Von Helmut Blepp

Ich erwarte den neuen Morgen, der die Dinge ins Rollen bringen wird. Mir ist klar, dass ich etwas unternehmen muss, sonst wird sich nichts ändern an dieser unerträglichen Situation. Ja, ich muss unbedingt diese Tür öffnen! Wenn nur diese ständigen Geräusche mich nicht lähmen würden! Leise, verstohlen, heimtückisch! 

Hinter meinem Rücken krabbeln sie aus jeder Ritze. Ich höre das Gewusel auf dem Parkett, das Geräusch, wenn sie ihre Flügel aneinander reiben. Wo immer sie sich hereinzwängen könnten, habe ich alles abgedichtet, aber sie finden immer neue Wege. Und mein Silikonvorrat geht zur Neige. 

Diese Hitze ist unerträglich. Die Ekzeme auf meiner Kopfhaut jucken, während mir Schweiß in die Augen rinnt. Ich möchte reiben, möchte kratzen, doch das macht alles nur schlimmer. Von blutigem Schorf werden sie angelockt. 

Ich wage nicht, die Luftschleuse zu öffnen, die ich hinter die Haustür montiert habe. Für den Briefkasten hätte ich eine bessere Lösung finden müssen. Wenn ich jetzt wissen möchte, ob die Post vom Amt gekommen ist, muss ich nach draußen. Da bin ich voll der Sonne ausgesetzt. Reines Gift für meine Allergien!  Und wer weiß, was alles die Gelegenheit nutzt, einzudringen und sich bei mir einzunisten, sollte ich einen Moment unachtsam sein. 

Am meisten fürchte ich ihre Fühler. Ihnen entgeht nichts. Sobald ich mich bewege, sind sie alarmiert. Das Ungeziefer versteckt sich schneller, als ich schauen kann. 

Mittlerweile kenne ich alle Insektizide. Ich habe sie ausprobiert. Man riet mir davon ab, dies in meinen so gut isolierten Räumen zu tun, ohne überzeugende Alternativen bieten zu können. Kammerjäger wollten sie mir ins Haus schicken, fremde Leute, die in jedem Zimmer herumschnüffeln würden. Das kam gar nicht in Frage! Also verwendete ich jedes greifbare Mittel solange, bis sie dagegen resistent wurden. Vergiftet habe ich mich selbst dabei. Das gefilterte Wasser vertrage ich meistens noch. Schwieriger ist es mit den dicken Suppen aus der Dose. Wann immer ich sie esse, rebellieren die Gewächse in meinem Bauch. Nur nachts im Schlaf verdorren ihre jungen Triebe. Das verschafft mir Erleichterung. 

Ich frage mich ständig, wie es soweit hat kommen können. Früher sah man eine Motte, klatschte in die Hände, und alles war wieder gut. Mücken, deren Sirren einen um den Schlaf brachte, klebten morgens als Blutfleck an der Tapete. Das war lästig, aber endgültig. 

Heute sind sie überall. Schnecken, groß wie Ammoniten, sagt man, fressen unseren Gartensalat. Hornissenarten sind bereits kannibalisiert und bereiten sich auf uns vor. Sogar Gartenläuse verbrüdern sich mit ihren kleinen Cousins. Ich habe ihre Paarungsriten unter dem Moskitonetz verfolgt.

Es werden Schädlinge eingeschleppt, habe ich gelesen, die unser Zuchtfleisch kontaminieren. Tiere verenden, ohne danach gegessen werden zu können. Kein Kühlhaus schützt diese Massen von Kadavern davor, zu verwesen. Und dann werden sie von Schwärmen heimgesucht, die in der feuchten Hitze gedeihen. 

Als Kind versetzten mich die Fliegenfänger bei Oma nicht in Angst. Ob ich am Küchentisch saß oder auf der Toilette, hatte ich die Bestätigung, dass sie uns auf den Leim gegangen waren. Manche zappelten noch. Aber letztlich gingen auch sie ein. 

Überall klebten zuletzt die Plakate mit diesen Gesichtern, die unentwegt miteinander stritten. Sie hatten alle Unrecht und kultivierten ihre Fehler, auch wenn sie auf ihren Kundgebungen zunehmend schwitzten, mit trockener Kehle Parolen krächzten und nach trägem Applaus in ihren klimatisierten Limousinen davonfuhren. Ihre einfachen Lösungen haben uns das Leben zur Qual gemacht. 

Wann spürte ich wohl zuletzt ein Frösteln? War das vorher oder nachher? Dieser feuchte klebrige Film, der die Haut meines Körpers überzieht, trocknet nicht mehr. In meinem Bart kribbeln Schweißperlen. Manchmal habe ich das Gefühl, er lebt. 

Für die leere Betthälfte habe ich noch keine Lösung gefunden. Immer das gleiche Laken, immer das zerknüllte Kissen. Ich könnte es mit dem Staubsauger versuchen, aber der würde dann auch das Mottenpulver aufnehmen, das ein wenig Schutz bietet. 

Damals, als der Sommer noch unterbrochen wurde, wusste ich jederzeit, was zu tun war. Wenn sich der Boden erwärmte, bekämpfte ich die Wühlmäuse im Rasen. Später räucherte ich die Wespennester aus. Und sobald die ersten kühlen Nächte kamen, achtete ich darauf, dass kein Marder unters Dach zog. Ordnung war keine Last. Wir teilten sie uns gerne. 

Als sie sich nicht mehr auf den Asphalt kleben konnten, weil er zu heiß geworden war, überwog die Schadenfreude. Dann aber rissen Straßendecken auf, und das Viehzeug, das wir tief in der Kanalisation vermutet hatten, huschte in Rudeln von Haus zu Haus und fraß unsere Isolierungen auf. An den vergifteten Haferflocken, die wir um alle Sockel streuten, starben auch die Vögel. 

Hitzschlag, stellte der Arzt fest. Und völlig dehydriert. In das Formular trug er Herzversagen ein. Die Ersthelfer hatten klobige Schuhe mit dicken Sohlen, an denen der ganze Dreck von draußen haftete. Als sie gingen, ließen sie alle Türen offenstehen. 

Flüstern die Wände tatsächlich? Oder ist es nur ein Rauschen in meinen Ohren? Im gebrochenen Sonnenlicht, das durch die Lamellen der Jalousie ins Zimmer fällt, kann ich den schwebenden Staub sehen. Er breitet sich beim Atmen im Mund aus, legt sich auf die Schleimhäute. Meine Zunge ist geschwollen und klebt am Gaumen. 

Ich trete nah ans Fenster. Wie diese vertrockneten Bäume aussehen im gleißenden Licht! Auch unser Ahorn war nicht zu retten. Erst brachen die Stürme seine Äste. Dann fanden seine Wurzeln kein Wasser mehr. Nun wird er wohl bald auf das Gartenhäuschen stürzen, das niemand mehr braucht. 

Irgendwann werde ich mich dazu überwinden müssen, vor die Tür zu gehen und nach der Post zu schauen. Es muss ein offizielles Schreiben dabei sein. Ich brauche doch diese Urkunde, damit es auch wirklich amtlich ist.