von Susanne Rzymbowski

„Lass uns Schamblumen pflücken gehen. Ich liebe das Rot ihrer Blüte,“ sagte Hubert, der mit den Jahren so blass geworden und nahm seinen kleinen Neffen an die Hand, die so weich und rosig voller Unschuld.
Sie gingen ein gutes Stück, ja stolperten fast über die Felder kurz hinter dem Dorf.
Hubert hatte seine braune Cordhose an und ein Hawaihemd zierte seinen Oberkörper, aus dem eine feingliedrige Goldkette lugte, mitten am Hals, der immer dicker geworden.
Sein Schuhwerk so frisch geputzt, das das Leder in der Sonne glänzte.
Sein Neffe in kurzen Hosen mit Tiger-Lilly-T-Shirt, das so weit, das es den Körper verbarg, der recht schmächtig, auf weißen Sandalen, die den fleischigen Umriss seiner Zehen zeigten.

Es war schwül und Hubert schwitzte trotz Hawai und tupfte die Stirn, auf der erste Schweißperlen erschienen.

Sein Neffe war ruhig während sie gingen und blieb in der Pranke, die schon ganz feucht geworden.
Dann kam ein Stein und der Neffe fiel auf den Boden, der so ausgedörrt hart.
Die Knie blutig, in diesem Rot, das wie Sünde und Hubert sein Taschentuch nahm, das mit den Initialien und benetzte mit seinem Speichel, der so klebrig. Er wischte zart über die Wunden als leckte er Blut und das Knie seines Neffen war jetzt voller Glibber, doch der hielt still, mit fragenden Augen, die nässten im kleinen Gesicht.

Ach, auch noch die Hose! – die voller Staub.

Ganz innig die Striche von Hubert, die bis zum Schlitz, der sich geöffnet für einen Moment und das T-Shirt so lose aus ihm heraus, das der Nabel zu sehen war.
Und der Hubert jetzt fahrig, greift in den Bund, der so locker am Becken mit zittrigen Händen, die frei und ganz klamm, bis tief hinein. Und in der Ferne die Glocken, die laut geläutet zur vollen Stund.

„Ja schämst du dich nicht!“ seine Worte und sein Neffe verstohlen mit rotem Gesicht, weil das Herz pocht vom Tätscheln des Onkels, der nicht aufhört zu Klopfen und Striegeln mit Inbrunst, wo doch kein Körnchen mehr war.
Und die Luft brütet in drückenden Wellen und er wie versteinert in seinen Sandalen bei jedem Atemstoß.

Und der Heimweg am Abend voll Blüten, die in der Faust. Ja und der Hubert mit offenem Hemd und rosigen Wangen ganz dicht hinter ihm mit einem Schlaflied auf den Lippen: „La Le Lu nur der Mann im Mond schaut zu“.