Von Martina Zimmermann
Gerade noch warst Du so lebendig. Deine Herzlichkeit, die ich für selbstverständlich
gehalten habe. Diese warme mitfühlende Art, immer interessiert an allem und
ein Herz für jeden. Eine Frau, die mit fünfundachtzig Jahren, den größten Teil ihres Lebens hinter sich hatte, doch davon wolltest Du nichts wissen.
Du schautest nach vorn und nicht zurück. Ich dachte, ich würde Dich ewig an meiner
Seite bei mir haben. Jeden Tag kurz zu Dir herüber fahren, oder den Spaziergang mit dem Hund so legen, dass ich passend, nach Deiner Mittagsruhe, bei Dir vorbei komme und wir zusammen Kaffee trinken.
Diese Selbstverständlichkeit, sich bei Dir aufzuregen, über alles, was mir gerade zu schaffen machte. Eine Zuhörerin zu haben, die mich beruhigte und mir gut zusprach.
Wenn ich etwas Schönes erlebt hatte, dann teilte ich es mit Dir.
Meine neuste Geschichte, die ich gerade geschrieben hatte, die las ich Dir vor.
Ich lies Dich teilhaben, daran was gerade in meinem Leben passierte und wir sprachen darüber. Wir lachten zusammen und so manches Mal regten wir uns zusammen auf oder waren traurig.
Wenn Du etwas auf dem Herzen hattest, oder ich etwas für Dich erledigen sollte, dann riefst Du an und wir sprachen darüber.
Du erkundigtest Dich immer, wie es mir geht, gabst mir Ratschläge, wenn ich krank war. Fragtest immer nach dem Rest der Familie und natürlich auch nach dem Hund, den Du so gerne hattest.
Alles so selbstverständlich …
Doch dann kam der Tag, an den ich nie denken wollte. Ein Tag, der mir zeigte, wie zerbrechlich wir eigentlich sind. Die Angst die mich in Beschlag nahm, die in mir hoch kroch und sich innerlich festsetzte, so dass ich glaubte, ich bekäme keine Luft mehr.
Wie an einer Steckdose angeschlossen, als wenn Strom durch meinen Körper schoss und mich einnahm, mit der Funktion, mich weiter zu treiben, bei der Stange zu bleiben und das auszuhalten, was noch kommen sollte.
Eigentlich musstest Du alles aushalten und ertragen. Aber ich tat es mit Dir. Ich wollte Dir eine Last abnehmen und wenn ich gekonnte hätte, dann hätte ich Dein Leid geteilt.
Doch ich konnte es nicht. Und du sagtest; „Du kannst nichts tun, es ist in Ordnung.“ Für mich war nichts in Ordnung …
Du hattest Hoffnung bis zum Schluss und ich sollte es Dir sagen, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Ich sollte mit Dir darüber sprechen, aber ich
weigerte mich …
War das Unvernunft?
War es Unvernunft, dass ich Dir nicht gesagt habe, du wirst sterben und Dir deine Hoffnung zu nehmen?
Ich denke nicht …
Du gingst in dem Glauben, nur kurz zu schlafen, mit mir an deiner Seite, die auf Dich aufpasste. Ohne Angst, ganz entspannt und ohne Sorgen.
Für mich ist das ein großer Trost und doch werde ich Dich vermissen.
Du wirst mir immer in meinem Herzen sein und niemand wird diese Lücke füllen können.
( Geschrieben für meine Mama, die am 28.10.22 verstarb)