Von Miklos Muhi
Wieso habe ich solchen Durst?
Die Suche nach der Antwort hilft beim Gefühl der drohenden Austrocknung nicht. Der riesige Wassertümpel, der sich vor meinen Augen erstreckt, sieht hingegen einladend aus.
Und überhaupt, alles ist so riesig. So einen Löwenzahn habe ich nie gesehen. Und wie kommt das Elefantengras auf unsere Breitengrade?
Damit werde ich mich später befassen, sobald dieser unsägliche Durst weg ist. Ein-zwei Schluck aus dem Tümpelwasser mit leckerem Schlamm, das wäre doch was. Wenn einige Mückenlarven dabei sind, umso besser.
Woher kommen diese bescheuerten Gedanken?
»Weg da, sonst gibt es Ärger!«, höre ich aus der Ferne. Die Sprache klingt etwas merkwürdig, aber die Drohung ist klar. Das lasse nicht auf mich sitzen!
»Verschwinde, du Arsch! Oder komm hier und zeig mir, aus was für einem Holz du geschnitzt bist!«, erwidere ich.
War das nötig? Ja … Nein … Was bezwecke ich damit?
Der Duft, der mir in die Nase steigt, bringt mein Blut in Wallung. Sie gehört mir! Wer denn? Na, die Frau, die nur auf ihren grünen Prinzen wartet. Ich lade sie auf ein Festmahl mit Larven, Insekten und Schlamm ein.
Ein laubfarbener Königssohn? Bin ich völlig bescheuert oder was?
Die Fliege, die über den Tümpel kreist, sieht echt lecker aus. Habe keine Lust, weiter darüber nachzudenken. Wenn nur meine Haut nicht so trocken wäre. Ich verschwinde lieber.
Hopp, hopp und lande hinter einem großen Blatt im kühlen Schatten, mit der Hoffnung, mich etwas auszuruhen, doch dazu kommt es nicht.
Der alte Mann im Visier des wesentlich jüngeren Schützen lächelt erwartungsvoll. Was läuft hier? Mit einem Satz wäre ich neben dem Waffenträger, Gewehrlauf nach oben stoßen, ein Tritt in den Schritt, Knie ins Gesicht – zumindest so lautet die Theorie. Alles schon zig mal eingeübt gegen Angreifer mit Plastikwaffen.
In den Beinmuskeln sammelt sich eine nie wahrgenommene Kraft, die in den Armen entspannen sich, bereit, jederzeit blitzschnell zusammenzuziehen. Jetzt fehlt nur der Sprung.
Daraus wird aber nichts.
Die sexuelle Anziehung, die von der riesigen Frau ausgeht, ist überwältigend. Zu dieser Jahreszeit liegt Liebe quasi in der Luft, aber die extrem knappe Schwesteruniform und der goldene Nagellack tragen dazu ebenfalls bei.
»Nicht so schnell Junge!«
»Wow … aber … der Mann … das Gewehr … bist du heute Abend frei?«
»Ja, doch jetzt bin für Süßholzraspeln nicht zu haben. Wir versuchen hier, zu arbeiten. Geduld, denn in der Ruhe liegt die sexuelle Kraft«, antwortet sie.
»Was macht ihr hier? Du bist aber scharf.«
»Wir sind die Bumm und Weg Sterbehilfegesellschaft mbH. Der Mann mit der Waffe ist Dr. Quack, ein Gerontologe vom Wasserweltruf. Ich heiße Grüni, bin Arzthelferin und paarungsbereit. Unser Patient, Herr Laub ist dabei, die angebotene Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.«
»Ey was?«
»Herr Laub hat viele dicken Brummer für seine Erlösung hingeblättert.«
»Aber …«
»Sind wir fertig, stellt Dr. Quack den Tod fest. Danach werde ich dich so was von dermaßen vernaschen, dass du erst morgen wieder auf die Beine kommst, du Hengst.«
*
»Guten Morgen, meine Damen und Herren. Sie hören die Nachrichten auf Bayern 2. Die Bundesregierung hat beschlossen …«
Ich schalte den Radiowecker aus, öffne die Augen und starre die Decke an. Der Durst ist geblieben. Etwas stimmt nicht. Als hätte ich eine Klette im Mund oder eher …
Ich setze auf und spucke eine große, tote schwarze Fliege in meine Hand.
»Boah, Mann«, murmele ich und versuche, mich nicht auf der Stelle zu übergeben.
Während ich mir die Zähne putze, überlege, ab jetzt etwas mehr auf die hohe Kante zu legen. Eine Patientenverfügung wäre ebenfalls nützlich.
Ich nehme mir vor, selbst nach größeren Trainingseinheiten, die abendliche Fressorgien einzuschränken.
Ich hasse Fliegen.
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