Von Franck Sezelli

 

Ich erwartete den neuen Morgen, der die Dinge ins Rollen bringen würde. Eigentlich wartete ich gar nicht, sondern konnte nicht gleich wieder einschlafen, nachdem mich meine volle Blase aus dem Bett getrieben hatte. Bier scheint da doch ein besonderes „Treibmittel“ zu sein. Seitdem lag ich wach. Na ja, wach ist übertrieben, zumal meine Gedanken wie in dichtem Nebel kreisten. Dabei hatte ich doch gar nicht so viel getrunken, bildete ich mir ein. Die Wodkaflasche war ja noch fast halbvoll. Da stand sie auf dem Nachttisch. Ob ich mir noch einen Schluck gönne, fragte ich mich. Ich hoffte, dann wieder einschlafen zu können.

Es war noch tiefe Nacht, bestimmt erst 6 Uhr. Hinter den Vorhängen sah ich nur das Licht der blöden Straßenlaterne, die nachts immer in unser Fenster scheint. Seltsam, ich dachte immer noch unser, obwohl es schon lange nur meins war. Seit Johanna, die dumme Kuh, mich allein gelassen hatte. Aber ich wollte ihr doch nicht hinterhertrauern? Wo sie doch, seit die beschissene Bude eingegangen war, wo ich wie ein Wilder malocht hatte, mich nur noch genervt hat. »Roy-Kevin, wann suchst du dir eine neue Arbeit?«

Als wenn ich nicht gesucht hätte, aber die liegt doch nicht einfach so auf der Straße.

»Das ist nun aber schon die fünfte Dose Bier, die du aufmachst …« In einem Tonfall, da drehte sich mir beim Drandenken schon wieder der Magen rum. Als wenn ich kein Recht habe, meinen Durst zu stillen. Schließlich brachte ich fast mehr ALG nach Hause, als sie von ihrer Putzkolonne. Von dem bisschen Geld, das Johanna bekam, konnten wir niemals leben. Aber sie konnte ja nichts, hatte nichts gelernt. Konnte nichts, ist allerdings nicht richtig, da will ich auch im Nachhinein nicht ungerecht sein. Im Bett war sie eine Granate, einfach toll. Und das nicht nur im Bett! Bumsen konnte sie, und das gern und oft. Wahrscheinlich zu gern, sodass sie dann auch fremdgevögelt hat. Mit diesem dämlichen Fatzke aus dem Bürohaus, in dem ihre Truppe regelmäßig geputzt hatte. Der hatte Kies wie Heu, das gefiel ihr und da war ich ihr auf einmal nicht mehr gut genug.

Scheiß drauf, ich habe dann noch einen Schluck aus der Pulle genommen – und danach muss ich wohl wieder fest eingeschlafen sein.

 

Ein schreckliches, nervtötendes Piepen reißt mich aus meinem schönen Traum. Ich war Leiter eines großen Supermarkts, welcher das war, konnte ich im Traum nicht erkennen. Der um die Ecke war’s jedenfalls nicht. Lauter hübsche und junge Verkäuferinnen umschwirrten mich. Alle wollten was von mir. »Roy, Roy, Roy …«, so ging das die ganze Zeit. Nur eine kleine schüchterne Praktikantin rief »Herr Fleissig!«. Das blöde Weckergepiepse hat den Traum beendet. So werde ich wohl nie erfahren, was die süßen Mädchen von mir wollten. Mein Kopf brummt wie verrückt. Ich mache einfach nochmal die Augen zu …

Da, eben kam eine mich heftig anflirtende Schwarzhaarige mit durchsichtiger Bluse ganz dicht an mich heran, piept es schon wieder. Am liebsten würde ich diesen Wecker an die Wand hauen. Aber das geht nicht, denn es ist eigentlich ein Radio, in das die Weckautomatik eingebaut ist. Johanna hatte das so eingestellt, dass es nach 10 Minuten wieder weckt, wenn man das Piepsen ausgestellt hat. Und ich weiß nicht, wie ich das wieder ändern kann. Dämliches Weib!

Ich hebe den Kopf, um zu sehen, wie spät es ist. Die Augen kriege ich kaum auf. Da spüre ich einen unerträglichen Schmerz an den Schläfen. Hinter der Stirn wummert es und mir ist schwindlig. Schnell lege ich meinen Brummschädel wieder aufs Kopfkissen.

Oh, jetzt fällt es mir ein. Heute ist der Tag, an dem ich eine neue Perspektive bekommen soll. So hatte es meine Kundenberaterin Frau Vikermann ausgedrückt. Am nächsten Dienstag sollte ich wieder zu ihr ins Amt kommen und dann würde sie mir passende Arbeitsangebote machen. Von einer Stelle im Supermarkt sprach sie. Deswegen hatte ich wahrscheinlich diesen Traum. Aber es ging wohl nicht um eine leitende Stelle, von Lagerarbeiten und Regale einräumen, war, glaube ich, die Rede. Was bildet sich diese überhebliche Tussi eigentlich ein? Mit welcher Miene sie schon meinen Namen ausspricht: »Fleissig? Roy-Kevin?«, fragt sie jedesmal, wenn sie meine Akte vor sich legt und mich ganz hochnäsig ansieht. Ich kann doch nichts dafür, wie mich meine Eltern genannt haben. Da soll die feine Dame sich mal an die eigene Nase fassen. Bei ihrem Namen fällt mir schon was ein, was ich mal gern mit ihr machen würde. Ich glaube, sie provoziert mich extra zu diesen Gedanken, wenn sie ihre Titten rausstreckt und sich dann über den Schreibtisch vorbeugt, um mich tief in ihren Ausschnitt blicken zu lassen. Ich stelle mir dann vor, wie die sonst so klug daherschwätzende Corinna – ja, so steht es auf dem Schild neben der Tür zu ihrem Zimmer – geil stöhnt, wenn ich sie so richtig durchnehme. Ob sie mich danach noch immer so von oben herab behandeln würde?

Das letzte Mal wollte sie mich zur Stadtreinigung schicken. Wohl Mülltonnen aus den Höfen holen und aufs Müllauto hochheben? Dabei habe ich Rücken … Oder im Wertstoffhof schweres, altes Gerümpel herumwuchten? Geht gar nicht! Da meinte die dumme Ziege, Arbeiten in den Stadtparks gibt es bei der Stadtreinigung auch. Müll aufsammeln, Büsche verschneiden, Rasen mähen. Beim Rasenmähen horchte ich auf. »Kann ich da so einen Aufsitzmäher fahren?«

Die dumme Pute zog die geschminkten Augenbrauen hoch und sagte: »Wenn man zum entsprechenden Lehrgang für den Schein geschickt wird und den bestanden hat.« Die kann mich mal …

Aber es hilft nichts, die Tussi hat gemeint, heute muss ich zu ihr kommen, da will sie, dass die Dinge mit mir dann ins Rollen kommen. Sie hat sogar gedroht, mir Geld zu kürzen. Also schleppe ich mich trotz meines Brummschädels aus dem Bett ins Bad. Unterwegs wird mir richtig übel. Als ich in den Spiegel schaue, ist mir klar, dass ich heute nicht ins Amt gehe. Die sollen mich alle mal … Mir wird schon eine Entschuldigung einfallen.

Ich laufe zurück zum Bett und rolle mich in meine Bettdecke. Nächste Woche ist auch wieder ein Dienstag!

 

 

 

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