Von Anne Zeisig

Gattin Marlies hatte meine Flaschenpost-Geburtstagsgrüße aus der Badewanne gefischt, eine ungewöhnliche Art von mir ihr zu gratulieren, sie zog den Stöpsel heraus, das Wasser strudelte gurgelnd in den Abfluss und nahm das gerollte Papier aus der Flasche und las meine Geburtstagswünsche, an die ich mich, ehrlich gesagt, nicht mehr klar erinnern konnte. (Einen Schnappes zu viel = Schnapsidee vor der Theke der Stammkneipe)
Für alle, die mich nicht kennen: Ich bemühte mich stets, meine Frau an Jubeltagen zu überraschen, aber irgendwie war das immer ein Flopp.

Also saß mein liebstes Graueselchen in ihrem geblümten Morgenmantel auf dem Badewannenrand und las mit gerunzelter Stirn meine Worte, blickte ab und zu auf, während ich mir die Zähne putzte.
„Seit wann kannst du schreiben?“, fragte sie mich. „Poesie war ja nie dein Ding.“
Lächelte sie etwa verhalten?
Ich hielt inne. Schaute die Kacheln an, schrubbte meine Beißerchen. Blickte in den Spiegel.
Wenn meine Gattin ihre Augenbrauen bis unter den Haaransatz hoch zieht, wirkt sie nachdenklich … irgendwie … und bedrohlich.
„Kollege Ernst meinte, ich müsse mal romantisch sein“. Spuckte die überschüssige Zahnkreme in das Waschbecken, gurgelte mit dem Mundwasser hinterher und verschluckte mich hüstelnd daran. „Und eine Flaschenpost zum Geburtstag ist romantisch.“
Schlurfte ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen.

Oh ha!
Marlies hatte mir den ‘guten’Anzug samt Zubehör über den Bügel gehängt. Das bedeutete, ass Sohnemann mit Frau und Kindern zum Sektfrühstück erscheinen würde.
„Hmmmm, schsch…“, zischte ich. Hasste Krawattenknoten.
„Ist was, Heinzi?“, fragte meine Frau aus dem Bad.
„Nein! Nie-hix“, unterdrückte ich den Schluckauf, zwängte mich in die offizielle Kleidung samt Krawatte, welche meine Kehle zuschnürte. Und genau in dem Moment klingelte es.
„Machst du auf?“, rief Marlies, „ich muss mich noch aufhübschen!“
Eilte hinab, öffnete die Haustür mit geöffneten Armen, um meine Enkel willkommen zu heißen, aber die wuselten schwungvoll an mir vorbei, stießen gegen die Bodenvase. Die klirrte auf dem Fliesenboden entzwei.
„Das zahlt die Haftpflicht!“, rief mein Sohn und stürmte seinem Nachwuchs ins Wohnzimmer hinterher, aber da war es bereits zu spät, weil die Enkel ihr Paket samt Körperfülle auf dem Sofatisch abluden, dessen Glas scheppernd auf der Auslegeware ….
„Jungs! Habt ihr euch auch nichts getan?“, stob die Schwiegertochter dazwischen und sammelte den lachenden Nachwuchs zwischen den Scherben
ein.
„Das ist Sicherheitsglas“, versicherte Sohnemann, „das ist Vorschrift in Auto-Frontscheiben und beim Mobiliar.“
„Ob das eure Versicherung wirklich zahlt?“, rief ich unlaut, weil Marlies davon nichts mitbekommen sollte.
„Sorry, Opa! Oma wird sich freuen!“
‘Und wie!’, dachte ich übermüdet und verkatert vom Vorabend in der Kneipe.

„Meine Lieben!“, tönte es uns von der Treppe entgegen und mein Graueselchen Marlies schwebte in einem Traum von ‘Nichts-Und-Schwarz-In-Spitze’ in den Wohnraum, hob das Paket vom Boden auf und Tränen kullerten über ihre geröteten Wangen. „Für mich?“ Ihr Blick blieb an den Enkeln und ihren Eltern haften.
Sie riss es ungehalten auf, beförderte eine KLEINE Flasche hervor mit ‘4711, Echt Kölnischwasser’ und hielt zudem eine Video-Kassette in der Hand nah an ihre Augen, weil sie wieder keine Lesebrille dabei hatte. Kräuselte ihre Stirn, zog die Augen zu Schlitzen zusammen, wie es so ist, wenn man schlecht sieht.
Umarmte unseren Sohn, die Schwiegertochter: “Den Film habe ich mir damals so gerne im Kino angesehen.“ Hielt diese Kasette wie eine Trophäe hoch. Oder Diskette? CD auf Neudeutsch?
Ich schenkte den Sekt ein: ‘Klar. Dagegen ist meine Flaschenpost altmodisch.’
Marlies stand auf, um die Häppchen zu holen.
„Heinz!“. gellte sie plötzlich, „Warum hast Du die Bodenvase umgeworfen? Und die Glasplatte vom Tisch hast du auch zerstört!“
‘Zur Sache Schätzchen!’, dachte ich.
So hieß der Film damals.

endFassung