Von Eva Fischer

Werner:

Glotz mich nicht so blöd an, du hässliche Töle! Ich brauche keine Vorwürfe, erst recht nicht von dir. Es reicht mir schon, dass meine Alte abgehauen ist. Eigentlich sollte ich froh sein, dass ich mir ihr Gekeife nicht mehr anhören muss. „Trink nicht so viel Schnaps, Werner!“, hat sie ständig rumgemosert. Was geht sie das an? Ist sie meine Erziehungsberechtigte? Auf der Arbeit gibt es auch nur Ärger. Da wird man sich wohl mal nach Feierabend ein Bierchen mit einem Schnäpschen gönnen dürfen.  

Prost, Wotan! Hättest wohl auch gerne so ein feines Tröpfchen, was? Träum weiter! Französische Bulldogge! Bilde dir bloß nichts drauf ein! Wie kann man nur so hässliche Tiere mit Fledermausohren und platter Nase züchten! Aber meinem Herrn Sohn hast du gefallen. Nur blöd, dass seine Firma ihn für zwei Monate nach Südafrika geschickt hat. Da musst du mit mir vorliebnehmen. Benimm dich also gut, sonst gibt’s Saures! Und wehe, du scheißt mir in die Wohnung! Dann verklopp ich dich, dass du es nie mehr vergisst.

Wotan:

Wer ist hier hässlich? Doch eindeutig du mit deiner Gurkennase! 

Wie konnte mich mein Herrchen nur bei dir lassen! Du säufst dich ins Koma. Das sieht doch jeder. Könnte ich nur abhauen! Morgen, wenn du mal wieder schlecht gelaunt zur Arbeit gehst, dann schleiche ich mich an dir vorbei. Ach, wenn das mein Herrchen wüsste! Er hat mich bei deiner Frau abgegeben, aber die hat es auch nicht mehr mit einem Fiesling wie dir ausgehalten. Warum hat sie mich nicht mitgenommen, als sie abgehauen ist? Du hast sofort das Schloss ausgewechselt, nachdem sie weg war.

Ich gehe mal zur Tür und kratze um Hilfe. Einer muss mich doch hören. Bei allen Hundegöttern, heiliger Wotan, du mein Schutzpatron, rette mich vor diesem Unmenschen! Lass ihn spüren, was er anderen antut!

Werner:

Du glaubst wohl, ich höre dich nicht, du dämliches Vieh. Na warte! Wo ist mein Besen? Du hast es nicht anders gewollt. 

Wotan:

Grrr! Komm mir nicht näher, sonst beiß ich dich. Meine Vorfahren waren starke Kampfhunde.

Werner

Denk nicht mal dran, mich anzugreifen! Ich schlage dich tot, du elender Köter!

Was ist nur mit mir los? Warum ist mir auf einmal so schummrig?! 

 

*

 

Wotan:

Oh je! Was ist das? Ich liege am Boden. Wieso habe ich so merkwürdige, lange Beine? Mein Kopf ist nackt und fast unbehaart. Erinnert mich irgendwie an Werner. Hilfe! Ich bin im falschen Körper. 

Mir tut nichts weh, habe nur etwas Kopfschmerzen und vor allem Durst. Ich werde mir etwas Wasser aus dem Wasserkran holen. Mit dem riesigen Körper ist es kein Problem, an den Wasserkran zu kommen. Wie merkwürdig, auf zwei Beinen zu laufen und dabei nicht umzufallen! Die Klamotten schlabbern an meinem Körper. Sie sind hässlich im Vergleich zu meinem schönen, glänzenden, schwarzen Fell. Na ja, dieser Menschenkörper ist hoffentlich nicht für die Ewigkeit. Wenn ich hier raus bin, dann mache ich mich auf die Suche nach meiner freundlichen Herrin. Jetzt da ich ein Mensch bin, kann ich mir auch eine Dose Schnappi öffnen.  

Igitt! Das schmeckt ja ekelhaft! 

Werner:

Aua! Jede Bewegung schmerzt. Bin ich gestürzt? Ich fürchte, dass ich mir das Bein gebrochen habe. Überall ist Blut!

Oh Gott! Habe ich wieder zu viel gesoffen? Ich habe mich gerade selbst vorbeigehen sehen. Und ich dachte, man sieht Mäuse im Delirium.

Hilfe! Hilfe!

Ich kriege keinen Ton raus, nur ein klägliches Winseln! Was ist mit meinem Körper passiert? Igitt! Ein Hundekörper! Das ist ja widerlich!

Hilfe! Hilfe!

Wotan:

Oh, der arme Hund! Wie erbärmlich er jault! Er muss große Schmerzen haben. Mal sehen, was ich tun kann. Ich könnte seine Wunden lecken.

Werner:

Wer bist du? Das ist mein Körper. Gib ihn mir sofort zurück oder ich beiße dir ins Bein!

Wotan:

Du änderst dich aber auch nie. Ich bezweifle, dass du in dem Zustand nur einen Schritt gehen kannst. Wenn du keine Reue zeigst und dich bei mir nicht entschuldigst, helfe ich dir nicht.

Werner:

Du hast mich halb totgeschlagen!

Wotan:

Ich? Warum sollte ich. Das hast du selbst gemacht.

Werner:

Warum sollte ich mich selber schlagen?

Wotan:

Vermutlich wolltest du mich treffen.

Werner:

Und warum habe ich dann mich getroffen?

Wotan:

Tja, denke mal darüber nach. Ich muss jetzt Gassi gehen.

Werner:

Du willst jetzt spazieren gehen, während ich leide??

Rufe lieber Dr. Kreuzer an, damit er kommt und mir hilft.

Wotan: 

Dr. Kreuzer wird keine Hunde behandeln und ich kann leider nicht lesen und dir einen Veterinär besorgen. 

Werner:

Bring mir mein Handy! Ich sage dir, was du machen musst.

*

Wotan:

Frau Dr. Bär macht wirklich einen sympathischen Eindruck. Ich hätte mich vorher besser umziehen sollen. Der bekleckerte Jogginganzug sieht ja assi aus. Sie mustert mich vorwurfsvoll, während sie die kleine schwarze Bulldogge, mein Alter Ego, liebevoll behandelt. 

Sie glaubt mir nicht, dass ich es nicht war, der den Hund so zugerichtet hat und sie möchte mich dem Tierschutzverein melden. 

„Schauen Sie mich an! Ich könnte nie einem Tier etwas zuleide tun“, sage ich. Scheinbar wirke ich nicht überzeugend. Sie werde von Zeit zu Zeit bei mir vorbeischauen und wehe, wenn jemand dem Hund ein Haar gekrümmt hat. Ich nicke freudig, kann die Dame nur in ihrem Tun unterstützen. Ich verspreche ihr, sie auf einen Kaffee einzuladen. Sie wird aus mir nicht schlau. Na ja, das kann ihr keiner verübeln. Woher soll sie wissen, dass der Hund eigentlich ein Mensch ist und der Mensch eigentlich ein Hund?

Ich trage Werner zur Tür und verspreche schon morgen vorbeizuschauen. Werner pinkelt mich voll. Er kann es nicht lassen mich zu ärgern und sein hämisches Grinsen ist mir auch nicht entgangen. 

Der Stress geht weiter. Das Telefon klingelt. Offensichtlich ist Werners Chef erbost, dass er nicht zur Arbeit kam. Er könne seinen Rausch in Zukunft für alle Zeiten bei sich zuhause ausschlafen und brauche nicht mehr ins Büro zu kommen, brüllt er, sodass es sogar Werner mitkriegt und zu jaulen anfängt. „Und lassen Sie ihren Köter aus dem Spiel. Sie können mich nicht mehr umstimmen!“

Wir machen uns auf dem Heimweg. Plötzlich rieche ich, nein, sehe ich meine freundliche Herrin. Ich laufe ihr freudig entgegen, kann ein Wackeln meines Hinterteils nicht unterdrücken.

„Werner!“, ruft sie und schaut mich an.

„Was hast du mit dem Hund gemacht?“, fragt sie und schaut Werner an.

Zärtlich streichelt sie sein Fell. Werner scheint es zu gefallen. Er schmiegt sich an ihre Brust.

Meine Herrin faucht mich wütend an. Sie wolle nichts mehr von mir wissen. Ich sei ein Hundeschänder. 

Beim heiligen Wotan! Ich will meine Hundegestalt zurück.

Werner:

Ich kann nicht klagen. Mir tun zwar noch alle Knochen weh, aber ich werde gefüttert, gestreichelt und meine Scheiße wird entsorgt. Ich kann schlafen, wann immer ich will. Kein Chef nervt. Kein böses Wort mehr von meiner Ollen, nur noch honigsüße Schmeicheleien. Ich sei der Schönste.

Auf der Straße bücken sich die Frauen, um mich zu streicheln. Alle gucken auf mich herab. Ich sehe nur noch Straßenpflaster und Vorgärten. Und das nervt auf die Dauer, wenn Sie mich fragen. 

Size matters 

Meine Frau ist wieder nach Hause gezogen. Tja, und was sie und der falsche Werner hinter verschlossenen Türen im Schlafzimmer treiben, das geht mir auch zu weit.