine andere. Ihre Anmut, ihre Ausstrahlung. So schön und wenn sie lächelt und ihre weißen Zähne zum Vorschein kommen, dann spürt er diese Wärme. Ihn durchströmt ein wohliges Gefühl. Weiß er doch, sie lächelt nur für ihn.

Isabel, wie schön ihr Name klingt. Er könnte ihn den ganzen Tag vor sich hin singen und dabei immerzu an ihre Reize denken. Ihre Figur und die Art wie sie geht. Eigentlich mehr ein Tanz, in seinen Augen schwebt sie dahin und es fasziniert ihn. Keine andere Frau kann ihr das Wasser reichen. Sie ist die eine für ihn, immer mit ihm verbunden.

 

Ihre Wäsche riecht wieder einmal wie der Frühling und der Duft ihres Parfüms erweckt in ihm das Verlangen sie auf der Stelle zu küssen, aber sie ist nicht da. Ganz sanft streicht er mit der Hand über ihr Laken, dort wo sie Nacht für Nacht liegt. Er riecht sie und in Gedanken stellt er sich vor, er läge jetzt neben ihr. Es schmerzt ihn, fast so sehr, dass es weh tut, aber er weiß, es kommen andere Zeiten. Sie wird bei ihm sein und dann wird er sie für sich haben.

Nie würde er sie mit jemand anderem teilen. Nur er, ist der eine, mit dem sie ihr Leben verbringt. Sie braucht niemand anderen. „Die Zeit wird kommen“, flüstert er leise vor sich hin und hält dabei ihr Nachthemd in den Händen. 

Kurz bevor er ihre Wohnung verlässt, schaut er auf die vielen Fotos, die auf dem Sideboard stehen.

Isabel im Urlaub, mit ihren Freundinnen und ihren Eltern. Ihr Lächeln lässt ihn bei ihrem Anblick schmelzen. „Du schöne Frau“, bald gehörst du mir alleine.“

Er berührt ihr Foto sanft mit seinen Fingern und haucht seine Lippen genau auf ihre. Zufrieden stellt er das Bild zurück an seinen Platz. Nachdem er sich noch einmal umgeschaut hat, verlässt er die Wohnung.

 

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Panik steigt in ihr hoch. Ihre Ausdruck starr. Sie kann es nicht glauben. Fassungslos läuft sie durch ihre Wohnung. Dieser Geruch, den sie wahrnimmt. Ein Gemisch, aus ihrem Parfüm und einem Rasierwasser, welches sie nur zu gut kennt. Sie nimmt es immer wieder wahr. Für sie ein toxisches Mittel, welches ihr in die Augen zieht und ihr dabei die Tränen kommen lässt. Ist es das Rasierwasser, oder eher die Tatsache, dass sie nicht weiß, warum dieser Duft in ihrer Wohnung schwebt? „Ruhig, ganz ruhig“, redet sie sich selber vor. „Isabel, bildest du dir das ein“? Sie fragt sich selber und glaubt sie ist der Verzweiflung nahe, oder wird sie verrückt? 

„Nein, ich bilde es mir nicht ein. Es ist jemand in der Wohnung gewesen, wie schon zuvor. So kann es nicht weitergehen.“ Verzweifelt greift sie zum Telefon und ruft bei der Polizei an, doch die kann nichts tun. „Solange sie keinen Beweise für ihre Vermutung haben, können wir nichts für sie tun“, erklärt die nicht gerade nette Person am anderen Ende der Leitung. Niedergeschlagen legt Isabel auf. Was soll sie jetzt tun? Sie versucht sich abzulenken und als sie eine Nacht darüber geschlafen hatte, schien die Situation am nächsten Morgen nicht mehr so bedrohlich. Sie hatte ihre Gedanken immer noch im Kopf, doch sie schien diese erfolgreich verdrängen zu können. Als sie bei ihrer Arbeit sofort im Stress startete, war auch keine Zeit mehr, sich Gedanken zu machen.

Die kamen erst dann wieder zurück, nachdem sie den bekannten Geruch in ihrer Wohnung wahr nahm. Erst da wurde ihr das Ausmaß bewusst. Sie ahnt, immer wenn sie ihre Wohnung verlassen hatte, dann muss jemand dort gewesen sein. Sie bildet es sich nicht ein. „Nein, das tue ich nicht“, erklärt sie ihrer Freundin Anna, die nach ihrem verzweifelten Hilferuf sofort zu ihr kam, um ihr beizustehen. „Wer in Gottes Namen kann das sein?“, fragt Anna. „Hast du eine Ahnung?“ „Nicht die Leiseste. Ich habe schon so viel überlegt, aber mir fällt niemand ein. Ich habe kaum Kontakt in der Nachbarschaft, du weißt doch selber, ich wohne erst ein halbes Jahr hier und da ich den ganzen Tag außer Haus bin, sehe ich auch so gut wie niemanden.“

„So geht es nicht weiter“, erklärt Isabel. „Ich habe Angst. Wenn dieser Mann hier in der Wohnung ein und ausgeht, dann könnte er auch nachts vor meinem Bett stehen“, überlegt sie.

Anna stimmt ihr zu und in diesem Moment fühlen sich beide Frauen so machtlos. 

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„Dieses kleine Biest, sie will mich wohl fernhalten, mich aus ihrem Leben werfen. Aber ich weiß, sie spielt nur mit mir. Sie will mich, dass weiß ich genau.“  Jan lächelt gefällig. Ich werde es ihr schon zeigen, darauf kann sie sich verlassen. Sie rechnet nicht mit mir. Ich gehöre zu ihr und sie zu mir und zu keinem anderen, das lasse ich nicht zu. Niemand wird uns trennen. Sie weiß es doch, warum versucht sie sich zu wehren? Sie kann nicht dagegen an, genau wie ich. Unsere Gefühle sind stärker und verbinden uns. Ich rieche sie jeden Tag und ich genieße es in ihren Sachen zu stöbern. Ich kenne sie genau. Ihr Leben, ihre Hobbys, ihre Freunde. Ich weiß wo sie hingeht und was sie gerne tut. Ich kenne sie wie keine andere und sie muss es doch spüren, dass ich es bin, der zu ihr gehört. So wie kein andere halte ich zu ihr. Tief in ihrem Inneren weiß sie es. Ich spüre es und der Tag wird kommen …

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„Er war wieder da!“ Isabel ist leichenblass und kann es nicht fassen. „Du hast doch die Schlösser ausgetauscht!“ Anna ist fassungslos. „Das kann doch alles nicht wahr sein. Wie kann er denn in deine Wohnung gelangt sein?“ „Ich begreife es nicht.“ Tränen rinnen über ihre Wangen, der Verzweiflung nahe. Sie kann sich kaum noch unter Kontrolle halten. Zu sehr belastet sie ihre Situation. Die letzten Wochen haben so an ihren Nerven gezehrt. Es blieb nicht nur bei dem Zugang zu ihrer Wohnung, nein, wenn sie mit Freunden im Restaurant war, dann bekam sie Zettelchen vom Kellner zugesteckt. Darauf wünschte er ihr einen schönen Abend. Ihr war in diesem Augenblick der schöne Abend vergangen. Sie bekam Nachrichten, wenn sie beim Sport war, oder wenn sie in ihr Auto stieg, dann steckte eine Nachricht hinter dem Scheibenwischer. Er wünschte ihr einen schönen Tag und er würde an sie denken. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Dieser Mann schrieb zwar nett, aber er stalkte sie offensichtlich. Überall wo sie hinging, da schien er auch zu sein, zumindest war er im Bilde darüber. Isabel weiß schlichtweg nicht mehr ein noch aus. Die Polizei tut nichts und sie fühlt sich so hilflos wie noch nie in ihrem Leben. „Was soll ich tun? Ich brauche Beweise?

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Wie sehr ich sie liebe. Ich komme ihr näher, mit jedem Tag spüre ich sie mehr und mehr. 

Meine Isabel, die Liebe meines Lebens. Gedanken, die Jan von Tag zu Tag antreiben, ihr auf den Fersen zu bleiben um ihr nahe zu sein. Er will sie für sich, will sie ganz und er wird es schaffen, er fühlt es. Sie muss es auch fühlen, sie kann nicht anders. Noch wehrt sie sich, aber sie muss es sich eingestehen. Sie kann ihren Gefühlen nicht entkommen.

Selbstsicher betritt er ihre Wohnung. Der neue Schlüssel war für ihn kein Problem. Als Hausmeister  hat er das neue Schloss selber eingebaut. Was für ein Hohn. Er hätte sich beim Einbauen vor Lachen fast nicht mehr halten können, doch er muss den Anschein wahren. 

Gerade als er ihr Schlafzimmer betritt, da wird er überwältigt. Eine Person packt ihn von hinten und wirft ihn aufs Bett und im nächsten Augenblick klicken die Handschellen an seinen Gelenken. Fassungslos starrt er in die Gesichter, die er nie erwartet hätte. Zwei Polizeibeamte und seine Isabel stehen in der Wohnung. Seine Isabel, wie kann sie es wagen?

„So mein Freund, jetzt ist Schluss“, sagt sie. „Du hast mir mein Leben zur Hölle gemacht. Wie konntest du nur?“ Isabel steht mit Tränen in den Augen vor ihm. Sie kann es nicht fassen und zeitgleich ist sie erleichtert, so erleichtert, dass ihre Tränen freien Lauf nehmen und nicht aufhören wollen an ihren Wangen hinunter zu strömen. 

„Ich liebe dich doch!“ Jan schreit die Worte förmlich heraus. „Du liebst mich doch auch?“ 

„Wie kommst du denn darauf? Ich liebe dich nicht, ich kenne dich nicht einmal!“, schreit Isabel zurück. Fassungslos schaut Jan Isabel an. „Du kennst mich nicht? Du liebst mich, wir gehören zusammen, sind füreinander bestimmt.“ Isabel schaut nur noch zu Boden.

Sie begreift, dieser Mann ist psychisch krank. Er braucht Hilfe und sie hofft inständig, man kann ihm helfen. Sie will nie wieder etwas mit ihm zu tun haben. Er soll aus ihrem Leben verschwinden. Sie weiß, es braucht Zeit, bis sie alles verarbeiten kann und wieder ein unbeschwertes Leben genießen wird.

Wie froh war sie, als Anna ihr ihren neuen Freund Paul vorstellt hatte, der zufällig Polizist ist. Durch ihn bekam sie Unterstützung und er hatte auch die Vermutung, dass der Hausmeister hinter der Sache steckt. So entstand der Plan, ihn zu ertappen.  

Ein Gericht verurteilte ihn für nicht zurechnungsfähig und brachte Jan in einer psychiatrischen Einrichtung unter. 

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„Und sie liebt mich doch, eines Tages werden wir wieder zusammen sein, das weiß ich genau.“