Von Clara Sinn

Ich erwartete den neuen Morgen, der die Dinge ins Rollen bringen würde.
Endlich wurden meine Gebete erhört und ich konnte mich zurückgeben. Umtauschen. Wunschgemäß. Wunschgemäßer. 

Ich war Privatpatientin. Nicht länger dieses ausgebeutete Bezahltier. Das seine Nagelpilzlotion selbst bezahlen musste. Wie alle Schnupfen-, Keuchhusten- und Darmpflegemittel. Ich saß in der mondänsten Zahnarztpraxis der Landeshauptstadt. Schon allein das gewaltige Ledersofagebilde, in dem ich bis zum Kinn versunken war! Herrlich, die Ohrläppchen auf den fetten Lehnen abzulegen! „Darf ich Ihnen das Mineralwasser mit oder ohne Kohlensäure bringen?“ „Ohne.“ „Wünschen Sie es lieber kalt oder Zimmertemperatur?“ „Gekühlt, aber ohne Eis, bitte.“ „Danke, die Dame.“ Die Daten bestätigen auf eleganten Tablets. Und viele Gelegenheiten für allerlei Häkchen: Narkose bei jeder Füllung? Beruhigende Akupunktur dazu? Erneute Zahnputzberatung? Na klar, es gab dazu immer dieses wunderschöne Handtaschenset mit 6 verschieden großen bunten Zwischenraumbürstchen. Und Mundwasserfläschchen in Geschmacksrichtungen, die es nicht zu kaufen gab.  Nicht mal in der Apotheke. Ginkgo-Ingwer. In der Farbe eines blassen Grüntees. Das Lätzchen wie sonst bei kleinen OPs im Krankenhaus. Mit Alu. Und ein Stößchen feinster 6-lagiger Abwischtüchlein. Für nach dem Spucken. Wo es sonst ein Stück von irgendeiner ordinären Küchenrolle gegeben hatte. Mit Teddys und sonstigen Plüschtieren drauf. Tiere! Und das Wasser im Plastikbecher. Immer ohne die rosé Desinfektionstablette drin. „Wünschen Sie bestimmte Musik über die Kopfhörer?“

Zum Glück hatte ich einen einfachen Vollkeramikstiftzahn ausgewählt. Man stelle sich vor, das Gold käme hervor … implantiert hatten sie ihn mit allen Schikanen. Etwa dem Abschnippeln von Zahnfleisch drumherum. Und es dann wieder drangenäht. Für mehr Sicherheit. 

Beim maximierten Abrechnen.  

Ich erwartete den neuen Morgen, der die Dinge ins Rollen bringen würde.
Endlich wurden meine Gebete erhört und ich konnte mich zurückgeben. Umtauschen. Wunschgemäß. Wunschgemäßer. 

Ich war in diesem Alleskönnersessel. Will ich zu trinken, ist da gleich ein Strohhalm, will ich etwas zu essen, dienen sich mir sofort die mundgerechten Häppchen an. Will ich Essen wegbringen, geht’s genauso automatisch. Mit integrierter Warmwasserdusche und Softfön. In meiner Frauenversion gibt’s Fußmassage mit Pediküre und natürlich dem obligaten Vibrator, für Männer gibt’s Autorennen und Marielle de Luxe. Dazu alle erdenklichen Hormon- wie sonstigen Cocktails. Unvorstellbare Glückseligkeitsräusche. Ohne Unterlass. 

Ich erwartete den neuen Morgen, der die Dinge ins Rollen bringen würde.
Endlich wurden meine Gebete erhört und ich konnte mich zurückgeben. Umtauschen. Wunschgemäß. Wunschgemäßer. 

Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich nicht: Pisspott. 

Kann die Fischersfrau aufs Herzinniglichste verstehen. Aber Strafe?! Für Übermut!? Ausschweifung, Zügellosigkeit, den finalen Exzess … lächerlich!! Es ist Überdruss.
Bis zum schieren Brechreiz. 


Hoch zehn.

 

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