Von Miklos Muhi

Das Magie-Studium war extrem hart. Das übliche soziale Leben sterblicher Studenten gab es an der Zauberakademie für gewöhnlich nicht. Um den Abschluss zu schaffen, brauchte man Fleiß und Eifer ohne Ende.

Die Schwestern Kunigunde und Eusebia, Studentinnen der Hexerei und dunkler Magie, kamen drei Jahre nach mir auf die Akademie. In ihrem ersten Studienjahr gewannen sie sogar den Voodoo-Wettbewerb, eine reife Leistung.

Die Fassade der fleißigen, angehenden Hexenschwestern bröckelte aber bald.

Kunigunde war überfordert und verbitterte zusehends. Ihr fehlte das nötige Ausdauer für so ein Studium. Sie lernte nicht einmal das Minimum und mangels Übung vergaß sie bald, was an ihr hängen blieb. Immer wieder trieb sie sich in den Siedlungen der Sterblichen herum.

Als sie vor den Rektor trat und ihre Entlassung verlangte, zögerte man nicht lange. Sie begründete ihren Antrag damit, dass sie beabsichtigte zu heiraten. Eine ausgezeichnete Partie war der arme, verwitwete Holzfäller mit zwei Kindern nicht, aber auf eine bessere bestand für sie keine Hoffnung. Ohne einen Abschluss exmatrikuliert zu werden, kam einem gesellschaftlichen Absturz gleich.

Trotzdem hatte sie Aussicht auf eine Ehe und eigene Kinder. Das hatte sie allen Hexen voraus. Sie lebten aus verständlichen Gründen allein, und zwar üblicherweise für immer.

Neid und Missgunst waren die Folge. Trotz aufgesetzter Nettigkeiten war für jeden ersichtlich, dass ihre Schwester, Eusebia, innerlich kochte. Trotzdem kam für sie nicht infrage, Kunigunde zu schaden. Sie fand einen anderen Weg, um sich … ja … zu verwirklichen.

Der erste richtige Zauber in der Hexenausbildung ist der Zuckerzauber. Gelehrt wird er gegen Ende des zweiten Studienjahres. Der Abschluss des Kurses fiel mit Kunigundes Abgang zusammen. Da hatte Eusebia ihre Entscheidung getroffen.

Von da an lernte sie nur das Minimum. Sie bestand ihre Prüfungen mit Mühe und Not. Ihre Hauptbeschäftigung war, sich von möglichst vielen Männern flachlegen zu lassen.

Sie teilte ihr Bett mit jedem und war nicht im Geringsten wählerisch. Im Opportunismus ihrer Kommilitonen sah sie einen Beweis für die eigene Unwiderstehlichkeit. Mit solchen Vorstellungen im Kopf duldete sie keine Abweisung, egal in welcher Form.

War jemand nicht sofort bereit, mit ihr in die Kiste zu springen, verfluchte sie ihn. Sie hatte mich damals auf dem Radar. Ihr Interesse war einseitig. Ihr Fluch ließ nicht lange auf sich warten.

So kam es, dass Eusebia nur den Zuckerzauber beherrschte, als sie ihren Abschluss endlich in der Tasche hatte. Das reichte für eine Vollzeithexenstellung aber nicht aus. Dass sie weiterhin Männern nachstellte, half nicht. Die Jahre flossen dahin und ihr blieb nur das einsame Leben im Wald in einem kleinen Haus, gebaut mithilfe des einzigen Zaubers, den sie einzusetzen vermochte.

Sie zog in die Nähe ihrer Schwester, um nicht allein zu sein. Hin und wieder besuchte Kunigunde sie und erzählte von ihrem harten Leben. Das tagtägliche Elend verhinderte, dass sie eigene Kinder zur Welt brachte, so schlug Eusebia eine grausame Lösung vor.

Kunigunde überredete ihren Mann, die Kinder im Wald auszusetzen, und zwar so, dass sie Eusebias Haus fanden. Diese hatte versprochen, dafür zu sorgen, dass Hänsel und Gretel nie wieder auftauchten.

Ich nahm ihre Verzweiflung und ihren Hunger wahr, sobald sie den Wald betreten hatten, genauso wie ihre Freude, als sie das Haus gefunden hatten. Ich bin nicht befugt, mich ins Leben von Sterblichen einzumischen, aber zuzusehen ist zulässig und macht Spaß.

Die Kleinen waren blitzgescheit und beendeten Eusebias unglückliche Hexenkarriere für immer.

Kunigunde war von der Rückkehr der Kinder nicht begeistert. Sie verließ ihren Mann und bemühte sich um eine Wiederaufnahme auf die Akademie, um ihr Studium zu beenden. Das zuständige Gremium hatte bis dato keine Entscheidung darüber getroffen.

Eusebias ständiges Verfluchen sorgte damals für Aufregung. Ob ihr Fluch bei mir gewirkt hatte? Sie verfluchte mich zum Schwulwerden. Ich, Dendros, der Waldzauberer war aber schon immer schwul.

Sie beherrschte nicht einmal das Verfluchen anständig und kam nie auf die Idee, grundlegende Sachverhalte zu klären, bevor sie Magie einsetzte. Was für eine Dilettantin!

 

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