Von Maria Monte

 

Die meisten kennen mich bereits, ich bin der Gigolo, der bald 70 Jahre werden wird. Ich gebe zu, dass ich etwas arrogant, auch selbstgefällig und frech auf einige meiner Eroberungen wirke. Das ist meinen Erlebnissen und Erfahrungen geschuldet, sie haben mich geformt. Mein Leben war nicht gradlinig, ich habe mich durchgeboxt und für meinen Teil das Beste draus gemacht. Jetzt, kurz vor meinem runden Jubiläum, ziehe ich eine Bilanz zu meinem Dasein. Noch fühle ich mich knackig, noch wirke ich jugendlich, das will ich mir, so lange es geht, erhalten. Als eingefleischter Junggeselle bin ich frei, kann tun und lassen, was ich will. Ich werde weiter ins Fitnessstudio gehen, weiter zweimal in der Woche das Tanzcafé aufsuchen, auch Einladungen zu Partys annehmen.

Was wäre, wenn ich eine Geburtstagsparty schmeißen würde? Wen könnte ich einladen, wer würde kommen? Aus meiner Sturm- und Drangzeit sind mir nur wenige Freunde geblieben. Der Kontakt ist fast abgerissen. Keiner würde sich zu meiner Geburtstagsfeier sehen lassen, der eine läuft schon am Rollator, bei dem anderen macht sich eine Demenz bemerkbar. Alle haben mit sich und ihrer Gesundheit zu tun.

Ja, wen dann? Von meiner Familie gibt es keinen mehr. Also bleiben nur die weiblichen Verehrerinnen. Das ist etwas kompliziert, denn alle auf einmal einzuladen, würde sicher Stress geben. Was tun?

Was wäre, wenn ich Eva zum Nachmittagstanz einladen würde. Sie ist die Einzige, die mich über Jahre mal mehr, mal weniger begleitet und immer wieder gefesselt hat. Vorher könnten wir bei mir eine Flasche Secc au Chocolat süffeln und dann gemeinsam in den Kietzclub gehen. Dort treffen sich die Tanzfreudigen bereits um 14 Uhr. Zuerst gibt es Kaffee und Kuchen, dann wird meist noch mit einem Gläschen Sekt angestoßen, bevor Milan seine Diskothek um 15 Uhr lostritt. Und dann steppt dort der Bär. Sicher würde das auch Eva gefallen. Wenn ich mich dann noch oute und eine Saalrunde auf meinen Geburtstag schmeiße, wird es ein lustiger, heißer Nachmittag mit mir im Mittelpunkt. Und danach….

Zuerst muss ich sehen, wie ich an Eva herankomme. Möglichst unauffällig, haben wir uns doch über ein Jahr nicht gesehen. Unsere Trennung damals basierte auf meinem Sammeleifer, Frauen betreffend, und meiner Freude und Lust, von ihr ausgehalten zu werden. Vielleicht habe ich es ja übertrieben? Ein bisschen Reue könnte ich ihr gegenüber schon zeigen. Ich werde ihr folgendes sagen: „Eva, Schatz, du weißt, dass ich bald einen runden Geburtstag feiere. Ich möchte ihn nur mit dir begehen, du bist die Einzige, die mich all die Jahre verstanden und zu mir gehalten hat. Das Auf und Ab in unserer Beziehung hat unserer Begierde aufeinander keinen Abbruch getan. Meine Liebe zu dir konnte alle Weiber überdauern. Nur du zählst in meinem Leben.“

Ob sie das als Torschlusspanik wertet? Sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste, knapp 5 Jahre liegen zwischen uns. Sie kann sich noch immer mit mir sehen lassen. Ich bin sexy, habe Humor und Umgangsformen. Ob Eva zugenommen hat? Ich mag etwas Fleisch an den richtigen Stellen. Bleibt die Frage, wie ich es anstelle. Wo haben wir uns damals getroffen? Wohnt sie immer noch in diesem alten Kietz?

Ich beschließe, Spaziergänge zu unternehmen, um die Lage zu peilen. Bald finde ich heraus, dass sie noch unter der bekannten Adresse gemeldet ist. Montags und donnerstags fährt sie vormittags ins Frauenfitnessstudio und danach gehen meist mehrere Damen zusammen in das nächst liegende Eiscafé.

Ich werde sie an einem Donnerstagnachmittag zufällig in der Nähe des Cafés treffen.

Gesagt, getan. Unsere Begegnung verläuft kühl und kurz. Ich kann nicht punkten, meinen einstudierten Text nicht anbringen. Sie lässt mich stehen.

Dieser Jürgen stalkt mich schon seit zwei Wochen. Sicher hat er wieder einmal Torschlusspanik bekommen. Wenn ich mich richtig erinnere, wird er bald siebzig. Nach unserer endgültigen Trennung habe ich extra das Fitnesscenter gewechselt. Er hat mich mit zu vielen Damen betrogen, immer wieder angelogen, gedemütigt, mich zudem um viel Geld gebracht. Er nutzte meine Gutmütigkeit zu einem für mich ungünstigen Zeitpunkt aus. Ich hatte meine seelische Phase, die mich nach den Erlebnissen mit diesem Arschloch recht oft aushebelt. Deswegen bekam ich ja auch die REHA und dann diesen Kurs. Zum Glück waren wir zu fünft, als ich den Club verließ. Meine Freundinnen hörten ihn ansatzweise sagen: „Hallo Eva, Schatz, geliebtes Spatzl, du weißt, dass ich bald…“Ich ging einfach weiter. Im Café entspann sich natürlich eine Debatte um Männer. Ich hielt mich zurück. Mein Verflossener war und ist ein arrogantes Schwein. Leider steckt in unserer Liebe eine Tragik, wir konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne uns. Er scheint mein Untergang zu sein. Ich muss loslassen.

Ob ich einen weiteren Anlauf wage? Eigentlich ist das nicht meine Art, ich laufe keiner Frau nach. Ich muss mir etwas Besseres, überzeugenderes ausdenken. Leider rennt mir die Zeit davon, in zwei Wochen will ich am Ziel sein. Also setze ich meine Beobachtungen unauffällig fort. Wie Sherlok Holmes stehe ich an der nächsten Hausecke, tarne mich mit Hut und Brille, setze mich zeitungslesend in die gegenüberliegende Kneipe. Wenn Eva aus ihrem Haus tritt, schleiche ich ihr im gebührenden Abstand hinterher. Manchmal nimmt sie auch ihr kleines Auto und weg ist sie. Dann bin ich sauer und auch eifersüchtig. Sie kommt gut ohne mich aus. So ein Mist aber auch! Eines Tages kommt mir der Zufall zu Hilfe. Ich sehe ihr Auto auf dem Parkplatz des Einkaufscenters. Nun, sie kann ja nicht weit sein. Mit meiner neuesten Masche werde ich sie erweichen. Sie wird neugierig sein, Mitgefühl für mich empfinden. Ich nehme meine Plastiktüte und durchsuche im Umkreis sämtliche Abfallkörbe. Die eingesammelten Flaschen und Dosen füllen bald meine Tüte. Eva sieht mich, ich tue vorerst so, als wenn ich gerade wieder eine Flasche herausangle, erschrecke mich filmreif, markiere den ertappten Betroffenen. Sie bleib an ihrem Auto stehen, schwankt in ihren Gefühlen, wartet. Nun kann ich zuschlagen. Ich erzähle ihr eine haarsträubende Geschichte und im gleichen Atemzug lade ich sie mit dem einstudierten Text zu mir ein.

„Ach, Jürgen, es ist immer wieder das Gleiche mit dir. Aber mittwochs habe ich Zeit und natürlich komme ich gerne zu dir“, höre ich sie sagen.

An diesem Abend gönne ich mir in Vorfreude schon ein Gläschen von dem Secc au Chocolat. In drei Tagen werde ich sie in meinen Armen halten, da bin ich mir sicher.

Meinen Ehrentag beginne ich mit einigen Annehmlichkeiten. Dann kleide ich mich sehr sorgfältig, kämme mein grauschwarzmeliertes lockiges Haar mit Bürste und Kamm, bis es glänzt, stelle die Gläser und ein Schälchen Konfekt zurecht, lege eine CD mit Kuschelrock in den Player.

Als es klingelt, tänzele ich zur Tür. Wie ein jungverliebter Teenager blicke ich Eva an. Ein Glücksgefühl ergreift mich und übermütig schwenke ich sie im Rhythmus der Musik in meine gute Stube hinein. Sie muss die Gläser gesehen haben, als sie in den Ärmel ihrer Bluse greift. Ich spüre nur noch die kalte Klinge und dann liege ich in ihren Armen.

Es hat sich ausgespatzlt. Du hast dich überschätzt, mein Lieber.

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