Von Miklos Muhi

 

»Du kannst es dir noch anderes überlegen. Die Technologie ist experimentell. Es gibt keine Garantie.«

Ich liege auf einem verkabelten Krankenhausbett.

»Ich bin bereit. Der Rest kann mir gestohlen bleiben«, antworte ich und setzte den Helm auf. Die Welt versinkt in Dunkelheit. Die Anzeigen auf der Innenseite des Visiers blinken kurz auf.

»Wenn es klappt, hast du vier Stunden. Mach das Beste daraus. Viel Glück!«, höre ich und es klackt. Ein schmerzloser Schlag folgt in meinem Kopf und ich verliere die Besinnung.

*

Es ist düster. Dunkle Gestalten schlagen nach mir. Für jeden parierten treffen mich mindestens zwei.

Die Schmerzen steigern sich ins Unerträgliche und die Anspannung der malträtierten Muskeln verschlimmern die Lage erheblich.

Bald schreie ich nach der Erlösung, sei sie in der Gestalt des Sensenmannes. Selbst die sich ankündigende Bewusstlosigkeit kommt mir wie eine Besserung vor.

Dunkelheit.

*

Nach überstandener Übertragung liege ich allein in einem riesigen Bett, das im Vergleich zum Zimmer, in dem es steht, winzig aussieht. Und das ist nur das Schlafzimmer. Den Grundriss kenne ich aus streng geheimen Berichten.

Die Lähmung des Albtraums schüttele ich ab. Mein erster Weg führt ins Badezimmer, in dem eine durchschnittliche Wohnung Platz gefunden hätte. Alles läuft langsam. Schmerzen melden sich in Gelenken, die ich nie bewusst wahrgenommen habe. Er leidet.

Keine Sorge. Das Leiden endet bald.

Ein alter Mann mit schütteren Haaren, kalkweißem Gesicht und verwirrten Augen schaut aus dem Spiegel zurück. Sein Bildnis hätte ich sonst ohne zu zögern angespuckt. Heute überwiegt die Freude.

Ich laufe zurück zum Bett und setze mich hin. Zeit für einen Kassensturz. Vorerst hat alles geklappt: Auf seine Fähigkeiten und Erinnerungen habe ich ungehinderten Zugriff. Die Untiefen seiner Gedanken sind erschreckend. Wahnsinn herrscht in den düsteren, zusammenhangslosen Wirbeln.

Ich betrete das Arbeitszimmer. Ein riesiger Schreibtisch steht in der Mitte. Keine Fussel Staub auf dem Marmorboden.

Der luxuriöse Stuhl mit Lederbezug ist bequem. Ich versuche die Gedanken darüber, was das für ein Leder ist, zu verdrängen.

Ein Knopfdruck auf dem Kontrollpanel der Gegensprechanlage lässt die Tür aufgehen. Der persönliche Assistent eilt hinein und grüßt mich. Ich grüße mit einem Kopfnicken. Das Foto dieses Mannes illustriert mit Sicherheit den Artikel zum Ausdruck rückgratloser Arschkriecher im Wörterbuch.

Ich verfüge die Absage aller meiner Termine für den Tag und die Einberufung einer Pressekonferenz, die live auf sämtlichen Kanälen zu übertragen ist. Für die Vorbereitungen hat er genau drei Stunden. Dann schicke ich ihn weg.

Keine Widerrede. Grund dazu hätte er. Es klappt.

Jetzt habe ich genug Zeit, um eine Rede zu schreiben.

Doch vorher zerstöre ich diesen dämlichen schwarzen Koffer mit Strom-, Telefonanschluss und Knöpfen, der unter dem Schreibtisch steht. Den braucht bald kein Mensch mehr.

*

Ich öffne die Augen und finde mich wieder im verkabelten Bett.

»Alles in Ordnung?«

»Ja. Was haben wir erreicht?«, frage ich.

»Kannst du aufstehen?«

»Ja«, sage ich und beweise es auf der Stelle.

»Komm mit. Ich zeige es dir.«

*

Guten Abend, meine Damen und Herren. Das ist eine Sonderausgabe der Tagesreview.

Heute Mittag hat der Präsident von Mussland, Welker Pitler, eine Pressekonferenz gegeben, übertragen auf allen mussischen Fernseh- und Radiosendern und verschiedenen Videoplattformen.

Nach den gewohnten Floskeln zur Stärke seines Landes hat er die Nationalisierung allen Privatvermögens angekündigt. Gleichzeitig befehligte er die Armee, sämtliche Millionäre festzunehmen.

Dann hat er Verbot und Enteignung der Mussisch-Orthotoxischen Kirche verkündet.

Des Weiteren bezeichnete er den Generalsekretär der Kommunistischen Partei des Mittellandes als Zitat Schwuchtel Zitat Ende und den Machthaber von Nordpopea, Kyng Kong Fuch als dessen Zitat Lustknabe Zitat Ende. Er hat den Geheimdienst des Verrates beschuldigt und Nationalgarde, Armee und Polizei die Festnahme und Liquidierung aller Angehörigen dieser Behörde befohlen.

Die Übertragung brach an dieser Stelle ab.

Laut upyrianischen Quellen ziehen sich mussische Einheiten Richtung Landesinneres zurück. Unsere Korrespondenten berichten aus dem ganzen Land von wirren Straßenkämpfen zwischen Geheimdienst, Nationalgarde, Polizei und Armee.

Die Vereinten Nationen mahnen zur Besonnenheit und warnen vor einem Machtvakuum. Zur aktuellen Stunde gibt es keinerlei Anzeichen von erhöhten Aktivitäten bei den atomaren Streitkräften des Landes.

 

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