Von Gerhard Schönbeck

„So, eine Melange, der Herr!“

„Besten Dank!“

 

Der Kellner blieb für den Geschmack des Gastes einen Augenblick zu lange erwartungsvoll beim Tisch stehen. Etwas an dem Servierkörper rief ein Gefühl der Vertrautheit im Gast hervor, als hätte es vor langer Zeit eine nebulöse, sinistre Episode zwischen den beiden gegeben – aber was war es? Die hochrote Gesichtsfarbe? Der feingetrimmte Bart?

 

Einen Moment.

 

Der Kellner zog ein Schriftstück aus der Anzugtasche und legte es galant auf den Tisch. Der Gast stöhnte innerlich auf, als er die ersten Worte las.

„Dämmert es?“ fragte der Kellner süffisant.

„Ich denke schon“, erwiderte der Gast resignierend, „du bist der Fürst der Finsternis und hättest gerne den Wetteinsatz.“

„Richtig“, antwortete der Kellner zufrieden. Mittlerweile war er aus seinem Anzug gleichsam herausgewachsen und stand überlebensgroß, pelzig und gehörnt vor dem Gast. Dieser blickte sich unschlüssig im Raum um.

„Keine Sorge, nur du nimmst mich so wahr. Für die anderen bin ich eine ganz normale Servierkraft im Smoking.“

„Hätte ich mir denken können. Aber bevor ich dir jetzt endgültig meine Seele überschreibe, würde ich unsere Vereinbarung gerne noch einmal durchgehen.“

„Bitte.“

„Also gut. Zum Beispiel hier Punkt drei. Die Gegenpartei erhält die Möglichkeit, auf der Titelseite einer international gelesenen Zeitung zu erscheinen.“

„Erinnere dich an die Star-Wars-Convention vor acht Jahren in Schwanau“, gab der Teufel zu bedenken.

„Als ich von einem wildgewordenen Schäferhund durch die Halle gejagt worden bin, dabei über die Bühne flüchten musste und solcherart die Podiumsdiskussion mit den nicht-menschlichen Nebendarstellern gesprengt habe? Admiral Ackbar wirkte etwas konsterniert.“

„Genau die. Am folgenden Tag berichtete der ‚Schwanauer Bote‘, der sowohl im deutschen Ortenaukreis als auch im benachbarten französischen Elsass gelesen wird, über diesen Vorfall, aufgefettet mit einem sehr schönen Foto. Schau hier.“

Der Gast betrachtete die Zeitungsseite mit sinkendem Mut. „Na schön. Aber was ist mit Punkt acht?“

„Denk an deinen VIP-Aufenthalt im Sauna-Erlebnisclub ‚Zur Tanzenden Filzlaus‘. Die Leiterin sowie die örtlichen Honoratioren haben noch monatelang voller Anerkennung von Deinem Besuch gesprochen. Insbesondere…“

„In Ordnung, in Ordnung“, wehrte der Gast ab. „Gut, erfüllt. Hmm… Das auch… Das ebenso…“

„Dann kommen wir jetzt zu Punkt dreizehn, ‚Wetteinsatz der Gegenpartei’“, freute sich der Teufel.

„Einen Moment noch“, warf der Gast ein, „Punkt zwölf, Unterpunkt sieben b, dritter Teilstrich. Die Gegenpartei wettet weiters, dass der Vertragserrichter es nicht schafft, eine Melange herzustellen, die über eine derart feste Milchschaumhaube verfügt, dass ein darauf abgestellter Münzstapel – bestehend aus zehn Zwei-Euro-Münzen – nicht versinkt. Der Vertragserrichter hat dafür drei Versuche. Und bitte.“

Der Teufel stutzte für einen Moment, fixierte die auf dem Tisch stehende Tasse und spurtete in die Küche. Kurze Zeit und einige unterdrückte Flüche später stellte er eine frische, dampfende Melange vor den Gast, der den vorbereiteten Münzstapel sorgfältig auf dem eindrucksvoll aufgetürmten Milchschaum platzierte. Gespannt starrten die beiden Kontrahenten die Tasse an.

 

Wupp. Der Münzstapel versank ohne viel Aufsehen.

 

„Eins“, zählte der Gast.

 

Küche.

 

Zweite frische, dampfende Melange.

 

Wupp. Allerdings diesmal deutlich langsamer.

 

„Zwei.“

 

Leicht zitternd brachte der Teufel die dritte Tasse. Der Milchschaum wirkte, als könnte er einem Presslufthammer widerstehen. Behutsam setzte der Gast den Münzstapel darauf ab. Atemlose Stille. Der Schaum schien standzuhalten, gab schlussendlich aber nach und schluckte den Münzstapel Millimeter für Millimeter.

 

Wupp.

 

„Drei.“ Der Gast erhob sich.

„Moment!“ rief der Teufel. „Du kannst nicht einfach… Bleib hier!“

„Und wie ich kann“, gab der Gast mit neu erlangtem Selbstbewusstsein zurück, „siehst du auf der Melange einen Münzstapel? Ich nicht.“

Hilflos beobachtete der Teufel, wie der Wettvertrag langsam zu Asche zerfiel. Leichtfüßig schlenderte der Gast zur Tür hinaus. Der Teufel blickte ihm verzweifelt nach und versuchte, die Situation zu analysieren.

„Herr Ober!“ drang eine Stimme aus dem Hintergrund an sein Ohr.

Was hatte ihn dabei nur geritten? Melange? Münzstapel?

Herr Ober!

Nächstes Mal würde er sich nicht so einfach fangen lassen.

„Herr OBER!!“

„Bitte?!“ fuhr der Teufel entnervt herum.

„Nennen Sie das ernsthaft einen Einspänner?“

„Was stimmt nicht damit?“

„Die Schlagobershaube ist doch etwas arg dünnflüssig.“

„Das bilden Sie sich ein. Darauf können Sie doch ohne weiteres eine Figur des Stephansdoms aus Massivbronze abstellen. Hätten Sie vielleicht Interesse an einer kleinen Wette?“

 

V2