Von Klaus-Dieter Oettrich

Jede Woche trafen sich am Freitag um 16 Uhr drei frühere Arbeitskollegen  im Alter von 70 Jahren zum Wetten.

Der Treffpunkt war die Gaststätte Westfälischer Hof.

„Scheiß Wetter heute hier in Wetter,“ bemerkte Udo.

„Ist doch egal. Ob die Sonne scheint, es regnet oder schneit, wir Wetter sind  immer bereit,“ meinte dazu Paul.

Kurt erhob sein Bierglas und sagte: „Prost, meine Freunde, vielleicht haben wir diesmal Glück.“

 

Die drei kannten sich schon seit vielen Jahren von der Stadtverwaltung in Wetter her, wo sie führende Arbeitsplätze inne hatten. Es entstand eine Freundschaft.

 

Udo war ein gut aussehender Mann. Kurz geschnittene graue Haare, schlank, ca. 180 cm groß, sportlicher Typ, gebräunte Haut. Man sah ihm sein Alter nicht an.

Paul war nur 168 cm groß, untersetzt, Halbglatze, fahle Haut. Machte einen gutmütigen Eindruck.

Kurt war 175 cm groß, volles schwarzes Haar, Brillenträger und schob ein Bierbäuchen vor sich her.

Rein vom Aussehen paßten die drei eigentlich nicht zusammen.

Kurt hatte bei diesem Trio früher die niedrigste Ranghöhe der Arbeitsstelle.

Dies wurmte ihn jetzt noch.

 

Man spielte seit 5 Jahren Lotto – 6 aus 49 – mit einem jeweiligen wöchentlichen Einsatz pro Person von 15 €.  Bisher hatte man nur einige Male 3 Richtige mit einer Gewinnsumme von jeweils ca. 10€ erreicht.

Aber man träumte weiter von einem hohen Gewinn.

Nur Kurt eigentlich nicht richtig. Er hatte in seinem bisherigen Leben fast nie Glück gehabt und mußte sich alles hart erarbeiten.

 

Nach ein paar Bierchen und dem Ausfüllen der Lottoscheine ging jeder wieder nach Hause. Da auf dem Heimweg von Kurt die Lottoannahmestelle lag, gab er dort die Lottoscheine dann ab. Aber in letzter Zeit kam es immer wieder vor, dass er dies vergaß. Erst daheim bemerkte er  später in seiner Westentasche, dass dort sich die Lottoscheine noch befanden. Wieder zur Lottoannahmestelle zurück zu laufen hatte keinen Sinn, da inzwischen Ladenschluss war.

Kurt legte den 30€ Spieleinsatz seiner Freunde in eine Schatulle mit den Lottospielscheinen.

Er war sich bewußt, dass dies ein Risiko war. Aber wenn von Millionen von Spielern nur meist zwischen einem und zehn Wetter einen großen Gewinn erzielten, waren sie bestimmt nicht dabei. Er hatte nun vor, den gesparten Betrag an Weihnachten an seine 2 Mitspielern auszuzahlen.

 

Wie jeden Samstag schaute Kurt mit seinem 32 jährigen Sohn die Sportschau im Fernsehen an.

Dann kam ein Telefonanruf. Wie immer war die Freisprechanlage eingeschaltet.

„Kurt wir haben 6 Richtige. Komm sofort in die Gaststätte wir müssen feiern,“ brüllte Paul.

„ Mir geht es gesundheitlich heute gar nicht gut. Habe enormes Schwindelgefühl und kann fast nicht laufen,“ antwortete Kurt.

„Dann kommen wir eben zu dir“, ertönte die laute und fröhliche Stimme von Paul. „In einer halben Stunde sind wir da.“

Kurt sank in seinem Fernsehsessel zusammen und wurde totenblaß.

„Schnell einen Krankenwagen rufen“, schrie Timo. „Papas Kreislauf ist wohl zusammengebrochen.“

„Hat er sich bei den blöden Fußballspielen zu stark aufgeregt?“ Fragte die Mutter von Timo.

„Wahrscheinlich, sein Lieblingsverein Borussia Dortmund verlor gegen Freiburg,“ teilte er seiner Mutter mit.

 

Nach 10 Minuten kam der Krankenwagen und fuhr Kurt und seine Ehefrau ins Krankenhaus.

Timo blieb in der Wohnung, da ja gleich Udo und Paul kamen.

Schon klingelte es stürmisch an der Wohnungstüre.

Im leicht betrunkenem Zustand stürzten die beiden herein.

„Hat deinen Vater den Schlag getroffen?“ fragte Udo angeheitert.

„Als er von dir erfahren hat, dass ihr sechs Richtige im Lotto habt, ist er zusammengebrochen,“ erklärte Timo.

„Ja Kurts Nervenkostüm war schon immer sehr schwach. Weißt du wo die Lottoscheine sind?“ Fragte Paul.

„Ja einen Moment“. Timo holte die Schatulle.

Mit gierigen Augen überprüften die Beiden die einbezahlten Lottoscheine.

„Ja, auf unseren Kurt ist halt Verlaß,“ meinte Udo.

Man öffnete eine Sektflasche und es wurde auf den Millionengewinn angestoßen.

Timo bemerkte seit über einem Jahr, dass sein Vater an einer Demenzkrankheit litt. Auch seiner Mutter war es schon aufgefallen.  Es war wohl nur der Anfang der Krankheit, denn nur gelegentlich verwechselte oder vergaß er Wörter oder Situationen. Aufgefallen ist Timo, dass wenn sein Vater vom Wetten kam, danach immer etwas in die Schatulle legte. Timo schaute vor einiger Zeit nach, was sich darin befand. Es waren darin unbezahlte und bezahlte Lottoscheine.

Wenn sich nun aktuelle unbezahlte Lottoscheine sich darin befanden nahm er diese heraus und fuhr zu einem Einkaufszentrum, wo man noch zu späterer Stunde Lottoscheine bezahlen konnte. Danach legte er die quittierten Scheine wieder in die Schatulle.

So auch diesmal.

 

„Timo, ruf doch mal deinen Vater an, wie es ihm geht,“ schlug Paul vor.

Seine Mutter konnte er über das Handy erreichen. „Wie geht es Vater?“ Fragte Timo.

„Die Ärzte haben mir eben mitgeteilt, dass er sich auf dem Weg der Besserung befindet.“

„Ich möchte kurz bitte mit ihm sprechen“.

„Hallo Papa, wann kannst du zum Sekt trinken kommen wegen dem Millionengewinn? Deine Freunde haben die Lottoscheine geprüft. Die Einzahlung wurde ordnungsgemäß durchgeführt.“

„ Ich habe gedacht, dass ich vielleicht vergessen habe, die Lottoscheine zu bezahlen,“ antwortete sein Vater.

„Nein, nein, es ist alles in Ordnung.“

Bei schmuddeligem Wetter in Wetter kamen seine Eltern nach einer Stunde mit dem Taxi nach Hause.

Seine Mitwetter begrüßten ihn  lallend. Trotzdem wurde bis Mitternacht gefeiert.

Bevor man zu Bett ging, fragte der Vater seinen Sohn: „Wo ist denn die Schatulle?“

„Ich weiß nicht mehr wo ich sie hingelegt habe,“ antwortete sein Sohn.

„Dann geht es dir so wie mir. Ich dachte schon ich hätte Alzheimer.“