von Reiner Pörschke
Was wünscht sich Ihre Frau zu Weihnachten? Wenn Sie Glück haben, kommen Sie mit dem Kauf ihres Lieblingsparfüms oder der Einladung zu einem Essen bei ihrem Lieblingsitaliener durch. Wenn Sie Pech haben, wünscht sie sich ein neues Auto, dann müssen Sie tiefer in die Tasche greifen.
Meine Frau wünscht sich ein neues Badezimmer, was kostenmäßig in die Autorubrik fällt. Viele Jahre lang konnte sie im Winter nicht einschlafen, ohne ein warmes Bad genommen zu haben. Dass ich das als Wasser- und Stromverschwendung monierte, wurde beiseite gewischt. Aber vor kurzem teilte sie mir mit, die Badephase sei vorbei und die Duschphase käme. Sie erwartete von mir Beifall, in der Tat hat mich diese Neuigkeit überrascht. Sie könne die Badewanne nicht mehr sehen, auch nicht die kleinen grünen Fliesen an der Wand mit dem Blumendekor, die so viele Jahre auf dem Buckel hätten wie unsere Ehe. Bei der Gelegenheit müsse man natürlich auch die Toilette und das Waschbecken, beides in bahama-beige, austauschen. „Eine sinnvolle Investition in die Zukunft!“, flötete meine bessere Hälfte. Woran sie eigentlich denkt, ist, dass sie nur noch unter Schwierigkeiten aus der Badewanne steigen kann, weil die arthrose-geplagten Kniee Beschwerden bereiten. Ein gewichtiges Argument, dem ich mich als treusorgender Ehemann nicht widersetzen kann.
Also fuhren wir an einem grauen Regentag los und schauten uns Fliesen an. Wenn Sie mich fragen, es gibt Interessanteres, zum Beispiel sich neue Autos anzuschauen. Auch meine Frau schien das riesige Angebot etwas nervös zu machen. Zum Glück gesellte sich nach einiger Zeit ein Verkäufer zu uns zwecks Beratung. Schwarz-Weiß, der Klassiker, sollte es werden.
Am nächsten Tag suchten wir ein weiteres Geschäft auf, das sanitäre Artikel ausstellte. Dusche mit Klappsitz, niedrigem Einstieg und selbstverständlich mit rutschfestem Untergrund. Ich seufzte, nun ist es soweit, Investitionen in eine düstere Alterszukunft. Dazu gehört ein Riesenspiegel mit LED Lampen plus Vergrößerungsspiegel, die meiner Frau alle Fältchen zeigen werden. Es wäre doch peinlich, wenn man im Alter nachlässig geschminkt ist, nur weil man nicht mehr scharf gucken könne, meinte meine bessere Hälfte. Toilette randlos. Das reduziert den Reinigungsaufwand. Ich erspare Ihnen weitere diverse Kleinigkeiten, aber ich musste doch schlucken, als die freundliche Verkäuferin alle Posten zu einer fünfstelligen Summe addiert hatte. Meine Frau ließ sich ihre strahlende Laune nicht verderben und lud mich anschließend zum Essen ein. Zum Kochen sei es doch etwas zu spät.
Pünktlich am Montag nach dem ersten Advent rückten die Handwerker um viertel vor acht an. Als Rentner ist das nicht gerade die Zeit, wo man topfit ist, aber arbeiten sollten ja nun die Jüngeren. Sie hämmerten und klopften, bohrten und stemmten, trugen dabei Ohrenschützer. Meine Frau suchte durch einen Waldspaziergang meine Nerven zu beruhigen. Als wir zurückkamen, war das Badezimmer jungfräulich und nackt wie einst im Rohbau. Auf dem Bürgersteig türmte sich ein Haufen kaputter Fliesen. Ich staunte über das Tagwerk.
Am nächsten Tag ging es weiter. Rohre mussten verlegt, Abflüsse neu installiert und Wände gespachtelt werden. Meine Frau kochte den jungen Männern Kaffee und schien mit dem Fortschritt hochzufrieden.
Dann kam der schwarze Freitag. Meine Frau ging zum Zahnarzt, ich sollte mich derweil um den Handwerker kümmern und ihm Kaffee kochen. „Wo bringe ich die Steckdose an?“, nuschelte der Elektriker. Woher sollte ich das wissen? Doch er ließ nicht locker, wiederholte seine Frage. „Am besten hole ich meine Frau“, entschied ich. Der Mann schaute mich argwöhnisch an. „Wenn Sie meinen“, knurrte er, fürchtete wohl um seinen Feierabend und hielt mich erkennbar für einen Schlappschwanz.
Meine Frau staunte nicht schlecht, als ich im Behandlungszimmer aufkreuzte. Zum Glück war die Zahnreinigung gerade beendet. Sie sah noch etwas mitgenommen aus. „Wir haben Handwerker im Hause, ein Notfall“, sagte ich zu der Ärztin und packte meine Frau ins Auto. „Kannst du mir mal die Badunterlagen geben“, bat meine Frau zu Hause, während endlich eine Wurst für mein Mittagessen in der Pfanne brutzelte. Nun entbrannte ein intensives Gespräch zwischen dem Elektriker und meiner Frau über die Platzierung diverser Steckdosen. „Wo kommt der Rauch her?“, wollte sie wissen, als wir gemeinsam wieder nach unten gingen. Ohne eine Antwort abzuwarten, riss sie die Küchenfenster auf. Ok, ich hätte vorher den Herd abschalten sollen, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass die Platzierung von Steckdosen eine Wissenschaft ist, die so viel Zeit in Anspruch nimmt.
„Ich bin dann mal weg“, flötete meine Ehefrau zehn Minuten später, die sich jeden Freitag mit ihrer besten Freundin trifft. Davon lässt sie sich auch nicht durch Handwerker oder Zahnarzt abbringen. Ich hoffte immer noch auf meinen Mittagsschlaf, aber der Elektriker begann nun mit viel Getöse in den Wänden zu bohren, nachdem man ihm endlich verraten hatte, wohin die Steckdosen sollten. An Schlaf war nicht zu denken. So kochte ich uns einen Kaffee und teilte mit dem Elektriker den Adventsstollen, den ich beim Bäcker gekauft hatte. Irgendwie schienen wir beide sehr hungrig zu sein. Am Ende bat er mich noch um den Staubsauger, machte den Dreck weg und verabschiedete sich dann.
Die Sonne schien, ich hielt es für eine gute Idee, den prallen Beutel des Staubsaugers in der Aschentonne zu entsorgen. Die steht bei uns in der Garage, doch als ich dort ankam, fuhr mir der Schreck durch die Glieder. Ich hatte in der Eile statt des Schlüsselbunds mit Garagen- und Hausschlüssel versehentlich den Autoschlüssel eingesteckt. Das Auto parkte in der Garage, deren Tor ich nicht öffnen konnte. Der Rückweg ins warme Haus war mir mangels Haustürschlüssel ebenso versperrt. Nun stand ich da, in Pantoffeln, ohne Jacke und Mütze, hatte mich selbst ausgesperrt! Dass es im Dezember nicht wirklich warm ist, auch wenn die Sonne scheint, muss ich Ihnen nicht sagen. Zwei Nachbarn links schauten mir interessiert zu, als ich mit dem vollen Müllsack wieder zurückkam und hinter den kahlen Rosenstrauch neben meine Haustür stellte. Ich wollte in den Erdboden versinken. Als Notmaßnahme schellte ich instinktiv bei Herrn Buschmann, einem netten Nachbarn rechts. Es tat erst mal gut, jemandem sein Leid klagen zu können. Aber das löste das Problem nur kurzfristig. Meine Frau würde nicht vor acht nach Hause kommen, es war gerade drei Uhr, und fünf Stunden wollte ich nicht mit dem betagten Witwer quatschen, der, wie ich wusste, dem Wodka sehr zugetan war und mir auch gleich ein Schnäpschen auf den Schreck anbot. Ich musste meine Frau erreichen. Im Zeitalter des Handys prinzipiell kein Problem. Nur, wer kennt schon die Handynummer seiner Frau auswendig? Ich jedenfalls nicht. Vielleicht konnte ich ihre Freundin im Festnetz erreichen? Leider steht sie nicht im Telefonbuch, denn die Auskunft konnte mir keine Nummer geben.
Wo wohnte die Freundin im Stadtzentrum genau, Hermannstraße oder Dorotheenstraße? Herr Buschmann stieg mühsam nach oben und brachte mir einen alten Stadtplan. Hermannstraße schien mir vertrauter. Der Nachbar mochte mich mit seinem Auto dorthin, ca 20 Kilometer von unserer Siedlung entfernt, nicht fahren, er könne dies nicht mit seinen 75 Jahren. „Sie können aber gern mein Auto nehmen“, meinte er zu mir. „Ich fahre nicht in Pantoffeln durch die Großstadt“, erwiderte ich. Also blieb nur ein Taxi, das ich telefonisch anforderte und auch bald kam. Der Taxifahrer musterte mich von oben bis unten und wunderte sich über meine leichte Bekleidung angesichts der doch weiten Fahrt. Dass ich kein Geld zum Zahlen dabei hätte, sondern mir das am Ziel erst besorgen müsste, verbesserte seine Laune nicht. Das Portmonee hatte ich natürlich nicht mitgenommen, als ich die Mülltüte entleeren wollte.
Das Haus, vor dem er schließlich hielt, kam mir vertraut vor. Ich bat den Taxifahrer zu warten. Ich schellte und betete, es möge jemand die Türe öffnen, aber es tat sich nichts. Verzweifelt schellte ich immer wieder. Ich ging im Geiste die noch verbleibenden Alternativen durch, Polizeistation oder Kaufhaus, aber wenn ich da stundenlang in Pantoffeln hin und her schlurfe? Die halten mich doch für verrückt!
Dann doch, das „Sesam öffne dich“! Der Freund der Freundin meiner Frau war zu Hause: „Tut mir leid, nebenan sind Bauarbeiten, ich habe keine Schelle gehört, aber du hörst ja selbst die Bohrerei in der Wand.“ Egal, erst mal in Sicherheit. Er half mir aus der Patsche und streckte die 50 Euro vor, mit der ich die Taxirechnung begleichen konnte. Wir warteten nun auf unsere Damen.
Meine Frau traute ihren Augen nicht, als sie mich ein zweites Mal an diesem Tag unerwartet erblickte. „Man könnte ja meinen, du verfolgst mich!“, sie hatte gut lachen. Na ja, und das mit dem Pantoffelhelden fand ich auch nicht so witzig.